Jo Nesbø schreibt Krimis zum Nägelkauen. Mit „Headhunter“ kreiert der Norweger einen neuen Charakter, der Harry Hole in den Schatten stellen könnte.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen skandinavischen Krimis und der übrigen Welt der Thriller besteht in der Relativität der Moral. Amerika
beispielsweise bevorzugt das Happy End, deutsche Autoren geben sich gerne ironisch, analytisch oder auch ein…mehrJo Nesbø schreibt Krimis zum Nägelkauen. Mit „Headhunter“ kreiert der Norweger einen neuen Charakter, der Harry Hole in den Schatten stellen könnte.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen skandinavischen Krimis und der übrigen Welt der Thriller besteht in der Relativität der Moral. Amerika beispielsweise bevorzugt das Happy End, deutsche Autoren geben sich gerne ironisch, analytisch oder auch ein wenig moralisierend. Die Kollegen aus dem hohen Norden hingegen kosten die Dimensionen des menschlichen Gefühls derartig nachhaltig aus, dass man als Leser zuweilen das Frösteln bekommt. Jo Nesbø macht da keine Ausnahme. Roger Brown, der Protagonist mit dem unauffälligen Namen, entwickelt über die Buchlänge hinweg eine Bosheit von dämonischer Normalität, die ihn zum Dieb, berechnenden Mörder und Strategen der Gefühle werden lässt, ohne dass er moralisch zu greifen ist. Alles geschieht um der persönlichen Leidenschaft willen, mit der er sich als Headhunter ständig herausfordert, in seinem Job wie auch darüber hinaus.
Denn Roger Brown rekrutiert nicht nur Führungskräfte für große Unternehmen, sondern spioniert sie aus. Er nützt seine besondere Stellung als Mittler zwischen den Karrieren aus, sammelt Informationen über Kunstwerke, die im Besitz seiner Kunden sind und schafft es in der Regel, diese Stücke zu rauben und zu verdealen. Als er auf einen holländischen Manager namens Greve trifft, wittert er ein besonderes Schmuckstück, ein seltenes Rubens-Gemälde, das in dessen Besitz sein soll. Es gelingt ihm, das Bild zu stehlen, stößt aber in Greve auf einen erfahrenen, militärisch geübten Widersacher, der die Jagd auf Brown eröffnet. Mit akribischer Raffinesse entwickelt Jo Nesbø das Zusammentreffen der beiden Alpha-Männchen, erzählt aus der Perspektive des Headhunters, der sich angesichts des Kontrahenten in vielen Momenten plötzlich nicht mehr so sicher sein kann wie bisher. Es kommt zum Showdown, der wiederum die Geschichte in Browns Sinne wendet. Der Autor verwendet einen langen Abspann darauf, die Polizei zu schildern, die dem Täuschungsmanöver offenbar aufgesessen ist, und das Netz der Betrügereien aufzuschlüsseln, mit dem dem Headhunter der Coup gelungen ist.