Irische Sagen und Legenden, Räubergeschichten und Räuberpistolen, Eklogen und Elegien, Epigramme und Scherzgedichte, Meditationen und liebevolle Nachrufe auf die Weggefährten Joseph Brodsky, Zbigniew Herbert und Ted Hughes - der neue Band von Seamus Heaney zeigt alle sprachlichen und metrischen Möglichkeiten, für die der irische Dichter und Nobelpreisträger bekannt ist und verehrt wird. Und immer wieder Erinnerungen an die Kindheit, als plötzlich das elektrische Licht die dunklen Ecken der bäuerlichen Welt ausleuchtete, an die Schule, die Reisen, das Vertrautwerden mit der dichterischen Tradition. Die poetische Summe eines Dichters, dessen Werk wie kein anderes die Notwendigkeit und den Reichtum der Poesie in einer unpoetischen Welt bezeugt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002Betäubendes Herzweh
Strom der Zeit: Seamus Heaneys lichte Lyrik / Von Tobias Döring
Der Titel täuscht. Zwar mag "Elektrisches Licht" - nach "Die Hagebuttenlaterne" oder "Die Wasserwaage", wie sein zuerst und sein zuletzt auf deutsch erschienener Gedichtband hießen - als Hinweis auf urbane und künstlich angestrahlte Lebenswelten gelten. Doch bei der Lektüre zeigt sich bald, daß Seamus Heaney auch in dieser neuen Sammlung, seiner elften, der oft bezeugten Vorliebe für ländliche Lokalitäten, abseits des Stroms von technischer Modernisierung, treu geblieben ist. Ein "Stall-Kind" sei er, lesen wir, ein Dichter, der "die Merkmale des Bodens" mit Worten abschreitet, "die einem das Gefühl geben, / Im Wort ,trittsicher' Tritt zu fassen, / Und auch im Grund des eigenen Verstehens". Diesen Grund findet Heaney seit jeher in seiner nordirischen Kindheitslandschaft Derry, deren Schichten er mit seinen Verszeilen durchpflügt und erinnernd oder forschend umgräbt. Das Bedeutende seiner Lyrik aber liegt darin, wie sie das so Geborgene wandelt und die handgreifliche Substanz der Sprache in weltumspannende Denkbilder weitet. Denn Heaneys Bodenständigkeit ist stets beharrlich, nie behaglich und geht in seinen besten Texten mit so gelassener Weltläufigkeit einher, daß die feste Erdung jeden Versfuß erst zu weitreichender Beziehungsfülle führt.
So hat das "elektrische Licht" des Titelgedichts, das in der Erinnerung an ein großmütterliches Bauernhaus aufscheint, nichts grell Erhellendes, sondern eher etwas Magisches, wenn es - ganz wie das alte Radio mit seinen leuchtenden Skalen und wundersamen Lauten - eine randständige Lebenswelt auf geisterhafte, zugleich sinnlich erfahrbare Weise mit anderen, fernen Welten in Verbindung bringt. 1995 eröffnete Heaney seine Nobelpreisrede im Nachsinnen über diese Kindheitsszene, als ihm zum ersten Mal der Name Stockholm in den Ohren klang. Jetzt, da er den neuen Gedichtband damit schließt, ist sein Gestus eher bestaunend als beschwörend und hält meisterlich Balance zwischen der beglückenden Vergegenwärtigung von Herkunftsmomenten und ihrer unweigerlichen Distanzierung im Gedächtnisakt unserer "verlaufenden" Gegenwart. "Der Raum, aus dem wir kamen, ich und die andren, / Bleibt reine Wirklichkeit, in der ich für mich steh, / Den Strom der Zeit ausstehend."
Die Zeilen entstammen einem der eigenwilligsten und einprägsamsten Texte der Sammlung: "Aus der Tasche" beginnt mit der minutiösen Erinnerung an die unheimliche Doktortasche, die im Elternhaus auftaucht, bevor ein neues Familienmitglied zum Vorschein kommt; diese kindliche Verständigung über den rätselhaften Geburtsvorgang überlagert sich mit irritierenden Momentaufnahmen eines viel späteren Geschehens beim Besuch im griechischen Epidauros, wo die flirrende Mittagshitze derartige Erscheinungen gebiert. So verschränkt Heaney das Erinnerte mit den Bedingungen, die es hervortreiben, und befragt seine poetischen Gesichter und Geschichten hartnäckig auf ihre verborgene Herkunft.
All dies geschieht in souveräner Nutzung und Anverwandlung klassischer dichterischer Formen, wie es schon Titel dieser neuen Sammlung - "Ekloge aus Glanmore", "Sonette aus Hellas", "Die kleinen Lobgesänge von Asturien" - vielfach anzeigen. Der Tonfall ist oft spielerisch, manchmal anekdotisch - bespielsweise im skizzenhaften Porträt von Hans Magnus Enzensberger "in Panama und Roh- / Leinenanzug, wie aus dem Ei gepellt. Ihm läßt / Man's durchgehen" - und doch durchgehend von leiser Melancholie grundiert. Dabei fällt auf, daß diesmal dem Theater und seiner Umformung von Identitäten besondere Bedeutung zugemessen wird. Ein Schlüsselgedicht heißt "Die richtigen Namen" und ist Brian Friel gewidmet, dem irischen Dramatiker, mit dem Heaney in den achtziger Jahren die Theatergruppe "Field Day" führte und zu einer der wichtigsten Plattformen zur Auseinandersetzung um postkoloniale Kultur- und Erinnerungsarbeit machte. Das Gedicht schildert zwar frühere Bühnenszenen, zumeist Bruchstücke von Shakespeare-Dramen, jedoch geht es mit der dramatischen Erkundung solcher "Englandromantik" demselben zentralen Problem nach, der Frage, wie ein irischer Autor sich verhält zum Erbe des englischen Literaturkanons, das ihm mit der Sprache aufgegeben ist. Die "Wechselbälger" auf der Bühne mögen da für den Versuch einstehen, den unvergessenen Figuren alter Dichtung probehalber neue Statur zu verleihen, ohne die Differenz zum eigenen "Namen", der auch anderen Traditionen zugehört, aus dem Gedächtnis zu verlieren.
Vor drei Jahren ist Heaney ebendies mit seiner Neudichtung des angelsächsischen Heldenliedes "Beowulf" großartig gelungen. Spuren davon durchziehen auch die aktuelle Sammlung, zumal ihren zweiten Teil, der eine Reihe von poetischen Nachrufen und Elegien auf den Tod großer Dichterfreunde wie Ted Hughes oder Joseph Brodsky enthält. In der weiten Echokammer geisterhafter Dichterstimmen, die sich hier begegnen und durchkreuzen, klingt sogar das alte nordische Kriegsepos weniger nach Schlachtenlärm und Racheschwüren als nach dem gewaltigen Trauer- und Klagegesang, der es immer auch ist. "Schon im Beowulf", heißt es hier im Gedenken an den verstorbenen englischen Poet Laureate Hughes, "Ist das Betäubende des Wehs, das Herzhärmende / Versteckten Leids das Beste am Gedicht".
Für viele deutsche Leser ist sicher das Beste am vorliegenden zweisprachigen Gedichtband, dem Erfindungsreichtum und subtilen Deutungsvermögen nachzuspüren, mit dem Giovanni und Ditte Bandini diesen Texten eine deutsche Gestalt verliehen haben. Auch wenn sie mitunter einen etwas hohen Ton anschlagen, der Heaneys unangestrengte Sprachkraft zuweilen übersteigt (der Konjunktiv "vermöchte" beispielsweise gehört, obwohl grammatisch korrekt, in ein höheres Register), muß das bewährte Übersetzerpaar als Glücksfall für Lyrikübertragungen gelten, die so schöpferisch wie kenntnisreich und mutig mit dem Original zu Werke gehen. Und wenn sie an einer Stelle den Ausdruck "translator" mit "Kenner" wiedergeben, darf man dies getrost als Selbstbeschreibung nehmen. Ihre Kennerschaft bezeugen nicht zuletzt die zahlreichen Anmerkungen, die sie den Gedichten beigeben - wenngleich sie hier, wo diese über Worterklärungen hinausgehen, des Guten auch zu viel tun: wenn Anklänge an Bibelstellen oder andere Anspielungen sorgsam protokolliert und mit Versangabe nachgewiesen werden, dämpft das womöglich die Entdeckerlust von Lesern, die den vielstimmigen Verbindungen der Gedichte eigensinnig folgen wollen.
Denn in ihren tastenden, oft mehrfach wiederholten Annäherungen an einen konkreten Gegenstand zeigen Heaneys Texte sich schon selbst als Übersetzung und als ein Versuch, das sinnlich Wahrgenommene der Welt in Worte einzufangen: "Sie standen. Sie standen für etwas . . . / Abwartend. Nicht verfügbar. Aber da / Gewiß. Unbeugsam, selbstgewiß." Was hier beschrieben oder, im magischen Wortsinn, besprochen wird, sind Lupinen, wie der Titel sagt. Doch bei aller Präzision, mit der die folgenden Verse sie entwerfen, vermittelt das Gedicht zugleich die stete Gewißheit, daß jene Blumen auch etwas ganz anderes darstellen, das der Sprache unzugänglich bleibt. Daraus ergibt sich der elegische Grundton dieser Sammlung, aber wohl auch ihre Zuversicht in unbeugsame Wirklichkeiten jenseits gängiger Begriffe. Das Titelgedicht jedenfalls schließt mit der Vorstellung daran, wie die Großmutter im "Derry-Grund" begraben ruht. Im Andenken an sie und die vielen anderen Toten, die in diesem wunderbaren Band bedacht werden, wird letztlich Heaneys "Elektrisches Licht" zu einer Erscheinungsform von "lux perpetua", da es unseren begrenzten Grund und Boden gewiß mit einer weiteren, wenn auch unverfügbaren, Welt verbindet.
Seamus Heaney: "Elektrisches Licht / Electric Light". Gedichte / Poems. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Englischen übersetzt von Ditte und Giovanni Bandini. Hanser Verlag, München 2002. 173 S., geb., 17,90 [Euro].
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Strom der Zeit: Seamus Heaneys lichte Lyrik / Von Tobias Döring
Der Titel täuscht. Zwar mag "Elektrisches Licht" - nach "Die Hagebuttenlaterne" oder "Die Wasserwaage", wie sein zuerst und sein zuletzt auf deutsch erschienener Gedichtband hießen - als Hinweis auf urbane und künstlich angestrahlte Lebenswelten gelten. Doch bei der Lektüre zeigt sich bald, daß Seamus Heaney auch in dieser neuen Sammlung, seiner elften, der oft bezeugten Vorliebe für ländliche Lokalitäten, abseits des Stroms von technischer Modernisierung, treu geblieben ist. Ein "Stall-Kind" sei er, lesen wir, ein Dichter, der "die Merkmale des Bodens" mit Worten abschreitet, "die einem das Gefühl geben, / Im Wort ,trittsicher' Tritt zu fassen, / Und auch im Grund des eigenen Verstehens". Diesen Grund findet Heaney seit jeher in seiner nordirischen Kindheitslandschaft Derry, deren Schichten er mit seinen Verszeilen durchpflügt und erinnernd oder forschend umgräbt. Das Bedeutende seiner Lyrik aber liegt darin, wie sie das so Geborgene wandelt und die handgreifliche Substanz der Sprache in weltumspannende Denkbilder weitet. Denn Heaneys Bodenständigkeit ist stets beharrlich, nie behaglich und geht in seinen besten Texten mit so gelassener Weltläufigkeit einher, daß die feste Erdung jeden Versfuß erst zu weitreichender Beziehungsfülle führt.
So hat das "elektrische Licht" des Titelgedichts, das in der Erinnerung an ein großmütterliches Bauernhaus aufscheint, nichts grell Erhellendes, sondern eher etwas Magisches, wenn es - ganz wie das alte Radio mit seinen leuchtenden Skalen und wundersamen Lauten - eine randständige Lebenswelt auf geisterhafte, zugleich sinnlich erfahrbare Weise mit anderen, fernen Welten in Verbindung bringt. 1995 eröffnete Heaney seine Nobelpreisrede im Nachsinnen über diese Kindheitsszene, als ihm zum ersten Mal der Name Stockholm in den Ohren klang. Jetzt, da er den neuen Gedichtband damit schließt, ist sein Gestus eher bestaunend als beschwörend und hält meisterlich Balance zwischen der beglückenden Vergegenwärtigung von Herkunftsmomenten und ihrer unweigerlichen Distanzierung im Gedächtnisakt unserer "verlaufenden" Gegenwart. "Der Raum, aus dem wir kamen, ich und die andren, / Bleibt reine Wirklichkeit, in der ich für mich steh, / Den Strom der Zeit ausstehend."
Die Zeilen entstammen einem der eigenwilligsten und einprägsamsten Texte der Sammlung: "Aus der Tasche" beginnt mit der minutiösen Erinnerung an die unheimliche Doktortasche, die im Elternhaus auftaucht, bevor ein neues Familienmitglied zum Vorschein kommt; diese kindliche Verständigung über den rätselhaften Geburtsvorgang überlagert sich mit irritierenden Momentaufnahmen eines viel späteren Geschehens beim Besuch im griechischen Epidauros, wo die flirrende Mittagshitze derartige Erscheinungen gebiert. So verschränkt Heaney das Erinnerte mit den Bedingungen, die es hervortreiben, und befragt seine poetischen Gesichter und Geschichten hartnäckig auf ihre verborgene Herkunft.
All dies geschieht in souveräner Nutzung und Anverwandlung klassischer dichterischer Formen, wie es schon Titel dieser neuen Sammlung - "Ekloge aus Glanmore", "Sonette aus Hellas", "Die kleinen Lobgesänge von Asturien" - vielfach anzeigen. Der Tonfall ist oft spielerisch, manchmal anekdotisch - bespielsweise im skizzenhaften Porträt von Hans Magnus Enzensberger "in Panama und Roh- / Leinenanzug, wie aus dem Ei gepellt. Ihm läßt / Man's durchgehen" - und doch durchgehend von leiser Melancholie grundiert. Dabei fällt auf, daß diesmal dem Theater und seiner Umformung von Identitäten besondere Bedeutung zugemessen wird. Ein Schlüsselgedicht heißt "Die richtigen Namen" und ist Brian Friel gewidmet, dem irischen Dramatiker, mit dem Heaney in den achtziger Jahren die Theatergruppe "Field Day" führte und zu einer der wichtigsten Plattformen zur Auseinandersetzung um postkoloniale Kultur- und Erinnerungsarbeit machte. Das Gedicht schildert zwar frühere Bühnenszenen, zumeist Bruchstücke von Shakespeare-Dramen, jedoch geht es mit der dramatischen Erkundung solcher "Englandromantik" demselben zentralen Problem nach, der Frage, wie ein irischer Autor sich verhält zum Erbe des englischen Literaturkanons, das ihm mit der Sprache aufgegeben ist. Die "Wechselbälger" auf der Bühne mögen da für den Versuch einstehen, den unvergessenen Figuren alter Dichtung probehalber neue Statur zu verleihen, ohne die Differenz zum eigenen "Namen", der auch anderen Traditionen zugehört, aus dem Gedächtnis zu verlieren.
Vor drei Jahren ist Heaney ebendies mit seiner Neudichtung des angelsächsischen Heldenliedes "Beowulf" großartig gelungen. Spuren davon durchziehen auch die aktuelle Sammlung, zumal ihren zweiten Teil, der eine Reihe von poetischen Nachrufen und Elegien auf den Tod großer Dichterfreunde wie Ted Hughes oder Joseph Brodsky enthält. In der weiten Echokammer geisterhafter Dichterstimmen, die sich hier begegnen und durchkreuzen, klingt sogar das alte nordische Kriegsepos weniger nach Schlachtenlärm und Racheschwüren als nach dem gewaltigen Trauer- und Klagegesang, der es immer auch ist. "Schon im Beowulf", heißt es hier im Gedenken an den verstorbenen englischen Poet Laureate Hughes, "Ist das Betäubende des Wehs, das Herzhärmende / Versteckten Leids das Beste am Gedicht".
Für viele deutsche Leser ist sicher das Beste am vorliegenden zweisprachigen Gedichtband, dem Erfindungsreichtum und subtilen Deutungsvermögen nachzuspüren, mit dem Giovanni und Ditte Bandini diesen Texten eine deutsche Gestalt verliehen haben. Auch wenn sie mitunter einen etwas hohen Ton anschlagen, der Heaneys unangestrengte Sprachkraft zuweilen übersteigt (der Konjunktiv "vermöchte" beispielsweise gehört, obwohl grammatisch korrekt, in ein höheres Register), muß das bewährte Übersetzerpaar als Glücksfall für Lyrikübertragungen gelten, die so schöpferisch wie kenntnisreich und mutig mit dem Original zu Werke gehen. Und wenn sie an einer Stelle den Ausdruck "translator" mit "Kenner" wiedergeben, darf man dies getrost als Selbstbeschreibung nehmen. Ihre Kennerschaft bezeugen nicht zuletzt die zahlreichen Anmerkungen, die sie den Gedichten beigeben - wenngleich sie hier, wo diese über Worterklärungen hinausgehen, des Guten auch zu viel tun: wenn Anklänge an Bibelstellen oder andere Anspielungen sorgsam protokolliert und mit Versangabe nachgewiesen werden, dämpft das womöglich die Entdeckerlust von Lesern, die den vielstimmigen Verbindungen der Gedichte eigensinnig folgen wollen.
Denn in ihren tastenden, oft mehrfach wiederholten Annäherungen an einen konkreten Gegenstand zeigen Heaneys Texte sich schon selbst als Übersetzung und als ein Versuch, das sinnlich Wahrgenommene der Welt in Worte einzufangen: "Sie standen. Sie standen für etwas . . . / Abwartend. Nicht verfügbar. Aber da / Gewiß. Unbeugsam, selbstgewiß." Was hier beschrieben oder, im magischen Wortsinn, besprochen wird, sind Lupinen, wie der Titel sagt. Doch bei aller Präzision, mit der die folgenden Verse sie entwerfen, vermittelt das Gedicht zugleich die stete Gewißheit, daß jene Blumen auch etwas ganz anderes darstellen, das der Sprache unzugänglich bleibt. Daraus ergibt sich der elegische Grundton dieser Sammlung, aber wohl auch ihre Zuversicht in unbeugsame Wirklichkeiten jenseits gängiger Begriffe. Das Titelgedicht jedenfalls schließt mit der Vorstellung daran, wie die Großmutter im "Derry-Grund" begraben ruht. Im Andenken an sie und die vielen anderen Toten, die in diesem wunderbaren Band bedacht werden, wird letztlich Heaneys "Elektrisches Licht" zu einer Erscheinungsform von "lux perpetua", da es unseren begrenzten Grund und Boden gewiß mit einer weiteren, wenn auch unverfügbaren, Welt verbindet.
Seamus Heaney: "Elektrisches Licht / Electric Light". Gedichte / Poems. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Englischen übersetzt von Ditte und Giovanni Bandini. Hanser Verlag, München 2002. 173 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Souverän findet Rezensent Florian Döring im neuen Gedichtband des Nobelpreisträgers "Nutzung und Anverwandlung klassischer dichterischer Formen". In den Gedichten findet er außerdem poetische Gesichter und Geschichten "hartnäckig auf ihre verborgene Herkunft" befragt. Auch in dieser Sammlung bleibe Heaney seiner "oft bezeugten Vorliebe für ländliche Lokalitäten, abseits des Strom von technischer Modernisierung" treu, obwohl der Titel anderes assoziiere. Hier klingt, respektverhangen, auch eine Spur Enttäuschung mit an. Für viele deutsche Leser sei am vorliegenden zweisprachigen Gedichtband sicher das Beste, befindet schließlich der Rezensent, dem "Erfindungsreichtum und subtilen Deutungsvermögen" der deutschen Übersetzung nachzuspüren. Auch wenn Ditte und Giovanni Bandini mitunter einen "etwas hohen Ton" anschlagen, gehen sie doch "ebenso schöpferisch wie mutig" mit dem Original zu Werke, schreibt Döring. Ihre Kennerschaft konnten sie dem Rezensenten auch in den zahlreichen Anmerkungen bezeugen, die sie den Gedichten "beigegeben" haben. Gelegentlich allerdings findet Döring die Bedeutungsquellen mancher Gedichte etwas zu ausführlich protokolliert und wäre ihren vielstimmigen Verbindungen gern etwas eigensinniger gefolgt.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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"Heaneys Fähigkeit, die uns vermeintlich so vertraute Welt unvertraut erscheinen zu lassen und sie durch die Sprache und Imagination zu bannen und zu formen. ... Mischung aus sinnlichen, ja fast mit Händen zu greifenden Eindrücken wie dem wunderbaren "Melkerdunkel" und gedanklicher Reflexion. ... wie selbstverständlich er das globale poetische Erbe für den irischen Kontext fruchtbar zu machen versteht ... stellt es eine Bereicherung dar, neben Heaneys langjährigen Übersetzern auch das Original lesen zu können. Diese Wahl steigert das Vergnügen ..."
Jan Wagner, Der Tagesspiegel, 01.12.02
Jan Wagner, Der Tagesspiegel, 01.12.02