»Die Straßen in Havanna«, schrieb der kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier, »bieten ein fortwährendes Schauspiel: Theater, Karikatur, Drama, Komödie oder was auch immer.« So verwundert es nicht, daß gerade Künstler und Intellektuelle sich von der pulsierenden Atmosphäre der Hafenstadt inspirieren ließen. In den prächtigen Hotels der Altstadt logierten Jean-Paul Sartre, Ry Cooder und Albert Einstein. Ernest Hemingway erkor Havanna sogar zu seinem ständigen Wohnsitz. Den Soundtrack zu dem Treiben auf den Straßen liefern bis heute Rumba und Son Cubano die mit dem Buena Vista Social Club unvergeßlich wurden.
Auf den Spuren bedeutender Autoren entdeckt der Leser die verborgenen, magischen Orte der »Perle der Karibik«.
Auf den Spuren bedeutender Autoren entdeckt der Leser die verborgenen, magischen Orte der »Perle der Karibik«.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2011Rauchende Führer, fauchende Karossen
"Havanna, Havana, La Habana - ob nun auf Deutsch, Englisch oder Spanisch ausgesprochen, der Name ist klangvoll." Und die Klischees, möchte man hinzufügen, lauern an jeder Ecke: vom zigarrenrauchenden Che Guevara über den unermüdlichen Fidel Castro und die agilen Alten vom Buena Vista Social Club bis hin zu Papa Hemingway und Graham Greenes "Mann in Havanna". Was aber, wenn diese Stereotype der Wahrheit entsprächen oder Teil jener Realität wären, für die man in Havanna selbst die Bezeichnung "magisch" gefunden hat? Es ist das Verdienst dieses "Reisebegleiters", dass er weder auf den gängigen Wegen verbleibt noch diese hochfahrend ignoriert. Hinzu kommt, dass der Journalist und Hispanist Roman Rhode, der in neun Spaziergängen durch Kubas Hauptstadt führt, derart angenehm und prägnant zugleich schreibt, dass nie der Verdacht aufkommt, es wolle jemand in präziösen Sentenzen stilistisch die großen Chronisten der Havannas womöglich noch übertrumpfen. Stattdessen passieren sie alle Revue: der klassische Alejo Carpentier, der begnadete stalinistische Poet Nicolás Guillén, der semi-angepasste Miguel Barnet, der Krimiautor Leonardo Padura, die bedeutenden Exilanten José Lezama Lima, Cabrera Infante und Reinaldo Arenas, nicht zu vergessen der heute in Madrid lebende Antonio José Ponte, auf dessen Essay "Der Ruinenwächter von Havanna" sich Rhode bei seinen Streifzügen durch die ebenso pittoresk wie letztlich deprimierend verfallene Stadt immer wieder bezieht. Im Anhang fehlen dann weder die bibliographischen Angaben der "erlaufenen" Bücher noch die Adressen von Museen und Bars, in denen man sich mit ein paar Dollar von seinem gängigen Kuba-Bild verabschieden kann. Dann nimmt man vielleicht gerade dort Platz, wo 1972 Salvador Allendes Botschafter, der chilenische Romancier Jorge Edwards, zum Missfallen des Castro-Regimes kubanische Oppositionsschriftsteller getroffen hatte - und daraufhin zur "Persona non grata" erklärt wurde. Oder man schlängelt sich zwischen einem uralten Dodge oder einem verrosteten Cadillac dort hin, wo zu Zeiten der Batista-Herrschaft der Mafioso Meyer Lansky Hof hielt und Jahrzehnte später Hans Christoph Buch eine wilde Travestie spielen lässt. Kurz: ein Reisebegleiter, wie man sich ihn wünscht, atmosphärisch dicht, an keiner Stelle geschwätzig, schön illustriert - auch ohne Kuba-Reise ein Gewinn.
mart
"Havanna. Ein Reisebegleiter" von Roman Rhode. Insel Taschenbuch, Frankfurt 2010. 210 Seiten, einige Abbildungen, Karten. Broschiert, zehn Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Havanna, Havana, La Habana - ob nun auf Deutsch, Englisch oder Spanisch ausgesprochen, der Name ist klangvoll." Und die Klischees, möchte man hinzufügen, lauern an jeder Ecke: vom zigarrenrauchenden Che Guevara über den unermüdlichen Fidel Castro und die agilen Alten vom Buena Vista Social Club bis hin zu Papa Hemingway und Graham Greenes "Mann in Havanna". Was aber, wenn diese Stereotype der Wahrheit entsprächen oder Teil jener Realität wären, für die man in Havanna selbst die Bezeichnung "magisch" gefunden hat? Es ist das Verdienst dieses "Reisebegleiters", dass er weder auf den gängigen Wegen verbleibt noch diese hochfahrend ignoriert. Hinzu kommt, dass der Journalist und Hispanist Roman Rhode, der in neun Spaziergängen durch Kubas Hauptstadt führt, derart angenehm und prägnant zugleich schreibt, dass nie der Verdacht aufkommt, es wolle jemand in präziösen Sentenzen stilistisch die großen Chronisten der Havannas womöglich noch übertrumpfen. Stattdessen passieren sie alle Revue: der klassische Alejo Carpentier, der begnadete stalinistische Poet Nicolás Guillén, der semi-angepasste Miguel Barnet, der Krimiautor Leonardo Padura, die bedeutenden Exilanten José Lezama Lima, Cabrera Infante und Reinaldo Arenas, nicht zu vergessen der heute in Madrid lebende Antonio José Ponte, auf dessen Essay "Der Ruinenwächter von Havanna" sich Rhode bei seinen Streifzügen durch die ebenso pittoresk wie letztlich deprimierend verfallene Stadt immer wieder bezieht. Im Anhang fehlen dann weder die bibliographischen Angaben der "erlaufenen" Bücher noch die Adressen von Museen und Bars, in denen man sich mit ein paar Dollar von seinem gängigen Kuba-Bild verabschieden kann. Dann nimmt man vielleicht gerade dort Platz, wo 1972 Salvador Allendes Botschafter, der chilenische Romancier Jorge Edwards, zum Missfallen des Castro-Regimes kubanische Oppositionsschriftsteller getroffen hatte - und daraufhin zur "Persona non grata" erklärt wurde. Oder man schlängelt sich zwischen einem uralten Dodge oder einem verrosteten Cadillac dort hin, wo zu Zeiten der Batista-Herrschaft der Mafioso Meyer Lansky Hof hielt und Jahrzehnte später Hans Christoph Buch eine wilde Travestie spielen lässt. Kurz: ein Reisebegleiter, wie man sich ihn wünscht, atmosphärisch dicht, an keiner Stelle geschwätzig, schön illustriert - auch ohne Kuba-Reise ein Gewinn.
mart
"Havanna. Ein Reisebegleiter" von Roman Rhode. Insel Taschenbuch, Frankfurt 2010. 210 Seiten, einige Abbildungen, Karten. Broschiert, zehn Euro.
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