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Rebekka ist in einer Orientierungsphase. Die junge Reiseverkehrsfrau knabbert an der Trennung von Adrian. Dass sie selbst den Anlass dazu gegeben hat, weil sie ihn mit dem Exfreund betrog, will sie gar nicht mehr wissen. Sie leidet. Und sucht Rat in der Gruppe "Männerentzug": lauter Frauen, die vor allem eins lernen wollen - loslassen. Die autoritär-alternative Gruppenleiterin nimmt sie ganz schön ran, zum Glück hat Rebekka einen Freundeskreis, der zu ihr hält. Da ist Freundin Johanna, affärenerfahren, mit großer Klappe. Da ist Freundin Jette, eine heitere, beseelte Frau, die seit Jahren Krebs…mehr

Produktbeschreibung
Rebekka ist in einer Orientierungsphase. Die junge Reiseverkehrsfrau knabbert an der Trennung von Adrian. Dass sie selbst den Anlass dazu gegeben hat, weil sie ihn mit dem Exfreund betrog, will sie gar nicht mehr wissen. Sie leidet. Und sucht Rat in der Gruppe "Männerentzug": lauter Frauen, die vor allem eins lernen wollen - loslassen. Die autoritär-alternative Gruppenleiterin nimmt sie ganz schön ran, zum Glück hat Rebekka einen Freundeskreis, der zu ihr hält. Da ist Freundin Johanna, affärenerfahren, mit großer Klappe. Da ist Freundin Jette, eine heitere, beseelte Frau, die seit Jahren Krebs hat. Jette ist kämpferisch, beinah furchtlos, doch Rebekka hat Angst um sie - und allmählich begreift sie, was Loslassen wirklich heißt.
All den Ernst dieses Romans fasst Kirsten Fuchs in den ihr eigenen, wunderbar humorvollen, manschettenlosen Ton. "Heile, heile" erzählt ebenso witzig wie wahrhaftig von der Suche nach dem Richtigen, von Liebe und Freundschaft - und vom Umgang mit einerschier unbegreiflichen Krankheit. Eine Geschichte über das Erwachsenwerden jenseits der dreißig, eine Lektüre, die von Seite zu Seite intensiver wird, ein Roman, der an die Nieren geht. Und ans Herz.
Autorenporträt
Kirsten Fuchs, 1977 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren, ist vermutlich die bekannteste und beliebteste Autorin der Berliner Lesebühnenszene. 2003 gewann sie den renommierten Literaturwettbewerb Open Mike, 2005 erschien ihr vielgelobter Debütroman «Die Titanic und Herr Berg». Es folgten die Romane «Heile, heile» und der Bestseller «Mädchenmeute», für den sie 2016 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Um leichte Lektüre handelt es sich nach Auffassung von Rezensentin Andrea Lüthi bei diesem Roman über das Leben der Dreißigjährigen von heute. Und das ist nicht unbedingt ein Kompliment. Zwar hat Lüthi passagenweise immer wieder Spaß an diesem Buch, an den ironischen Einsprengseln, witzigen Dialogen und tragikomischen Momenten aus dem Leben der drei Damen im Zentrum der Geschichte: zum Beispiel die Reisebüroangestelle Rebekka, die täglich das Verreisen der Menschen ärgert, weil ja dadurch niemand von sich selber loskomme. Oder die Krebspatientin Jette, der der Roman aus Sicht der Rezensentin noch die meiste Substanz verdankt. Insgesamt aber ist das Buch für ihren Geschmack allzu oberflächlich geraten. Problematisch findet sie auch den nicht immer ganz einleuchtenden Stilmix, in dem diese Frauengeschichte verfasst worden ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2008

Sag einfach "Karl" zu mir
Kirsten Fuchs hockt in der Männerentzugsgruppe

"Heile, heile": So beginnt ein bekanntes Kindertrostlied, und so heißt auch der zweite Roman der Berliner Autorin Kirsten Fuchs, die 2003 den Literaturwettbewerb "Open Mike" gewann. Ihren dreißigjährigen, eher kinderlosen, vom Manne verstoßenen, nach dem Manne aber sehr süchtigen Frauenfiguren geht es sehr schlecht. Doch keiner pflastert ihre Wunden. Auch traditionelle Trostspender wie Religion sind diesen Figuren eher fremd.

Also machen sie sich selbst auf, Trost zu suchen. Gegen moderne Rituale haben sie dabei nichts. Kirsten Fuchs wühlt sich mit der gleichen obsessiven Erzähllust, die man schon aus ihrem gelobten Erstling "Die Titanic und Herr Berg" (2005) kennt, in die Ersatzrituale der Gegenwart ein. Dass diese dann doch nicht viel zur Ich-Bildung taugen, ist traurig genug; sie trotzdem zum Gegenstand der Beschreibung zu machen ein Wagnis.

Ebendas geht Kirsten Fuchs ein. Mit lockerer Hand wirft sie in ihrer knallig-verspielten Sprache die Protagonisten ins Rennen ums Lebensglück und schiebt sie, weil sie Glück nur in Hochglanz-Zeitschriften entdecken, gleich weiter ins passende Therapieangebot eines Berliner Frauenzentrums: Rebekka und Johanna besuchen dort einige Wochen lang die Gruppe "Männerentzug", ein seelisches Hanteltraining für Verlassene, rigide geleitet von einer strengen Feministin, die ihren Kampf gegen das andere Geschlecht mit pseudopsychologischen Tricks führt.

Ihre Abwehr ist denkbar schlicht: Alle Männer heißen Karl, denn das macht sie gleich und unauffällig - ein klarer Vorteil, wenn man nach Karl süchtig ist. "Karl" sollen alle Teilnehmerinnen zu ihren alten Liebhabern sagen, von denen sie so schwer loskommen. Wirklich irritierend ist dabei nicht, wie Kirsten Fuchs von erwachsenen Frauen erzählt, die, um das Loslassen zu üben, Plüschtiere knuddeln und abrupt von sich wegwerfen. Viel irritierender ist wohl die Erkenntnis, dass wir tatsächlich nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass es solche Männerentzugsgruppen gibt.

Kirsten Fuchs, deren Prosa vor allem auf Lesebühnen laut vorgetragen zu sich selbst kommt, traf bereits mit ihrem ersten Roman, der um Liebesfiktionen unter Hartz-IV-Bedingungen kreiste, den Nerv der Zeit. Jetzt umarmt die Dreißigjährige also eine ganze Generation bindungsneurotischer Partygänger, die selbst nicht so recht wissen, wie und wo sie sich im Leben verorten sollen.

Vor allem aber umarmt sie Rebekka, und deren Karl heißt Adrian. Der verließ sie, weil sie mit Ex-Freund Hannes schlief, was sie jetzt aber sehr bereut. Adrian hinterlässt ein großes Vakuum, und es ist ihm zu verdanken, dass es hier zwei Regeln gibt, welche diesem Roman eine etwas eindimensionale Gestalt verleihen. Erstens: Alle Gedanken der Hauptfigur laufen fixpunktartig auf Adrian zu, der (siehe oben) zu einem Einheits-Karl degradiert werden muss, damit Rebekka sich von Karl wieder abstoßen kann. Zweitens: Der Druck, ohne Adrian zu sein, erzeugt enormen Ich-Druck. Rebekka will Locken haben wie Marla, mit Johanna "ein Getränk einnehmen und jammern" oder kreativ sein.

Manchmal ist das unterhaltsam zu lesen, Sprachwitz und Ironie sind dann gerade richtig dosiert. Und damit es nicht zu unterhaltsam, nicht zu naiv wird, ist dem Roman eine dritte, die urwüchsige Lebenskraft bremsende Ebene eingezogen: Rebekkas Freundin Jette hat Krebs. Sie hat auch, was den Fall besonders tragisch macht, ein Kind und einen Mann, ist also die Einzige, die das antiquiert wirkende Modell "Kleinfamilie" ausprobiert.

Patchwork ist auch vertreten - es bildet bezeichnenderweise die Wiege dieser Generation, die nun konturlos reflektierend an den losen Fransen dieser baumarktgleichen Familienwelt baumelt: Frauen, die einst aus der Provinz in die Hauptstadt geflüchtet sind, den Verlust der Kindheit aber offenbar noch nicht überwunden haben. Dem Pubertätsalter scheinen sie, mit über dreißig, gerade erst entronnen. Differenzierte Lösungsstrategien fehlen ihnen jedenfalls. "Rebekka hatte Angst und wollte Angst nicht haben." Das klingt verlockend einfach.

Den täglichen Kampf zwischen Glücksvorstellung und Realität erzählt eine in die zerfurchten Köpfe der Figuren, vornehmlich in Rebekka schlüpfende Stimme, die gnadenlos jeden Gedanken, jede Aktion in beschwingtem, quirlig-alltagsnahem Teenagersound mitprotokolliert. Rebekka, die Reisekauffrau, denkt viel und über alle nach, ist mal fröhlich, mal sauer, mal genervt, immer "irgendwie wegen irgendwas", was auf die Dauer trotz einiger schöner, originell-bildreicher Passagen beim Lesen eine allgemeine Beliebigkeit evoziert, die alle Emotionen dieser Figur zu einem Einheitsbrei verrührt.

Das liegt oft am Zuviel dieser programmatisch expressiven Sprache, die bekräftigend nachfasst und moduliert - und doch dabei statt Deutlichkeit nur Unschärfe erzeugt. Rückt etwa Adrian versehentlich in Rebekkas Reichweite, zeigt sie ihm nicht nur die kalte Schulter, sondern lässt sich vorsorglich gleich "mehrere kalte Schultern wachsen" ("und zeigte ihm alle"); zieht es sie versehentlich zu seiner Wohnung, schämt sich nicht Rebekka selbst, sondern alternativ ihr Fahrrad - dieses fährt mit ihr schnell wieder nach Hause, "um im Keller zu weinen". Wahlweise fährt auch mal die U-Bahn mit Rebekka hinüber zu Adrian ("dem Fahrrad war es zu kalt draußen").

Da will man von Adrian schon gar nichts mehr wissen. Zum Glück ist endlich Spätsommer, der aber kein einfacher, sondern ein "später Spätsommer" sein muss. Die berechtigte Hoffnung, Rebekka sei mit Adrian endlich überm Berg, war dann aber doch zu weit hergeholt: nämlich "vom Jupiter". Denn Rebekka schüttelt immer noch gerne ungläubig ihren Kopf, "bis ihre Gedanken Kuhlen gefunden hatten, um darin wie Murmeln zu ruhen".

Nach mehr als dreihundert Seiten fühlt man sich wie Rebekka vom hemmungslos dahinplätschernden Plauderton "ganz stumpf geredet", jedenfalls kaum angerührt vom Schicksal der Figuren und ihrem Wühlen in Ersatz- und Eigenritualen, was als Thema ja durchaus hätte spannend sein können. Nur einmal noch blickt man vom Bildersturm ermattet, aber freudig auf, als erzählt wird, Rebekka habe zu Schulzeiten eine Gegenstandsbeschreibung über ein Lineal schreiben müssen - bis heute sei sie stolz darauf, weil sie "jede unwichtige Information einfach weggelassen hatte". Kirsten Fuchs selbst, für deren Roman der Verlag ungewöhnlich heftig die Trommel gerührt hat, ist von diesem Schreibideal noch weit entfernt.

ANJA HIRSCH

Kirsten Fuchs: "Heile, heile". Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2008. 316 S., geb., 19,90 [Euro].

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