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Die Wissenschaft der Logik, laut Brecht »eines der größten humoristischen Werke der Weltliteratur«, ist das dunkle Herz des Hegel'schen Systems. Während Hegel seit einiger Zeit mit seiner Rechtsphilosophie oder auch der Phänomenologie in die intellektuelle Debatte der Gegenwart zurückgekehrt ist, bleibt seine Logik ein ungelesenes Hauptwerk der Philosophiegeschichte. So wartet dieses schwer zu durchdringende, kolossale Werk in unseren Tagen immer noch auf eine öffnende Neulektüre jenseits der Fachwelt. Patrick Eiden-Offe hat sich dem Exerzitium unterworfen, die Logik jeden Morgen eine Stunde…mehr

Produktbeschreibung
Die Wissenschaft der Logik, laut Brecht »eines der größten humoristischen Werke der Weltliteratur«, ist das dunkle Herz des Hegel'schen Systems. Während Hegel seit einiger Zeit mit seiner Rechtsphilosophie oder auch der Phänomenologie in die intellektuelle Debatte der Gegenwart zurückgekehrt ist, bleibt seine Logik ein ungelesenes Hauptwerk der Philosophiegeschichte. So wartet dieses schwer zu durchdringende, kolossale Werk in unseren Tagen immer noch auf eine öffnende Neulektüre jenseits der Fachwelt. Patrick Eiden-Offe hat sich dem Exerzitium unterworfen, die Logik jeden Morgen eine Stunde zu studieren, konsequent von Anfang bis Ende. Er hat mit und in dem Buch überraschende und berührende Erfahrungen gemacht, die bei der bloßen Aneignung durch die Sekundärliteratur entgehen. Dabei hat er einen Hegel entdeckt, dessen radikales Denken zu einer ganz eigenen, hermetischen Sprache drängt, die allenfalls noch mit der Hölderlins vergleich bar ist; einen Hegel, der der Sache selbst »auf den Grund gehen« will und dann bloß noch protokollieren kann, wie sie »zugrunde geht«. Und einen Hegel, dessen Philosophie Züge eines abgründigen Humors trägt. Das Lesen der Logik wird zu einem Selbstversuch, ebenso wie das Schreiben darüber. Am Ende erscheint Die Wissenschaft der Logik selbst als ein Essay, dem als Trostbuch der modernen Seele für unsere Tage unbedingte Aktualität zukommt.
Autorenporträt
Patrick Eiden-Offe, 1971 geboren, ist Literatur- und Kulturwissenschaftler. Er hat neuere deutsche Literatur, Philosophie, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte in Tübingen und Hamburg studiert. 2008 wurde er an der Universität Konstanz mit einer Arbeit über Reichsfantasien im poetischen und politischen Werk Hermann Brochs promoviert (Das Reich der Demokratie. Hermann Brochs 'Der Tod des Vergil', Paderborn 2011). 2008 bis 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration an der Universität Konstanz, 2011 bis 2017 lehrte er an der Universität Duisburg-Essen. Seine Spezialgebiete sind die Verflechtungen von Literatur, Ökonomie und Politik, Robert Walser, das Verhältnis von Literatur und Ethnologie und die Romantik. Seit 2017 untersucht er am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) in Berlin die Theoriebildung des jungen Georg Lukács.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Christoph Menke bewundert Patrick Eiden-Offe für seinen Selbstversuch mit Hegels Logik. Für Menke riskiert der Autor damit nicht wenig, nämlich denkend beim Erkunden des Denkens abzustürzen, weil die Dialektik zwischen Erzählung und Kritik ein so "schmaler Grat ist". Für Menke aber bietet die Übung alleine schon den Gewinn einer meditativen Praxis sowie die Chance, der Denkfaulheit zu entkommen. Zudem erweist sich Hegels Logik mit Eiden-Offe als großer Spaß, staunt Menke.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2021

Im Spiel der Sprache kommen Begriffe in Bewegung
Nichts bleibt halt, was es gewesen ist: Patrick Eiden-Offe unterwirft sich auf lehrreiche Weise dem Exerzitium der Lektüre von Hegels "Logik"

Warum soll man Hegel lesen? Und wenn schon Hegel, warum dann seine "Wissenschaft der Logik", Hegels zweites großes Buch, das doch nur das Schattenreich des "reinen Gedankens" enthalten soll? Warum haben Lenin am Anfang des Ersten Weltkriegs und Brecht nach Hitlers Machtergreifung, in "finsteren Zeiten", abgeschnitten von jeder Aussicht auf veränderndes Handeln, ausgerechnet Hegels "Logik" gelesen? Was haben sie davon gehabt, sich einem Buch auszusetzen, in dem man nach dem Eingeständnis Adornos, einem anderen Leser der "Logik", zuweilen keine Ahnung hat, wovon überhaupt die Rede ist?

Patrick Eiden-Offe berichtet von einem "Selbstversuch", der, wie jeder Versuch, in dem es auf etwas ankommt, einer Regel (und der Disziplin ihrer Einhaltung) bedurfte: "Tag für Tag eine Stunde in der Früh" wollte er Hegels "Logik" lesen. Das heißt, sie "wirklich lesen", also nicht, um am Ende etwas über Hegel zu wissen, sondern um sein Vorwissen zu vergessen und sich, wie in einer meditativen Praxis, zu üben. Hegels "Logik" lesen heißt, sich im Denken zu üben. Es folgt demselben Antrieb, der alle paar Jahre die geistig Wachen dazu bringt, die neuesten angesagten Meisterdenker - und immer öfter auch Meisterdenkerinnen - zu studieren. Wie in der Lust an der Mode geht es im Lesen der "Logik" um Beweglichkeit im Denken, um Übungen gegen die grassierende "Denkfaulheit", die sich auf Standpunkte, Methoden und Werte verlässt.

Hegels "Logik" übt ins Denken ein, weil sie, wie Eiden-Offe mit Brecht sagt, die "Lebensweise der Begriffe" untersucht. Sie zeigt deren Instabilität, ihre Schlüpfrigkeit: die Komödie ihrer Zwiste, ihrer Paarungen, ihrer Zeugungen und deren abermalige Entzweiungen, Verbindungen und Entgegensetzungen. Hegels "Logik", so will Eiden-Offe mit Brecht zeigen, ist eines der "größten humoristischen Werke der Weltliteratur". Das ist sie gerade deshalb, weil sie, wie Hegel allen Ernstes in der Einleitung verkündet, die "Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist". Denn wenn die Logik die Beweglichkeit der Begriffe entfaltet, geht es ihr nicht um die verbreitete Ansicht, dass alle Begriffe in ihrem Inhalt geschichtlich, kontextuell, relativ und daher veränderlich sind. Es geht in der Logik gar nicht darum, was Begriffe sagen, sondern wie sie sind; es geht um ihre Form. Dialektik heißt: Die Form der Begriffe, nicht erst ihr Inhalt, ist in Bewegung. Die Logik will zeigen, dass wir im Denken, gleichgültig, worum es geht, in allgemeinen Strukturen denken, die aber unser Denken nicht determinieren, sondern die sich im Denken selbst verändern. Denken ist nicht Denken in vorgegebenen Formen, sondern Denken heißt, die Formen des Denkens im Denken zu verändern.

Eiden-Offe zeigt das in exemplarischen Lektüren, die genau und dabei gut verständlich sind. Er zeigt etwa, wie ich nach Hegel damit beginne, mein Denken so zu verstehen, dass ich Etwas denke; wie ich dann verstehe, dass ich Etwas nur denken kann, wenn ich etwas Anderes (und das Etwas als das Andere des Anderen) denke; dass ich dann aber nur erst seine Grenze gedacht habe und daher weitergehen muss (oder "soll"); wie dieses Weitergehen mich vom Etwas unendlich wegführt; dass dieses unendliche Hinausgehen über das Etwas aber vielleicht gerade das Etwas selbst ist (das dann aber einen neuen Namen braucht: Fürsichsein), und so fort. Indem Eiden-Offe das vorführt, interessiert ihn aber immer, wie man diese Formen verändernde Bewegung des Denkens selbst zu denken hat. Folgt sie einer Methode? Was ist mit dem berüchtigten dialektischen Dreischritt, und warum hat Hegel selbst gesagt, dass, wer richtig zähle, nicht auf drei, sondern vier Schritte komme? Und was heißt das für den Anfang und das Ende des Denkens: Wie kann es sie überhaupt geben?

Vor allem aber: Welche Rolle spielt die Sprache dabei, deren Einfällen und Wendungen sich Hegel immer wieder überlässt und deren schriftliche Mittel, bis zu den Satzzeichen, er virtuos (und immer bedeutsam) handhabt? Diese Frage führt ins Zentrum von Eiden-Offes Selbstversuch. Es ist die Frage, wie es jene Veränderungen in der Form der Begriffe, die die "Logik" vorführt, gibt. Die eine Antwort ist, dass sich die Form von selbst, im Spielen der Sprache, ändert, die andere Antwort, dass wir sie ändern müssen, durch unseren Akt des Denkens. Nach der ersten Antwort können wir uns darauf verlassen (und wie Eiden-Offe am Schluss sagt, in finsteren Zeiten damit trösten), dass nichts bleibt, wie es ist - dass alles, selbst die logischen Formen des Denkens, sich immer wieder und weiter verändern. Nach der zweiten Antwort müssen wir dies selbst tun: Wir müssen durch unser Denken die Dinge allererst veränderbar machen, ihre Veränderbarkeit selbst hervorbringen. Dann fiele auch der Trost, dass die Dinge veränderlich sind, dem Denken erst zu, wenn es den Mut gehabt hat, selbst die Veränderung seiner Formen zu unternehmen.

Man kann Eiden-Offes dialektische Übung so verstehen, dass auch an dieser letzten oder höchsten Stelle beide Antworten gegeben werden müssen: dass also der Widerspruch nicht aufgelöst werden kann, der das Anders-Werden und das Anders-Machen, das Erkennen und das Tun, die Ideen des Wahren und des Guten vereint, indem er sie trennt. Die "Sache", so zitiert Eiden-Offe Hegel, ist "in sich gebrochen in ihr Sollen und ihr Seyn". Man kann das, was uns im Denken geschieht (weil es von selbst geschieht), nicht gegen das ausspielen, was wir selbst im Denken tun, und das, was wir im Denken selbst tun, nicht gegen das, was uns im Denken geschieht. Am Anfang wie am Ende der Logik geht es, so zeigt Eiden-Offe in pointierten Deutungen, vielmehr genau darum, wie das eine aus dem anderen hervorgeht und wieder in es umschlägt.

Indem Eiden-Offes Lektüre diese Perspektive entfaltet, balanciert sie auf einem äußerst schmalen Grat. Es ist der Grat zwischen einem Denken, das hinnimmt, wie es ist, und einem Denken, das eingreift und verändert. Auf der eine Seite stehen Erzählung, Kontingenz, Evolution, Schicksal, auf der anderen Seite Kritik, Tat, Revolution, Fortschritt: die Entgegensetzungen der Gegenwart, "nach der Postmoderne". Es ist nicht immer klar, ob Eiden-Offe bei seinem Balanceakt nicht abstürzt. Aber das kann auch gar nicht klar und eindeutig sein. Die Dialektik, in die er sich und seine Leser einüben will, kann nur gelingen, wenn sie das Risiko des Scheiterns auf sich nimmt.

CHRISTOPH MENKE

Patrick Eiden-Offe:

"Hegels Logik lesen".

Ein Selbstversuch.

Matthes & Seitz Verlag,

Berlin 2020. 250 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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