In der aktuellen Diskussion um Martin Heideggers "Schwarze Hefte" spielt Donatella Di Cesares Buch "Heidegger, die Juden, die Shoah" eine zentrale Rolle. Es zeigt, dass Heidegger im Kontext einer langen Tradition des Antisemitismus in der Philosophie zu lesen ist, zu der auch Kant, Hegel und Nietzsche gehören. Der Philosoph schreibt dem Judentum eine spezifische Bedeutung in der Geschichte zu. Diese Bedeutung stellt sich als eine Anordnung von Stereotypen dar, die metaphysisch gerechtfertigt werden. Indem Heidegger die "Judenfrage" in sein Denken aufnimmt, fällt er also in ein metaphysisches Denken zurück. Di Cesare spricht deshalb von einem "metaphysischen Antisemitismus". Zuletzt aber bildet die Shoah das Zentrum, auf das Heideggers Äußerungen bezogen werden. Das Buch ist auch ein Beitrag zur Frage nach der Verantwortung der Philosophie für die Vernichtung der Juden in Europa. Die deutsche Ausgabe ist erheblich erweitert und berücksichtigt bereits die "Schwarzen Hefte" der Jahre 1942 bis 1948.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Martin Heidegger scheint langsam historisch zu werden. Jedenfalls gibt es kaum noch Heideggerianer, meint der Sankt-Gallener Philosoph Dieter Thomä, der den vorliegenden Bnd zusammen mit Reinhard Mehrings Essaysammlung "Heidegger und die 'große Politik'" bespricht. Beiden Autoren attestiert er, dass sie kundige und zugleich meinungsstarke Beiträge zur jüngsten Heidegger-Debatte liefern. Bei Di Cesare hebt er besonders hervor, dass sie Heideggers Antisemitismus in eine lange Geschichte philosphischer Judenfeindlichkeit einordnet, in die leider auch Kant, Hegel und Nietzsche gehören. Dass Heidegger den Biologismus ablehnte, entlaste ihn dabei nicht: "Es gibt eben auch so etwas wie geistigen Rassismus." Zwar lasse Di Cesare jenen, die Heideggers Antisemitismus hinwegreden wollten, auch ein Schlupfloch - die angebliche "Überwindung der Metaphysik", die auch einen Vorwand liefern könnte, Heideggers Antisemitismus zu entsorgen - nur habe Heidegger selbst dazu nicht die geringsten Anstalten gemacht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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