24 scholars - Jewish, Protestant, Roman Catholic - from North America, Israel, and various European countries, contribute to this rich volume on medieval interpretation and exegesis of the Hebrew Bible/Old Testament (5th through 12th centuries). Geographically, they cover most of the world as it was known in these times: from Syria to Spain, from Rome to the Rhine and the Seine. The volume also contains supplements to the previous volume, on Ben Sira and the Wisdom of Solomon. The indexes (names, topics, references to biblical sources and a broad body of literature beyond) are the key to the wealth of information provided. Undoubtedly, this volume will meet the high expectations set by the reviewers of the first volume (I/1) of the series: "Definitive reference work" (Religious Studies Review) "Mine d'information d'une grande richesse" (Revue d'histoire et de philosophie religieuses) "Monumental ouvrage" (Revue d'histoire ecclésiastique) "A veritable treasury" (Catholic Biblical Quarterly) "The foremost account of Jewish and Christian biblical interpretation" (Expository Times) "Onmisbaar handboek voor jeder een die zich serieus met bijbelstudie bezighoudt" (Stem van het boek) "Respekt gebietende Summe wissenschaftsgeschichtlicher Forschung" (Zeitschrift für Altes Testament) Selected chapters 23. The Problem of Periodization of Middle Ages 25. Jewish Bible Interpretation in Early Post-Talmudic Times 26. Gregory the Great 28. Seventh through Ninth Century 1. Isidore of Seville 3. Exegesis in the time of Charlemagne 4. From Angelomus of Luxeuil to Remigius of Auxerre 31. The Flourishing Era of Jewish Exegesis in Spain 1. The Linguistic School: Judah Hayyuj, Jonah ibn Janah, Moses ibn Chiquitilla and Judah ibn Bal'am 2. The Aesthetic Exegesis of Moses ibn Ezra 32. The School of Literal Jewish Exegesis in Northern France 4. Menahem ben Helbo5. Solomon Yishaqi / Rashi (1040-1105) 8. Samuel ben Meir / Rashbam (1080-1160) 33. Jewish Exegesis in Spain and Provence and in the East 2. Abraham ibn Ezra4. Moses ben Nahman / Nahmanides (Ramban) 5. Abraham Maimonides and the Yemenite School 34. The School of St. Victor in Paris 35. Christian Interpretation of the Old Testament 1. Bernard of Clairvaux on the Song of Songs 2. Gilbert of Poitiers and Peter Lombard 6. Albert, Thomas, Bonaventure 36. Development of Biblical Interpretation in the Syrian Churches 38. Literal and Spiritual Scriptural Interpretation: Aspects of Correspondence and Tension between Christian and Jewish Exegesis
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2001Gemeinsam liest man stark
Ein vielstimmiges Standardwerk zur Geschichte der Bibel-Lektüren
Der Interpretationsgeschichte der hebräischen Bibel, des "alten" Testaments, ist ein von Magne Saebo in Zusammenarbeit mit Chris Brekelmans und Menahem Hara herausgegebenes, auf drei Doppelbände angelegtes englischsprachiges Werk gewidmet. Mit dem zweiten Halbband des ersten Bandes ist nun die Zeit bis 1300 abgedeckt.
In dem bereits 1996 erschienenen ersten Halbband behandelten siebenundzwanzig Gelehrte (darunter fünf Deutsche) die Zeit von den Anfängen der Schriftauslegung bis hin zu Augustin. Neben Personen (Aristobul, Philo, Josephus, Clemens, Origenes, Hieronymus, Ambrosius, Augustin) gilt die Darstellung vor allem Schulen und Traditionen: der alexandrinischen Tradition, der Schule von Antiochia, der christlich-syrischen, der jüdisch-hellenistischen sowie der lateinischen und der rabbinischen Tradition. Darüber hinaus kommen - zum Teil anonyme - Text-Corpora in den Blick: die Qumran-Texte, die Texte des rabbinischen Judentums (Mischna und Talmude), die Targume (Übersetzungen) und die nicht-kanonischen Texte (Apokryphen und Pseudepigraphen). Nicht zu vergessen sind die spannenden Anfänge der Exegese innerhalb der Schriften des Alten Testaments und seiner neutestamentlichen Auslegungen.
Das Zusammenspiel von Theologen, Judaisten und Historikern macht den Reiz dieses Werkes aus. Dabei sind die Beiträge auch für Leser verständlich, die sich nicht im Griechischen, Lateinischen und Hebräischen auskennen. Jeder Beitrag beginnt mit einer Bibliographie, geordnet nach Ausgaben, Quellen und dem wichtigsten Schrifttum zum jeweils folgenden Themenkomplex, so daß die Aufsätze auch einzeln gelesen werden können. Ein Index schlüsselt dann das Gesamtwerk unter verschiedenen Gesichtspunkten auf. Es kann bezeichnet werden als eine Geschichte der Anfänge der christlichen und der jüdischen Hermeneutik (wobei hinzugefügt werden muß, daß es bis heute noch keine Geschichte der jüdischen Hermeneutik gibt).
Das Werk ist Johann Ernst Ludwig Diestel gewidmet; dessen Standardwerk "Geschichte des Alten Testaments in der christlichen Kirche" (1869) ist nun durch diesen Sammelband überholt, der die christliche Exegese nur als eine unter mehreren Möglichkeiten der Interpretation der hebräischen Bibel versteht. Die hebräischen Schriften der Bibel mit ihren weiten Deutungsmöglichkeiten, nicht das mit Hochmut so bezeichnete "alte" Testament, kommen so in den Blick.
Der zweite Halbband behandelt nun die Zeit vom fünften bis zum dreizehnten Jahrhundert. Wiederum schreiben siebenundzwanzig Gelehrte (darunter drei Deutsche), doch diesmal sind nicht zehn, sondern vierzehn Judaisten beteiligt, davon sieben aus Israel: In den behandelten Zeitraum fällt die Hochblüte der jüdischen Exegese und Philologie; diesen Disziplinen ist mehr als ein Drittel des Bandes gewidmet. Im Gegensatz zum ersten Halbband dominieren nun die Namen der jüdischen Exegeten, während die christliche Exegese zum großen Teil in der Anonymität monastischer Institutionen betrieben wird. An christlichen Gelehrten ragen allein hervor Gregor der Große, Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Hugo von St. Victor und Bernhard von Clairvaux. Auf jüdischer Seite sind besonders zu nennen Moses ibn Ezra, Raschi, Joseph Kara, Samuel ben Meir, Joseph Qimhi mit seinen Söhnen Moses und David und natürlich der große Moses ben Nahman (Nachmanides).
Den jüdischen Exegeten Nordafrikas, den frühen wie den späteren Hebraisten und Linguisten Spaniens, den philosophischen Exegeten zwischen Salomon ibn Gabriol und Moses ben Maimon, den Interpreten in der Provence des zwölften und des dreizehnten Jahrhunderts, den sogenannten "Pietisten" (den Nachfahren des Maimonides im dreizehnten Jahrhundert) und den Kabbalisten sind eigene Kapitel gewidmet. Hervorzuheben ist besonders, daß auch die Exegese der Karäer, vom achten bis zum zehnten Jahrhundert, eingehend beschrieben wird - jener Denker in Iran und Irak, die die mündliche Tradition der Rabbiner strikt ablehnten und sich ausschließlich auf die biblischen Schriften bezogen (Daniel a-Qumisi und Yacub al Qirqisani). Die Karäer mißtrauten allen Interpretationen, sogar ihren eigenen: Anan ibn David wird darum folgender Ausspruch zugeschrieben: "Studiere die Schrift sorgfältig, aber verlasse dich nicht auf meine eigene Meinung (über die Schrift)."
Alle Aufsätze sind von stupender Gelehrsamkeit und lohnend zu lesen, wiederum werden wichtige Bausteine zur Geschichte der jüdischen wie der christlichen Hermeneutik zusammengetragen - aber irgend etwas fehlt dennoch, denn die Artikel stehen jeder für sich, dem Leser wird es überlassen, eine Beziehung zwischen den Themenkomplexen herzustellen. Ein Beispiel: In dem Beitrag über den vierfachen Schriftsinn in der jüdischen Exegese fehlt jeder Hinweis auf die christlichen Lehren vom vierfachen Schriftsinn. Sind diese hermeneutischen Methoden getrennt erfunden worden, oder gab es vielleicht eine gegenseitige Beeinflussung? Ein Kapitel des Buches behandelt zwar die polemischen Disputationen zwischen Christen und Juden im Mittelalter, aber Hinweise auf fruchtbaren Austausch findet man nicht.
Die Juden haben im Mittelalter entweder als Minderheit unter Christen oder als Minderheit unter Muslimen gelebt: Hat ihre Bibelinterpretation völlig unabhängig von der jeweiligen Umwelt stattgefunden? Hatte die große Disputation in Barcelona 1265 zwischen Pablo Christiani und Nachmanides nicht auch Auswirkungen auf Nachmanides' späteren Pentateuch-Kommentar? Unter etwas fanatisierten Schiiten im Jemen zu schreiben war sicher ganz etwas anderes, als unter dem weisen Saladin in Kairo zu kommentieren. Ob man unter Christen auf hebräisch oder unter Muslimen auf arabisch (in hebräischen Buchstaben) die Bibel kommentierte, bedeutete nicht nur eine sprachliche Differenz: Muhammad verstand sich als Nachfolger von Moses und als "Siegel des Propheten". Averroes schreibt am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, der Islam sei "das Siegel der Religionen, und der Prophet (Muhammad) hat den Ausspruch getan; wenn Moses zu meiner Zeit lebte, so wäre ihm nichts anderes möglich, als mir zu folgen".
Dies war den jüdischen Gelehrten in den islamischen Ländern bekannt, auch sie lasen die muslimischen Theologen extensiv und kannten den Koran gut. In dem Beitrag über Moses ibn Ezra wird zwar gesagt, er habe auch den Koran für seine Schriftexegese genutzt, doch vom Koran ist in diesem Buch nur noch zweimal beiläufig die Rede. Es kann jedoch nachgewiesen werden, daß die ersten "dogmatischen" Versuche in den "dreizehn Grundlehren" (Glaubensartikeln) des Judentums in der Mitte des zwölften Jahrhunderts zur Abwehr und zur Abgrenzung vom allmächtigen Islam formuliert wurden und daß die jüdische Schriftexegese dieser Zeit zu lesen ist als Widerpart zur muslimischen Bibelkritik.
Doch von dieser Einbettung der jüdischen Exegese in die Welt des Islams ist hier nichts zu lesen. Man hat bei der Lektüre den Eindruck, daß es den Islam im Mittelalter gar nicht gegeben habe. Doch sollte nicht auch der Koran selbst als eine Interpretation der hebräischen Bibel bezeichnet werden? Abraham wird in ihm an 69 Stellen genannt, Moses an 136, und in 35 der 114 Suren des Korans wird Moses' Lebensgeschichte ausführlich beschrieben und neu interpretiert. Gerade weil die jüdischen Exegeten, die in islamischen Ländern auf arabisch schrieben, den Koran als eine sie in ihrem Glauben bedrohende neue Interpretation der Schrift gelesen haben - der "Jemen-Brief" des Maimonides von 1172 kann hier als Zeugnis dienen - hätte der Islam in diesem zweiten Halbband nicht ganz verschwiegen werden dürfen.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
"Hebrew Bible/Old Testament". The History of its Interpretation. Hrsg. von Magne Saebo. Bd. I: From the Beginnings to the Middle Ages (Until 1300). Teil 2: The Middle Ages. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. 729 S., geb., 188,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein vielstimmiges Standardwerk zur Geschichte der Bibel-Lektüren
Der Interpretationsgeschichte der hebräischen Bibel, des "alten" Testaments, ist ein von Magne Saebo in Zusammenarbeit mit Chris Brekelmans und Menahem Hara herausgegebenes, auf drei Doppelbände angelegtes englischsprachiges Werk gewidmet. Mit dem zweiten Halbband des ersten Bandes ist nun die Zeit bis 1300 abgedeckt.
In dem bereits 1996 erschienenen ersten Halbband behandelten siebenundzwanzig Gelehrte (darunter fünf Deutsche) die Zeit von den Anfängen der Schriftauslegung bis hin zu Augustin. Neben Personen (Aristobul, Philo, Josephus, Clemens, Origenes, Hieronymus, Ambrosius, Augustin) gilt die Darstellung vor allem Schulen und Traditionen: der alexandrinischen Tradition, der Schule von Antiochia, der christlich-syrischen, der jüdisch-hellenistischen sowie der lateinischen und der rabbinischen Tradition. Darüber hinaus kommen - zum Teil anonyme - Text-Corpora in den Blick: die Qumran-Texte, die Texte des rabbinischen Judentums (Mischna und Talmude), die Targume (Übersetzungen) und die nicht-kanonischen Texte (Apokryphen und Pseudepigraphen). Nicht zu vergessen sind die spannenden Anfänge der Exegese innerhalb der Schriften des Alten Testaments und seiner neutestamentlichen Auslegungen.
Das Zusammenspiel von Theologen, Judaisten und Historikern macht den Reiz dieses Werkes aus. Dabei sind die Beiträge auch für Leser verständlich, die sich nicht im Griechischen, Lateinischen und Hebräischen auskennen. Jeder Beitrag beginnt mit einer Bibliographie, geordnet nach Ausgaben, Quellen und dem wichtigsten Schrifttum zum jeweils folgenden Themenkomplex, so daß die Aufsätze auch einzeln gelesen werden können. Ein Index schlüsselt dann das Gesamtwerk unter verschiedenen Gesichtspunkten auf. Es kann bezeichnet werden als eine Geschichte der Anfänge der christlichen und der jüdischen Hermeneutik (wobei hinzugefügt werden muß, daß es bis heute noch keine Geschichte der jüdischen Hermeneutik gibt).
Das Werk ist Johann Ernst Ludwig Diestel gewidmet; dessen Standardwerk "Geschichte des Alten Testaments in der christlichen Kirche" (1869) ist nun durch diesen Sammelband überholt, der die christliche Exegese nur als eine unter mehreren Möglichkeiten der Interpretation der hebräischen Bibel versteht. Die hebräischen Schriften der Bibel mit ihren weiten Deutungsmöglichkeiten, nicht das mit Hochmut so bezeichnete "alte" Testament, kommen so in den Blick.
Der zweite Halbband behandelt nun die Zeit vom fünften bis zum dreizehnten Jahrhundert. Wiederum schreiben siebenundzwanzig Gelehrte (darunter drei Deutsche), doch diesmal sind nicht zehn, sondern vierzehn Judaisten beteiligt, davon sieben aus Israel: In den behandelten Zeitraum fällt die Hochblüte der jüdischen Exegese und Philologie; diesen Disziplinen ist mehr als ein Drittel des Bandes gewidmet. Im Gegensatz zum ersten Halbband dominieren nun die Namen der jüdischen Exegeten, während die christliche Exegese zum großen Teil in der Anonymität monastischer Institutionen betrieben wird. An christlichen Gelehrten ragen allein hervor Gregor der Große, Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Hugo von St. Victor und Bernhard von Clairvaux. Auf jüdischer Seite sind besonders zu nennen Moses ibn Ezra, Raschi, Joseph Kara, Samuel ben Meir, Joseph Qimhi mit seinen Söhnen Moses und David und natürlich der große Moses ben Nahman (Nachmanides).
Den jüdischen Exegeten Nordafrikas, den frühen wie den späteren Hebraisten und Linguisten Spaniens, den philosophischen Exegeten zwischen Salomon ibn Gabriol und Moses ben Maimon, den Interpreten in der Provence des zwölften und des dreizehnten Jahrhunderts, den sogenannten "Pietisten" (den Nachfahren des Maimonides im dreizehnten Jahrhundert) und den Kabbalisten sind eigene Kapitel gewidmet. Hervorzuheben ist besonders, daß auch die Exegese der Karäer, vom achten bis zum zehnten Jahrhundert, eingehend beschrieben wird - jener Denker in Iran und Irak, die die mündliche Tradition der Rabbiner strikt ablehnten und sich ausschließlich auf die biblischen Schriften bezogen (Daniel a-Qumisi und Yacub al Qirqisani). Die Karäer mißtrauten allen Interpretationen, sogar ihren eigenen: Anan ibn David wird darum folgender Ausspruch zugeschrieben: "Studiere die Schrift sorgfältig, aber verlasse dich nicht auf meine eigene Meinung (über die Schrift)."
Alle Aufsätze sind von stupender Gelehrsamkeit und lohnend zu lesen, wiederum werden wichtige Bausteine zur Geschichte der jüdischen wie der christlichen Hermeneutik zusammengetragen - aber irgend etwas fehlt dennoch, denn die Artikel stehen jeder für sich, dem Leser wird es überlassen, eine Beziehung zwischen den Themenkomplexen herzustellen. Ein Beispiel: In dem Beitrag über den vierfachen Schriftsinn in der jüdischen Exegese fehlt jeder Hinweis auf die christlichen Lehren vom vierfachen Schriftsinn. Sind diese hermeneutischen Methoden getrennt erfunden worden, oder gab es vielleicht eine gegenseitige Beeinflussung? Ein Kapitel des Buches behandelt zwar die polemischen Disputationen zwischen Christen und Juden im Mittelalter, aber Hinweise auf fruchtbaren Austausch findet man nicht.
Die Juden haben im Mittelalter entweder als Minderheit unter Christen oder als Minderheit unter Muslimen gelebt: Hat ihre Bibelinterpretation völlig unabhängig von der jeweiligen Umwelt stattgefunden? Hatte die große Disputation in Barcelona 1265 zwischen Pablo Christiani und Nachmanides nicht auch Auswirkungen auf Nachmanides' späteren Pentateuch-Kommentar? Unter etwas fanatisierten Schiiten im Jemen zu schreiben war sicher ganz etwas anderes, als unter dem weisen Saladin in Kairo zu kommentieren. Ob man unter Christen auf hebräisch oder unter Muslimen auf arabisch (in hebräischen Buchstaben) die Bibel kommentierte, bedeutete nicht nur eine sprachliche Differenz: Muhammad verstand sich als Nachfolger von Moses und als "Siegel des Propheten". Averroes schreibt am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, der Islam sei "das Siegel der Religionen, und der Prophet (Muhammad) hat den Ausspruch getan; wenn Moses zu meiner Zeit lebte, so wäre ihm nichts anderes möglich, als mir zu folgen".
Dies war den jüdischen Gelehrten in den islamischen Ländern bekannt, auch sie lasen die muslimischen Theologen extensiv und kannten den Koran gut. In dem Beitrag über Moses ibn Ezra wird zwar gesagt, er habe auch den Koran für seine Schriftexegese genutzt, doch vom Koran ist in diesem Buch nur noch zweimal beiläufig die Rede. Es kann jedoch nachgewiesen werden, daß die ersten "dogmatischen" Versuche in den "dreizehn Grundlehren" (Glaubensartikeln) des Judentums in der Mitte des zwölften Jahrhunderts zur Abwehr und zur Abgrenzung vom allmächtigen Islam formuliert wurden und daß die jüdische Schriftexegese dieser Zeit zu lesen ist als Widerpart zur muslimischen Bibelkritik.
Doch von dieser Einbettung der jüdischen Exegese in die Welt des Islams ist hier nichts zu lesen. Man hat bei der Lektüre den Eindruck, daß es den Islam im Mittelalter gar nicht gegeben habe. Doch sollte nicht auch der Koran selbst als eine Interpretation der hebräischen Bibel bezeichnet werden? Abraham wird in ihm an 69 Stellen genannt, Moses an 136, und in 35 der 114 Suren des Korans wird Moses' Lebensgeschichte ausführlich beschrieben und neu interpretiert. Gerade weil die jüdischen Exegeten, die in islamischen Ländern auf arabisch schrieben, den Koran als eine sie in ihrem Glauben bedrohende neue Interpretation der Schrift gelesen haben - der "Jemen-Brief" des Maimonides von 1172 kann hier als Zeugnis dienen - hätte der Islam in diesem zweiten Halbband nicht ganz verschwiegen werden dürfen.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
"Hebrew Bible/Old Testament". The History of its Interpretation. Hrsg. von Magne Saebo. Bd. I: From the Beginnings to the Middle Ages (Until 1300). Teil 2: The Middle Ages. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. 729 S., geb., 188,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Friedrich Niewöhner stellt wohlwollend ein gigantisches und insgesamt auf drei Halbbände angelegtes internationales und interdisziplinäres Forschungsprojekt vor, das sich der Interpretationsgeschichte des bei uns, wie er schreibt, "hochmütig" sogenannten Alten Testaments widmet. Beteiligt sind Historiker, Theologen und Judaisten aus Israel wie auch aus Deutschland, welche die verschiedenen Schulen und hervorragende Interpreten vorstellen. Jeder Aufsatz beginnt mit einer Bibliografie, so Niewöhner, so dass die Darstellungen einzeln zu lesen seien, allerdings bleibt es damit auch dem Leser überlassen, moniert Niewöhner, eine Beziehung zwischen den einzelnen Schulen und Artikeln herzustellen. Im Beitrag über den vierfachen Schriftsinn in der jüdischen Exegese fehle beispielsweise der Verweis auf die diesbezüglichen christlichen Lehren. Noch mehr vermisst der Rezensent Hinweise auf die Einbettung der jüdischen Exegese in die Welt des Islams. Der Koran, schreibt Niewöhner, findet nur am Rande Erwähnung. Aber sei er nicht auch als Interpretation der hebräischen Bibel zu lesen?
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH