An die Tür der Vergangenheit klopft Hildegard Bachmann in ihrem neuen Weihnachtsbuch Heilichobend dehaam. Weihnachtliches uff Rhoihessisch öfter mal und erzählt von früher: von Weihnachtsfesten in den ärmlichen Verhältnissen der 50er Jahre, von ihrer Großmutter, die für zehn Kinder Plätzchen backen musste, von den Amerikanern, die für die Draiser Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg einen Hubschrauber landen ließen, aus dem der Nikolaus ausstieg. Aber sie erzählt auch von heute und erweist sich dabei als tiefgläubig und konsumkritisch. Eigentlich möchte sie immer noch das Weihnachtsglück der eigenen Kindheit beschwören, was ihr jetzt, mit drei Enkelkindern, auch wieder gelingt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2008Vier Briketts im Bräter
Meenzer Weihnachtsgeschichten
Es ist ein Vergnügen, das Weihnachtsbuch von Hildegard Bachmann in den Händen einer Sextanerin zu sehen: Wie sich die Zehnjährige müht, die ungewohnten Buchstabenfolgen zu Wörtern und schließlich zu ganzen Sätzen zusammenzubringen, deren Sinn sie aber meist erst dann versteht, wenn sie einen Moment über das Gelesene nachgedacht hat: "On Heilichobend middachs sin se ohgebrote worn." Und dann muss man ja auch noch wissen, was ein "Bräter" ist und warum die als Festtagsschmaus gedachten "Rulade" zu jener Zeit, von der Bachmann in ihrem neuesten Mundartwerk "Heilichobend dehaam" erzählt, nicht im Kühlschrank aufbewahrt wurden - sondern an den damals tatsächlich oft noch kalten Dezembertagen draußen auf der Fensterbank standen. Nur so ist zu verstehen, was es heißt, dass "de Unkel Alwis in em unbeobachtete Aacheblick die Laader ohgestellt hatt, hortich enuffgestiehe is un die Rulade gemopst hot - nit ohne stattdesse vier Briketts in de Bräter zu stecke".
Kurze Geschichten wie diese und einige Weihnachtsgedichte hat die aus der Mainzer Fastnacht bekannte Mundart-Pflegerin auf 80 Seiten zusammengetragen. Doch obwohl sie "gern noch emol on die Dier vun de Vergangenheit kloppe tät", in der Hoffnung, dass - falls diese sich öffne - dann alles "grad widder so soi sollt wie frieher", beschäftigt sich die gläubige und konsumkritische Autorin auch mit dem Weihnachtsfest, so wie es heute üblich ist. Mit ihrem "Heilichobend dehaam" hat sie nicht nur für ihre drei Enkelkinder ein kurzweiliges Vorlesebuch geschaffen, das zum einen für heitere Momente sorgt, zugleich aber auch Grundlage für ernste Gespräche über die Nachkriegsjahre sein kann.
Die Sextanerin jedenfalls hat sich vorgenommen, an "Heilichobend dehaam" ihren Großeltern eine der Geschichten "uff echt meenzerisch" vorzutragen: Sei es nun die vom "Hubschrauber-Nikelos" oder eben doch die Ereignisse rund um die "gemopste Weihnachtsrulade".
MARKUS SCHUG.
Hildegard Bachmann: Heilichobend dehaam. Weihnachtliches uff Rhoihessisch. Leinpfad-Verlag, Ingelheim 2008. 80 Seiten, Hardcover. 9,90 Euro. ISBN 978-3-937782-75-1.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Meenzer Weihnachtsgeschichten
Es ist ein Vergnügen, das Weihnachtsbuch von Hildegard Bachmann in den Händen einer Sextanerin zu sehen: Wie sich die Zehnjährige müht, die ungewohnten Buchstabenfolgen zu Wörtern und schließlich zu ganzen Sätzen zusammenzubringen, deren Sinn sie aber meist erst dann versteht, wenn sie einen Moment über das Gelesene nachgedacht hat: "On Heilichobend middachs sin se ohgebrote worn." Und dann muss man ja auch noch wissen, was ein "Bräter" ist und warum die als Festtagsschmaus gedachten "Rulade" zu jener Zeit, von der Bachmann in ihrem neuesten Mundartwerk "Heilichobend dehaam" erzählt, nicht im Kühlschrank aufbewahrt wurden - sondern an den damals tatsächlich oft noch kalten Dezembertagen draußen auf der Fensterbank standen. Nur so ist zu verstehen, was es heißt, dass "de Unkel Alwis in em unbeobachtete Aacheblick die Laader ohgestellt hatt, hortich enuffgestiehe is un die Rulade gemopst hot - nit ohne stattdesse vier Briketts in de Bräter zu stecke".
Kurze Geschichten wie diese und einige Weihnachtsgedichte hat die aus der Mainzer Fastnacht bekannte Mundart-Pflegerin auf 80 Seiten zusammengetragen. Doch obwohl sie "gern noch emol on die Dier vun de Vergangenheit kloppe tät", in der Hoffnung, dass - falls diese sich öffne - dann alles "grad widder so soi sollt wie frieher", beschäftigt sich die gläubige und konsumkritische Autorin auch mit dem Weihnachtsfest, so wie es heute üblich ist. Mit ihrem "Heilichobend dehaam" hat sie nicht nur für ihre drei Enkelkinder ein kurzweiliges Vorlesebuch geschaffen, das zum einen für heitere Momente sorgt, zugleich aber auch Grundlage für ernste Gespräche über die Nachkriegsjahre sein kann.
Die Sextanerin jedenfalls hat sich vorgenommen, an "Heilichobend dehaam" ihren Großeltern eine der Geschichten "uff echt meenzerisch" vorzutragen: Sei es nun die vom "Hubschrauber-Nikelos" oder eben doch die Ereignisse rund um die "gemopste Weihnachtsrulade".
MARKUS SCHUG.
Hildegard Bachmann: Heilichobend dehaam. Weihnachtliches uff Rhoihessisch. Leinpfad-Verlag, Ingelheim 2008. 80 Seiten, Hardcover. 9,90 Euro. ISBN 978-3-937782-75-1.
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