Der Weltstar aus Wien
Hedy Lamarr (1914-2000): Ein Teenager aus Döbling wurde in den 1930er-Jahren durch "skandalöse" Nacktszenen und die erste Darstellung eines weiblichen Orgasmus in der Filmgeschichte zum Arthouse-Filmstar. In Hollywood stieg sie kurzfristig zur größten Leinwandgöttin aller Zeiten auf. Als Jüdin und Hitler-Gegnerin erlebte sie die Zäsuren und Brüche fast des gesamten 20. Jahrhunderts. Heute gilt sie als "Mrs. Bluetooth".
Die Historikerin Michaela Lindinger entkräftet auf Basis neuer Quellen gängige Klischees und Falschinformationen, porträtiert eine Frau mit Ecken und Kanten und zeichnet so völlig neues Bild der ehemals "schönsten Frau der Welt".
Hedy Lamarr (1914-2000): Ein Teenager aus Döbling wurde in den 1930er-Jahren durch "skandalöse" Nacktszenen und die erste Darstellung eines weiblichen Orgasmus in der Filmgeschichte zum Arthouse-Filmstar. In Hollywood stieg sie kurzfristig zur größten Leinwandgöttin aller Zeiten auf. Als Jüdin und Hitler-Gegnerin erlebte sie die Zäsuren und Brüche fast des gesamten 20. Jahrhunderts. Heute gilt sie als "Mrs. Bluetooth".
Die Historikerin Michaela Lindinger entkräftet auf Basis neuer Quellen gängige Klischees und Falschinformationen, porträtiert eine Frau mit Ecken und Kanten und zeichnet so völlig neues Bild der ehemals "schönsten Frau der Welt".
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2019Die Hautevolee-Prinzessin aus Wien
Hollywoods Frau für verwegene Begierden: Michaela Lindinger beschreibt Leben und Karriere von Hedy Lamarr
Zum zweiten Mal wurde kürzlich in Wien der Hedy Lamarr Preis vergeben. Bei dem Namen einer berühmten Schauspielerin würde man eigentlich erwarten, dass auch die ausgezeichneten Persönlichkeiten einschlägig hervorgetreten sind. Der Hedy Lamarr Preis aber würdigt "innovative Leistungen im Bereich neuer Informationstechnologien". Die Namenspatin wird als Technologieentwicklerin bezeichnet, sie habe Erfindungen gemacht, die als "Vorläufer für heutige Bluetooth- und WLAN-Anwendungen" gelten sollen. Dass die gebürtige Wienerin Hedwig Kiesler, die in Hollywood als Hedy Lamarr berühmt wurde, eine bahnbrechende Erfinder gewesen wäre, wird in der neuen Biographie von Michaela Lindinger allerdings eher brüsk zurückgewiesen: "Ein Lochstreifen macht noch keinen Computer", und das Frequenzsprungverfahren, das auch rüstungstechnologisch von Interesse gewesen sein soll, wäre in etwa so wirkungsvoll gewesen, als wollte man "ein Klavier in einen Torpedo einbauen".
Tatsächlich hatte sich Lamarr während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit George Antheil an einem "Secret Communication System" versucht. Antheil war ein musikalischer Pionier, der vor allem durch seine Arbeiten für automatisiertes Klavier hervortrat. Auf entsprechenden Papierrollen beruhten auch die Ideen, die Hedy Lamarr immerhin eine Schlagzeile als "Inventor" in der "New York Times" einbrachten.
In dem Buch von Michaela Lindinger werden diese Geschichten gleich zu Beginn als "Legenden aus dem World Wide Web" entzaubert. Für die Stadt Wien, die sich aus nachvollziehbaren Gründen lieber mit einer datentechnologischen Pionierin als mit einer Skandalschauspielerin zu schmücken versucht, muss das kein Drama sein. Legenden sind hartnäckig, und Hedy Lamarr hat selbst wenig dazu beigetragen, einen realistischen Blick auf ihr Leben und ihre Karriere zu befördern. Michaela Lindinger stellt ihrem Buch drei Begriffe im Untertitel voran: "Filmgöttin - Antifaschistin - Erfinderin". Bei allen dreien ließe sich im Detail darüber diskutieren, ob sich damit auch eine plausible Wahrheit verbindet. Antifaschistisch war in den frühen 1940er Jahren nahezu das ganze Hollywood, und über das jüdische Selbstverständnis von Hedy Lamarr würde man gern in einer aus umfangreicheren Quellen gearbeiteten Biographie einmal noch mehr lesen.
Dass Hedy Lamarr eine Filmgöttin war, lässt sich leicht behaupten, wenn man von einem entsprechend großen Pantheon solcher Göttinnen ausgeht. Ihre Karriere in Hollywood war keineswegs unproblematisch. Inwiefern ihr Auftritt in Gustav Machatýs "Ekstase", in dem sie 1933 sieben Sekunden lang nackt zu sehen war, ihre Möglichkeiten in Amerika beeinträchtigte, lässt sich wohl schwer im Detail festmachen. Lindinger beschreibt jedenfalls eine "Filmgöttin", die trotz ihrer "Schwachstelle Oberweite" als erotisches Idol verkauft wurde - und zwar für eher verwegenere Begierden. Leider fehlt es der Biographin ein wenig an Gespür für filmhistorische Nuancen, so dass kontroverse Rollen wie die der Tondelayo (in der Dschungelphantasie "White Cargo") zwar ausführlich besprochen werden, dabei aber doch eher unterbelichtet bleiben. Ähnlich verhält es sich mit Edgar G. Ulmers "The Strange Woman", einem Höhepunkt des B-Kinos und einer wichtigen Begegnung von Emigranten in Hollywood.
Von ein wenig mehr Mut zu psychologischer Deutung hätte das Buch wohl auch profitiert. Das Leben von Hedwig Kiesler, die als "Hautevolee-Prinzessin aus Döbling" die Welt der reichen Männer und jene des Kinos betrat, ließe sich wohl als eine lange, verunglückte Autonomiebestrebung lesen: in dem Männermachtsystem Hollywood, in dem der Mogul Louis B. Mayer ihr eine Chance gab, die sie - laut Lindinger - auch aus Mangel an schauspielerischem Talent nur bedingt nützte.
Dass später das Umfeld von Andy Warhol auf Lamarr aufmerksam wurde und man ihr in der Factory einen Film widmete, verdeutlicht ihren besonderen Status. Man kann sie ohne weiteres als paradigmatisches Opfer einer entfesselten Popkultur mit Glückspillen und Schönheitsoperationen, mit oligarchischen Ehemännern und radikaler Sexualisierung sehen. Michaela Lindinger "begeistert sich für die Themen Tod und Mode", schreibt sie in ihrer Kurzbiographie am Ende des Buches. Vor allem der Akzent auf Modethemen prägt diese populäre Biographie deutlich und ist zweifellos ein guter Schlüssel zu dieser Figur. Aber neben der großen, vor allem filmhistorisch interessanten amerikanischen Biographie von Stephen Michael Shearer lässt das Buch von Michaela Lindinger den Wunsch nach einer Lebensdarstellung, die dieser Figur in ihrer ganzen Vielschichtigkeit gerecht wird, eher wachsen.
BERT REBHANDL
Michaela Lindinger:
"Hedy Lamarr".
Filmgöttin - Antifaschistin - Erfinderin.
Molden Verlag, Wien 2019. 256 S., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hollywoods Frau für verwegene Begierden: Michaela Lindinger beschreibt Leben und Karriere von Hedy Lamarr
Zum zweiten Mal wurde kürzlich in Wien der Hedy Lamarr Preis vergeben. Bei dem Namen einer berühmten Schauspielerin würde man eigentlich erwarten, dass auch die ausgezeichneten Persönlichkeiten einschlägig hervorgetreten sind. Der Hedy Lamarr Preis aber würdigt "innovative Leistungen im Bereich neuer Informationstechnologien". Die Namenspatin wird als Technologieentwicklerin bezeichnet, sie habe Erfindungen gemacht, die als "Vorläufer für heutige Bluetooth- und WLAN-Anwendungen" gelten sollen. Dass die gebürtige Wienerin Hedwig Kiesler, die in Hollywood als Hedy Lamarr berühmt wurde, eine bahnbrechende Erfinder gewesen wäre, wird in der neuen Biographie von Michaela Lindinger allerdings eher brüsk zurückgewiesen: "Ein Lochstreifen macht noch keinen Computer", und das Frequenzsprungverfahren, das auch rüstungstechnologisch von Interesse gewesen sein soll, wäre in etwa so wirkungsvoll gewesen, als wollte man "ein Klavier in einen Torpedo einbauen".
Tatsächlich hatte sich Lamarr während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit George Antheil an einem "Secret Communication System" versucht. Antheil war ein musikalischer Pionier, der vor allem durch seine Arbeiten für automatisiertes Klavier hervortrat. Auf entsprechenden Papierrollen beruhten auch die Ideen, die Hedy Lamarr immerhin eine Schlagzeile als "Inventor" in der "New York Times" einbrachten.
In dem Buch von Michaela Lindinger werden diese Geschichten gleich zu Beginn als "Legenden aus dem World Wide Web" entzaubert. Für die Stadt Wien, die sich aus nachvollziehbaren Gründen lieber mit einer datentechnologischen Pionierin als mit einer Skandalschauspielerin zu schmücken versucht, muss das kein Drama sein. Legenden sind hartnäckig, und Hedy Lamarr hat selbst wenig dazu beigetragen, einen realistischen Blick auf ihr Leben und ihre Karriere zu befördern. Michaela Lindinger stellt ihrem Buch drei Begriffe im Untertitel voran: "Filmgöttin - Antifaschistin - Erfinderin". Bei allen dreien ließe sich im Detail darüber diskutieren, ob sich damit auch eine plausible Wahrheit verbindet. Antifaschistisch war in den frühen 1940er Jahren nahezu das ganze Hollywood, und über das jüdische Selbstverständnis von Hedy Lamarr würde man gern in einer aus umfangreicheren Quellen gearbeiteten Biographie einmal noch mehr lesen.
Dass Hedy Lamarr eine Filmgöttin war, lässt sich leicht behaupten, wenn man von einem entsprechend großen Pantheon solcher Göttinnen ausgeht. Ihre Karriere in Hollywood war keineswegs unproblematisch. Inwiefern ihr Auftritt in Gustav Machatýs "Ekstase", in dem sie 1933 sieben Sekunden lang nackt zu sehen war, ihre Möglichkeiten in Amerika beeinträchtigte, lässt sich wohl schwer im Detail festmachen. Lindinger beschreibt jedenfalls eine "Filmgöttin", die trotz ihrer "Schwachstelle Oberweite" als erotisches Idol verkauft wurde - und zwar für eher verwegenere Begierden. Leider fehlt es der Biographin ein wenig an Gespür für filmhistorische Nuancen, so dass kontroverse Rollen wie die der Tondelayo (in der Dschungelphantasie "White Cargo") zwar ausführlich besprochen werden, dabei aber doch eher unterbelichtet bleiben. Ähnlich verhält es sich mit Edgar G. Ulmers "The Strange Woman", einem Höhepunkt des B-Kinos und einer wichtigen Begegnung von Emigranten in Hollywood.
Von ein wenig mehr Mut zu psychologischer Deutung hätte das Buch wohl auch profitiert. Das Leben von Hedwig Kiesler, die als "Hautevolee-Prinzessin aus Döbling" die Welt der reichen Männer und jene des Kinos betrat, ließe sich wohl als eine lange, verunglückte Autonomiebestrebung lesen: in dem Männermachtsystem Hollywood, in dem der Mogul Louis B. Mayer ihr eine Chance gab, die sie - laut Lindinger - auch aus Mangel an schauspielerischem Talent nur bedingt nützte.
Dass später das Umfeld von Andy Warhol auf Lamarr aufmerksam wurde und man ihr in der Factory einen Film widmete, verdeutlicht ihren besonderen Status. Man kann sie ohne weiteres als paradigmatisches Opfer einer entfesselten Popkultur mit Glückspillen und Schönheitsoperationen, mit oligarchischen Ehemännern und radikaler Sexualisierung sehen. Michaela Lindinger "begeistert sich für die Themen Tod und Mode", schreibt sie in ihrer Kurzbiographie am Ende des Buches. Vor allem der Akzent auf Modethemen prägt diese populäre Biographie deutlich und ist zweifellos ein guter Schlüssel zu dieser Figur. Aber neben der großen, vor allem filmhistorisch interessanten amerikanischen Biographie von Stephen Michael Shearer lässt das Buch von Michaela Lindinger den Wunsch nach einer Lebensdarstellung, die dieser Figur in ihrer ganzen Vielschichtigkeit gerecht wird, eher wachsen.
BERT REBHANDL
Michaela Lindinger:
"Hedy Lamarr".
Filmgöttin - Antifaschistin - Erfinderin.
Molden Verlag, Wien 2019. 256 S., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2019Diese spöttische Augenbraue
Eine bebilderte Biografie zeigt die Filmlegende Hedy Lamarr
So wie Hedy Lamarrs Schauspielkarriere losging, grenzt es an ein Wunder, dass am Ende eine Hollywood-Karriere daraus wurde. Als sie noch in Wien lebte und Hedwig Kiesler hieß, hatte sie – wahrscheinlich etwas voreilig – den Vertrag für eine Hauptrolle unterschrieben, für Gustav Machatýs „Ekstase“. Da spielte sie eine junge Frau, die ihren Ehemann verlässt und sich einen Liebhaber sucht. Sie entsteigt, das war Hedy Lamarr vorher nicht so klar, in „Ekstase“ einmal nackt einem See, und später gibt es eine Sexszene mit dem Liebhaber. Beides wäre für Hollywood-Verhältnisse heute noch anrüchig – 1932 aber, als „Ekstase“ gedreht wurde, fand William Hays, der oberste Sittenwächter des amerikanischen Kinos, das schlichtweg „gefährlich“.
Hedy Lamarr wurde jedenfalls berühmt, in Österreich sogar schlagartig; heute ist sie der Stoff für Legenden. Mit einer räumt die Autorin Michaela Lindinger in ihrer Biografie gründlich auf, mit vielen technischen Details und Erklärungen: Mit dem Gerücht, Hedy Lamarr habe sozusagen die Grundlage der Mobiltelefonie erfunden (hat sie nicht). Sie steigt mit dieser Geschichte ein, dem Patent, das Hedy Lamarr tatsächlich hat eintragen lassen.
Sie war, schreibt Lindinger, später bitter enttäuscht, dass ihre Erfindung, die den Amerikanern helfen sollte, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, und die sie zusammen mit dem Komponisten Georges Antheil gemacht hatte, ihr so wenig Respekt einbrachte. Den hätte sie spät im Leben, als sie längst keine Rollen mehr bekam und ihrer Tablettensucht wegen nicht immer ganz zurechnungsfähig agierte, gut gebrauchen können. Sie ist eben all das gewesen, was Lindingers Buch „Hedy Lamarr“ im Untertitel verheißt: Filmgöttin, Antifaschistin, Erfinderin.
Die eigentliche Filmkarriere kommt in dieser Lebensgeschichte erst danach. Es klappte doch noch mit Hollywood, einige Jahre später. Hedy Lamarr wurde ein Star, als Ziegfeld-Girl im von Busby Berkely gestalteten Musical „Mädchen im Rampenlicht“ (1941) beispielsweise, neben James Stewart und Judy Garland; oder als herrliche Delilah in Cecil B. DeMilles „Samson und Delilah“ (1949). Sie hatte einen unverwechselbaren Blick – die eine Augenbraue ein wenig hochgezogen, das kann gar nicht jeder. Der spöttische Ausdruck, den ihr diese Fähigkeit verlieh, gehörte zu ihren Markenzeichen.
Lindinger zeichnet alle Stationen dieses Lebens nach: Erfolg, diverse Ehen, das Karriere-Ende, Tablettensucht. Hedy Lamarr war keine Marilyn, die nichts hatte, bevor sie berühmt wurde – vielleicht erklärt das ja den spöttischen Blick. Als sie 1914 geboren wurde, war Wien noch Hauptstadt von Österreich-Ungarn, ihr Vater stammte aus Galizien und war zu Geld gekommen, die Mutter entstammte einer gutbürgerlichen jüdischen Familie. 1937 sprach sie in London vor und bekam einen Vertrag bei MGM, der sie rechtzeitig vor dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland nach Amerika brachte – aber ein Flüchtling war sie nicht. Sie hatte das Selbstbewusstsein, sich nicht in die Frauenrolle zu fügen, die Hollywood am liebsten gewesen wäre –Lamarr lief, wie die andere höhere Tochter von Hollywood, Katharine Hepburn, gern in Hosenanzügen herum. Allerdings galt Hepburn als unweiblich – und Hedy Lamarr als schönste Frau der Welt.
SUSAN VAHABZADEH
Michaela Lindinger: Hedy Lamarr – Filmgöttin, Antifaschistin, Erfinderin. Molden, Wien 2019. 204 Seiten, 28 Euro.
Look der höheren Töchter von Hollywood: der Hosenanzug (links). Und Hedy Lamarr als Familienmensch mit Tochter und viertem Ehemann.
Fotos: Courtesy Everett Collection / Personalities / TopFoto / picturedesk.com
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine bebilderte Biografie zeigt die Filmlegende Hedy Lamarr
So wie Hedy Lamarrs Schauspielkarriere losging, grenzt es an ein Wunder, dass am Ende eine Hollywood-Karriere daraus wurde. Als sie noch in Wien lebte und Hedwig Kiesler hieß, hatte sie – wahrscheinlich etwas voreilig – den Vertrag für eine Hauptrolle unterschrieben, für Gustav Machatýs „Ekstase“. Da spielte sie eine junge Frau, die ihren Ehemann verlässt und sich einen Liebhaber sucht. Sie entsteigt, das war Hedy Lamarr vorher nicht so klar, in „Ekstase“ einmal nackt einem See, und später gibt es eine Sexszene mit dem Liebhaber. Beides wäre für Hollywood-Verhältnisse heute noch anrüchig – 1932 aber, als „Ekstase“ gedreht wurde, fand William Hays, der oberste Sittenwächter des amerikanischen Kinos, das schlichtweg „gefährlich“.
Hedy Lamarr wurde jedenfalls berühmt, in Österreich sogar schlagartig; heute ist sie der Stoff für Legenden. Mit einer räumt die Autorin Michaela Lindinger in ihrer Biografie gründlich auf, mit vielen technischen Details und Erklärungen: Mit dem Gerücht, Hedy Lamarr habe sozusagen die Grundlage der Mobiltelefonie erfunden (hat sie nicht). Sie steigt mit dieser Geschichte ein, dem Patent, das Hedy Lamarr tatsächlich hat eintragen lassen.
Sie war, schreibt Lindinger, später bitter enttäuscht, dass ihre Erfindung, die den Amerikanern helfen sollte, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, und die sie zusammen mit dem Komponisten Georges Antheil gemacht hatte, ihr so wenig Respekt einbrachte. Den hätte sie spät im Leben, als sie längst keine Rollen mehr bekam und ihrer Tablettensucht wegen nicht immer ganz zurechnungsfähig agierte, gut gebrauchen können. Sie ist eben all das gewesen, was Lindingers Buch „Hedy Lamarr“ im Untertitel verheißt: Filmgöttin, Antifaschistin, Erfinderin.
Die eigentliche Filmkarriere kommt in dieser Lebensgeschichte erst danach. Es klappte doch noch mit Hollywood, einige Jahre später. Hedy Lamarr wurde ein Star, als Ziegfeld-Girl im von Busby Berkely gestalteten Musical „Mädchen im Rampenlicht“ (1941) beispielsweise, neben James Stewart und Judy Garland; oder als herrliche Delilah in Cecil B. DeMilles „Samson und Delilah“ (1949). Sie hatte einen unverwechselbaren Blick – die eine Augenbraue ein wenig hochgezogen, das kann gar nicht jeder. Der spöttische Ausdruck, den ihr diese Fähigkeit verlieh, gehörte zu ihren Markenzeichen.
Lindinger zeichnet alle Stationen dieses Lebens nach: Erfolg, diverse Ehen, das Karriere-Ende, Tablettensucht. Hedy Lamarr war keine Marilyn, die nichts hatte, bevor sie berühmt wurde – vielleicht erklärt das ja den spöttischen Blick. Als sie 1914 geboren wurde, war Wien noch Hauptstadt von Österreich-Ungarn, ihr Vater stammte aus Galizien und war zu Geld gekommen, die Mutter entstammte einer gutbürgerlichen jüdischen Familie. 1937 sprach sie in London vor und bekam einen Vertrag bei MGM, der sie rechtzeitig vor dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland nach Amerika brachte – aber ein Flüchtling war sie nicht. Sie hatte das Selbstbewusstsein, sich nicht in die Frauenrolle zu fügen, die Hollywood am liebsten gewesen wäre –Lamarr lief, wie die andere höhere Tochter von Hollywood, Katharine Hepburn, gern in Hosenanzügen herum. Allerdings galt Hepburn als unweiblich – und Hedy Lamarr als schönste Frau der Welt.
SUSAN VAHABZADEH
Michaela Lindinger: Hedy Lamarr – Filmgöttin, Antifaschistin, Erfinderin. Molden, Wien 2019. 204 Seiten, 28 Euro.
Look der höheren Töchter von Hollywood: der Hosenanzug (links). Und Hedy Lamarr als Familienmensch mit Tochter und viertem Ehemann.
Fotos: Courtesy Everett Collection / Personalities / TopFoto / picturedesk.com
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