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Psychologische Spannung literarisch verdichtet - John Burnsides erster Roman endlich auch auf Deutsch.
John Burnside ist einer der faszinierendsten Literaten unserer Zeit, der in seinen Werken immer wieder die Abgründe der menschlichen Natur erkundet. Bereits in seinem ersten Roman zeigt sich Burnsides Meisterschaft: In spannungsgeladenen Sätzen zeichnet er das Porträt eines jungen Mannes, der von maßlosem Forschergeist in den Wahnsinn getrieben wird.

Produktbeschreibung
Psychologische Spannung literarisch verdichtet - John Burnsides erster Roman endlich auch auf Deutsch.

John Burnside ist einer der faszinierendsten Literaten unserer Zeit, der in seinen Werken immer wieder die Abgründe der menschlichen Natur erkundet. Bereits in seinem ersten Roman zeigt sich Burnsides Meisterschaft: In spannungsgeladenen Sätzen zeichnet er das Porträt eines jungen Mannes, der von maßlosem Forschergeist in den Wahnsinn getrieben wird.
Autorenporträt
John Burnside (1955-2024), geboren in Schottland, zählt zu den profiliertesten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. Der Lyriker und Romancier wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Corine-Belletristikpreis des ZEIT-Verlags, dem Petrarca-Preis und dem Spycher-Literaturpreis. Mit »Lügen über meinen Vater« (2006), »Wie alle anderen« (2010), »Über Liebe und Magie - I put a spell on you« (2014) und »What light there is - Über die Schönheit des Moments« (2020) schrieb er mehrere Memoirs, die von Kritikern wie Lesern begeistert gefeiert wurden. Zuletzt erschien sein Erzählband »So etwas wie Glück: Geschichten über die Liebe«. 2023 wurde er mit dem renommierten David Cohen Prize für sein Lebenswerk ausgezeichnet. John Burnside verstarb am 29. Mai 2024 nach kurzer Krankheit im Alter von 69 Jahren.

Bernhard Robben, geboren 1955, ist seit 1992 als Übersetzer tätig. Er übertrug und überträgt u.a. die Werke von Ian McEwan, John Burnside, John Williams und Salman Rushdie ins Deutsche. 2003 wurde er mit dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet, 2013 mit dem Ledig-Rowohlt-Preis für sein Lebenswerk geehrt. Er lebt in Brunne, Brandenburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Stephan Speicher traut dem Erzähler und Bösewicht in John Burnsides "Haus der Stummen" all die Grausamkeiten nicht so recht zu, die Vivisektionen an Ratten, Kaninchen und schließlich Menschen. "Zu knickbeinig im Kopf" findet der Rezensent ihn. Das Wissenschaftsethos, mit dem der Ich-Erzähler seine Taten rechtfertigt, ist viel zu schlicht - oder schlicht falsch, bedauert Speicher, der sich an eine Faust-Parodie erinnert fühlt. Dabei sind Burnsides akribische Beschreibungen der Operationen am lebenden Wesen durchaus beeindruckend, so der Rezensent, es fehlt nur der große, oder wenigstens kaputte Geist, um den Taten auch Bedeutung zu geben, erklärt Speicher.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2014

Dunkler Fürst mit Zange und Skalpell

Der Forscher ist das Monster, das er schuf: John Burnsides erster Roman "Haus der Stummen" von 1997 fragt nach dem Ursprung der Sprache. Jetzt erscheint das Buch erstmals auf Deutsch.

Ist Luke ein braves Kind? Er liebt seine Mutter, vielleicht etwas zu sehr, erträgt geduldig seinen Vater, vielleicht etwas zu herablassend, geht zur Schule und verhält sich alles in allem eher unauffällig. Aber Luke ist kein normales Kind. Er ist der Bewohner eines "geheimen Reiches", zu dem er sich mit Zange und Skalpell Einlass verschafft hat. Hier wächst er zu einem jungen Mann heran, zum Alleinherrscher im Fürstentum einer pervertierten Wissenschaft, der alles, was lebt, als Forschungsmaterial zu dienen hat. Das Lebendige wie das Tote ist dem Wissensdurst eines geisteskranken Autodidakten unterworfen, der am Ende des Experiments, dem er sein Leben gewidmet hat, sogar seine eigenen Nachkommen tötet.

Luke ist den Geheimnissen der Existenz auf der Spur. Er beginnt mit toten Tieren, die er im Wald findet, geht aber rasch zu lebenden Objekten über, deren Körper er öffnet, um einen Blick auf das letzte Pochen der Herzen zu erhaschen und den Ausdruck in den brechenden Augen zu studieren. Was er in diesen Momenten verspürt, hält er für Erfüllung: "Lange war ich glücklich. Ich spürte, mit einiger Anstrengung müsste es möglich sein, die Wahrheit zu entdecken."

Um welche Art von Wahrheit geht es hier? Der Schotte John Burnside, Jahrgang 1955, hat sich zunächst als Lyriker einen Namen gemacht, bevor er 1997 mit "Haus der Stummen" seinen ersten Roman schrieb, der jetzt auch auf Deutsch vorliegt, geschmeidig übersetzt von Bernhard Robben. Man kann dieses Buch in der Tradition von Mary Shelleys "Frankenstein" lesen: Dann hat man das Psychogramm eines besessenen Forschers, der den Menschen erforscht und darüber inhuman wird. Aber warum müssen wir Luke dann schon als Kind kennenlernen? Weil Burnside uns zeigen will, dass der Wissensdurst seines Ich-Erzählers nie kindlich und unschuldig war.

Von kleinauf ist Luke ein willenloser Diener seiner abnormalen Leidenschaften und Affekte, zu deren Erfüllung und Rechtfertigung er das Reich seiner Pseudowissenschaft errichtet, in dem er sich als Herrscher fühlen darf. Identität betrachtet er als Illusion, als "Kunsthandwerk der Seele". Für ihn ist der Mensch nicht frei in seinen Entscheidungen, sondern determiniert durch eine Art Urverlangen, das etwas vage als "anfänglicher Impuls" bezeichnet wird. Er war Luke von Anfang an eingeschrieben, "so sehr Teil von mir wie meine Liebe zu Mutter".

Wer will, kann Lukes Bindung zu der vergötterten Mutter, die inzestuöse und nekrophile Gelüste in ihm weckt, ebenso als Erklärung heranziehen wie die auffallend beiläufig erwähnte Begegnung des Jungen mit einem zudringlichen Fremden im Wald. Aber Lukes Verhalten auf eine Missbrauchserfahrung zurückzuführen wäre zu simpel. Deshalb gesteht Burnside seinem Ich-Erzähler eine Vielzahl von Schlüsselerlebnissen zu. Jedes für sich genommen ist ein schlüssiges Indiz in einer Kette, die sich nicht schließen lässt und sich nicht schließen lassen darf. Denn die irritierende Faszination, die von Lukes tiefgestörter Persönlichkeit ausgeht, beruht darauf, dass seiner Rationalität ein irrationaler Kern innewohnt, der sich weder benennen noch herausschälen lässt.

Shelley kettet Frankenstein und seine Kreatur aneinander, indem sie zeigt, dass der Wissenschaftler und sein Geschöpf Opfer und Täter zugleich sind. Burnsides Luke ist bindungslos und bindungsunfähig, ein Solipsist ohne das Bedürfnis nach Nähe, dessen sexuelle Begegnungen gewalttätig und machtorientiert verlaufen. Ein selbsternannter Seelenkundler ohne jede Spur von Einfühlungsvermögens muss über kurz oder lang paranoid werden, und in einer Mischung aus Paranoia und Enttäuschung über sein fehlgeschlagenes Experiment tötet Luke schließlich die Versuchsobjekte, zu denen er seine eigenen Kinder gemacht hatte. Das Monster, das dieser Forscher erschaffen hat, ist er selbst.

"Haus der Stummen" ist keine Lektüre für zarte Gemüter und Eltern kleiner Kinder. Das Experiment des Großmoguls Akbar, das Lukes Mutter ihrem Sohn erzählt, als handelte es sich um ein Märchen, galt der Frage, ob die Gabe der Sprache angeboren oder erlernt sei. Deshalb ließ Akbar etliche Neugeborene aus allen Teilen seines Reiches in ein Haus bringen, das er fernab von allen menschlichen Behausungen errichtet hatte. In diesem Haus der Stummen wuchsen die Kinder auf, ohne jemals die Laute einer menschlichen Stimme zu vernehmen. Luke glaubt, dass die Kinder dort umgeben waren von Phänomenen und Dingen, die sie weder definieren noch benennen konnten, die also so namenlos blieben, wie sie es waren, bevor Adam ihnen Namen gab. Diese Kinder kannten die Welt so, "wie Gott sie kannte".

Von Kleist stammt der Gedanke, dass wir einmal um die Erde reisen müssten, um zu sehen, ob nicht noch ein Hintereingang zum Paradies zu finden sei. John Burnsides Bücher schließen diese Hoffnung aus. Wenn es überhaupt einen Weg zurück zur Paradiesesunschuld gibt, dann führt er bei Burnside mitten durch die Hölle.

HUBERT SPIEGEL

John Burnside: "Haus der Stummen". Roman.

Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. Knaus Verlag, München 2014. 256 S., geb., 19,99 [Euro].

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"In "Haus der Stummen" zeigt sich Burnside bereits ganz auf der Höhe seiner kühlen morbiden Kunst." DeutschlandRadio "Studio 9", Sigrid Löffler