Havanna löst eine Fülle innerer Bilder und Projektionen aus. Jenseits von Klischees richtet die Fotografin Eva-Maria Fahrner-Tutsek ihren Blick auf den Alltag in Havanna. Ihre Fotografien zeigen das Leben in den Straßen, die Stimmung der Menschen. Beim Schauen und Lesen entfaltet sich die kubanische Hauptstadt in all ihren Licht- und Schattenseiten.
Die erneute wirtschaftliche Rezession hat die angestoßenen Veränderungen in Kuba zum Stillstand gebracht. Die damit verbundenen Entbehrungen spiegeln sich im Verhalten und in den Gesichtern der in Havanna lebenden Menschen. Fahrner-Tutseks Fotografien zeigen die Bewohner der Stadt, wie sie ihren Geschäften nachgehen (die oft keine sind), auf der Straße sitzen, vielleicht spielen oder einfach nur warten. In einer poetischen Annäherung beschreibt der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura das Leben im heutigen Havanna. Erweitert wird der Band durch einen kenntnisreichen Essay des renommierten Fotografen und Theoretikers der Fotografie Michael Freeman.
Die erneute wirtschaftliche Rezession hat die angestoßenen Veränderungen in Kuba zum Stillstand gebracht. Die damit verbundenen Entbehrungen spiegeln sich im Verhalten und in den Gesichtern der in Havanna lebenden Menschen. Fahrner-Tutseks Fotografien zeigen die Bewohner der Stadt, wie sie ihren Geschäften nachgehen (die oft keine sind), auf der Straße sitzen, vielleicht spielen oder einfach nur warten. In einer poetischen Annäherung beschreibt der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura das Leben im heutigen Havanna. Erweitert wird der Band durch einen kenntnisreichen Essay des renommierten Fotografen und Theoretikers der Fotografie Michael Freeman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2018Zwei Eier und kein Rum
Für einen marktgängigen Bildband zu Kuba braucht es Palmenstrand und pittoresken Verfall, quietschbunte Buicks, muskulöse Halbgötter und verführerische Chicas, nicht zu vergessen alte Damen mit Cohiba und Krinolineröcken, dazu kregele Hundertjährige, die zwischen zwei Schlucken Rum dem Betrachter eins aufspielen. "Was als Wirklichkeit festgehalten wird", schreibt der Dokumentarfotograf Michael Freeman, "sind erwartbare und erwartete Zeichen, und das Ziel ist es, diese Referenzen so gut wie möglich aufs Bild zu bannen, technisch und dramaturgisch perfekt." Freeman hat dem Bildband "Havana Short Shadows" seiner deutschen Kollegin Eva-Maria Fahrner-Tutsek ein kluges Vorwort-Essay beigegeben, um die Differenz zu markieren zwischen dem "kuratierten Bild" und einer Fotografie, die andere Realitäten erkundet. Dabei leben auch Fahrner-Tutseks großformatige Bilder vom Farbspiel tropischen Lichts, verschatteter Stadtlandschaften und beeindruckender Physiognomien, doch gehen sie - ohne voyeuristisch zu sein - in jene Tiefe, in der sich nicht etwa sozialistische Utopie verbirgt, sondern die Leere einer dysfunktionalen Parteidiktatur. Nicht abweisend, sondern abwesend sind die Blicke der Leute von Habana Centro (wohin sich im Unterschied zum aufgehübschten Teil der Hauptstadt kaum Touristen verirren), resignativ die Körperhaltung selbst bei jenen Halbgöttern. Eine Frau, die mit müder Routine Bettlaken in einem maroden Saal eines ehemaligen Stadt-Palacios aufhängt, ein illusionsloser Techniker vor dem Kabelsalat einer vorsintflutlichen Telefonanlage, dazu die Perlen planwirtschaftlicher Kulinarik: zwei Eier in einem Karton und ein Pappschild mit der Information: "No hay Ron/Rum ist aus." Das Kameraauge observiert jedoch keineswegs mit westlicher Arroganz, sondern voller Sympathie für Havannas Überlebenskünstler. Und lässt sich in einer offensichtlich mit Müh und Not am Leben erhaltenen Ballettschule dann sogar überraschen: Die erwartungsvolle Geste eines kleinen Mädchens reicht aus, um der allgemeinen Tristesse ein Dennoch entgegenzusetzen. Ein Bildband, dessen Schönheit in keiner Lüge wurzelt.
mart
"Havana Short Shadows" von Eva-Maria Fahrner-Tutsek. Hirmer Verlag, München 2018. 164 Seiten, 60 Farbfotografien. Gebunden, 29,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für einen marktgängigen Bildband zu Kuba braucht es Palmenstrand und pittoresken Verfall, quietschbunte Buicks, muskulöse Halbgötter und verführerische Chicas, nicht zu vergessen alte Damen mit Cohiba und Krinolineröcken, dazu kregele Hundertjährige, die zwischen zwei Schlucken Rum dem Betrachter eins aufspielen. "Was als Wirklichkeit festgehalten wird", schreibt der Dokumentarfotograf Michael Freeman, "sind erwartbare und erwartete Zeichen, und das Ziel ist es, diese Referenzen so gut wie möglich aufs Bild zu bannen, technisch und dramaturgisch perfekt." Freeman hat dem Bildband "Havana Short Shadows" seiner deutschen Kollegin Eva-Maria Fahrner-Tutsek ein kluges Vorwort-Essay beigegeben, um die Differenz zu markieren zwischen dem "kuratierten Bild" und einer Fotografie, die andere Realitäten erkundet. Dabei leben auch Fahrner-Tutseks großformatige Bilder vom Farbspiel tropischen Lichts, verschatteter Stadtlandschaften und beeindruckender Physiognomien, doch gehen sie - ohne voyeuristisch zu sein - in jene Tiefe, in der sich nicht etwa sozialistische Utopie verbirgt, sondern die Leere einer dysfunktionalen Parteidiktatur. Nicht abweisend, sondern abwesend sind die Blicke der Leute von Habana Centro (wohin sich im Unterschied zum aufgehübschten Teil der Hauptstadt kaum Touristen verirren), resignativ die Körperhaltung selbst bei jenen Halbgöttern. Eine Frau, die mit müder Routine Bettlaken in einem maroden Saal eines ehemaligen Stadt-Palacios aufhängt, ein illusionsloser Techniker vor dem Kabelsalat einer vorsintflutlichen Telefonanlage, dazu die Perlen planwirtschaftlicher Kulinarik: zwei Eier in einem Karton und ein Pappschild mit der Information: "No hay Ron/Rum ist aus." Das Kameraauge observiert jedoch keineswegs mit westlicher Arroganz, sondern voller Sympathie für Havannas Überlebenskünstler. Und lässt sich in einer offensichtlich mit Müh und Not am Leben erhaltenen Ballettschule dann sogar überraschen: Die erwartungsvolle Geste eines kleinen Mädchens reicht aus, um der allgemeinen Tristesse ein Dennoch entgegenzusetzen. Ein Bildband, dessen Schönheit in keiner Lüge wurzelt.
mart
"Havana Short Shadows" von Eva-Maria Fahrner-Tutsek. Hirmer Verlag, München 2018. 164 Seiten, 60 Farbfotografien. Gebunden, 29,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Gleißendes Licht, harte Schatten, Straßen voller Leben, Stille: In dem Band zeigt die Fotografin Eva-Maria Fahrner-Tutsek, wie vielschichtig die kubanische Hauptstadt ist.«
Zeit Magazin
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