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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Schwer trägt am Wasser der Gewinner
Martin Amis erzählt erfolgreich Von Walter Klier

Mr. Amis beherrscht sein Handwerk. Was beherrscht er noch? Das fragt man sich bei der Lektüre seines neuen Erzählungsbandes. Ich würde sagen: Er beherrscht das Feuilleton. Martin Amis, Sohn des mittlerweile verstorbenen erfolgreichen Romanciers Kingsley Amis, startete als Wunderkind in den Literaturbetrieb hinein - und sein erster, vor vielen Jahren erschienener Roman, "The Rachel Papers", war grandios; und er hat sich zum bestbezahlten "ernsten" Romancier Englands entwickelt. Seine Vorschüsse bereiten dem englischen Geistesleben Wechselbäder aus Neid und Begeisterung. Er hat es geschafft.

Ein Grund dafür liegt in der Art, wie Martin Amis das Feuilleton beherrscht. Er weiß genau, was man wie schreiben muss, um am "cutting edge" zu sein oder "absolument moderne", wie es im neunzehnten Jahrhundert als Muss für den Künstler formuliert wurde. "Aber du weißt ja, wie's ist in New York. Man hat gerade nichts vor und denkt sich: Ach, ich bleib zu Haus und lese ein Buch. Und ehe man sich's versieht . . ., ist eine Vernissage." So geht es im Greenwich Village zu, und selbstredend kann Martin Amis aus erster Hand davon erzählen, wie es ist, als hoch bezahlter englischer Künstler mit einem Fuß in England, mit einem in Amerika dabei zu sein, wenn die Welt betrogen sein will. Der Held dieser Geschichte ist ein adeliger englischer Porträtmaler, der hier in der Neuen Welt eine ungeheure Menge Geld damit macht, die Gattinnen von Wirtschaftskapitänen abzukonterfeien. Nebenbei schläft er mit ihnen, die wahre Erfüllung aber findet er mit einer Schwarzen, die nie ein Wort spricht. Schließlich erfährt er, dass sie sich ihres Slangs schämt. Einzelne Passagen aus diesem Band könnten als Lehrbeispiele in einem Kurs darüber dienen, wie man sich auf eine korrekte Weise politisch unkorrekt ausdrückt.

Die Grundthesen und -motive der Geschichten sind schlicht. Ein Mann findet seine sexuelle Befreiung, als er nach vielen monogamen Ehejahren seine Frau zum ersten Mal betrügt: mit sich selber. Die Unterschicht kübelt sich voll, die Oberschicht schnupft Kokain. Kreuzfahrten im Mittelmeer sind zutiefst deprimierend. Das große Geschäft mit der Literatur (Hollywood-Drehbücher, die zweiunddreißigmal umgeschrieben werden müssen) ist auf seine Weise nicht verrückter als das kleine (eine schmuddelige englische Lyrikzeitschrift und ein Lyriker, der vergeblich dort etwas unterzubringen versucht) - die Satire soll in diesem Fall ("So macht man das") aus der Vertauschung der Genres ihren Witz ziehen, so dass es nun die Sonette sind, die ad nauseam umgeschrieben werden müssen.

Amerika hat eine Kultur, die zur Satire geradezu auffordert, aber auch eine Literatur, die zur Stimmennachahmung fast verpflichtet, der sich Amis (wie auch in seinen letzten Romanen) mit Hingebung widmet, wobei er die wahre amerikanische Trockenheit des Tonfalls nie erreicht, von der er wohl träumt. Sein Tonfall bleibt immer der des Engländers, der aus den erwähnten zeitgeistigen Kunsterfordernissen heraus sich gezwungen sieht, die Sau rauszulassen und seine Verachtung der Konventionen unablässig unter Beweis zu stellen. Es ist genau die Verachtung der Konventionen, die er mit seiner Leser- und Rezensentenschaft teilt. Was dabei herauskommt, ist am Ende nichts als Feuilleton, in lokale Umgangssprachen übersetzt. Leben hat es keines.

Martin Amis: "Schweres Wasser und andere Erzählungen". Aus dem Englischen übersetzt von Joachim Kalka. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000. 282 S., geb., 38,- DM.

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