Die tiefgreifende Umorientierung, die die Epoche der europäischen Aufklärung in Philosophie, Religion und Literatur einleitet, läßt auch die althergebrachte Tradition christlicher Dichtung nicht unberührt. Innerhalb der Literatur der deutschen Aufklärung bildet sich in diesem Zusammenhang die Idee einer "Heiligen Poesie" (F.G. Klopstock) heraus, nach der die christliche Offenbarung mit den Mitteln einer aufgeklärten Sprachkunst auf ganz neue Weise dargestellt werden soll. Die Studie rekonstruiert Theorie und literarische Konkretion dieses Projekts in seinem historischen Kontext, insbesondere im Hinblick auf die philosophische Ästhetik, den deutschen Pietismus und die rationalistische Poetologie.
The upheavals in European philosophy, religion and literature caused by the advent of the Age of Enlightenment did not leave the ancient and venerable tradition of Christian literature unaffected. One offshoot of the encounter was the idea of a form of 'sacred poetry' (F.G. Klopstock) in which Christian Revelation was to be represented in an entirely new way through the agency of the new 'enlightened' poetic diction. The study reconstructs the theory and the literary materializations of this idea in their historical context, with special reference to philosophical aesthetics, German pietism and rationalist poetics.
Die mit der Spätantike beginnende Tradition christlicher Dichtung wird in der europäischen Aufklärung um eine eigentümliche Variante bereichert. Mit dem aufsehenerregenden Erscheinen des Bibel-Epos "Der Messias" (1748) stellt Friedrich Gottlieb Klopstock sein Projekt einer "Heiligen Poesie" vor, die auf eine neue - und literaturgeschichtlich folgenreiche - Weise Dichtung als Offenbarung verstehen will. Die vorliegende Studie rekonstruiert Entstehungsbedingungen, Begriff und Funktion dieses Versuchs, in kritischer Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Poetologie, pietistischer Theologie und rationalistischer Philosophie, Religion und Dichtung noch einmal durch eine hochreflektierte Sprachkunst zu vermitteln. Dabei zeigt sich, daß die aufgeklärte Sensibilität für die Eigenart der poetischen Sprache, die sich in den poetologischen Diskussionen, in der Reflexion der rhetorischen Traditionen, aber auch etwa in dem Interesse an der entstehenden philosophischen Ästhetik Alexander Gottlieb Baumgartens abzeichnet, produktiv gegen die sprach- und kunstkritischen Traditionen christlich-protestantischer Prägung ausgespielt werden kann. Doch führen andererseits die theologischen Implikationen des christlichen Sujets auch an die Grenzen literarischer Darstellbarkeit. Ihre Unvollkommenheit ist den Texten der "Heiligen Poesie" eingeschrieben, so daß in den zeitgenössisch-rationalistischen Darstellungsoptimismus eine Skepsis einzieht, die auf überraschende Weise die "Heilige Poesie" als Vorhut der ästhetischen Moderne erscheinen läßt.
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The upheavals in European philosophy, religion and literature caused by the advent of the Age of Enlightenment did not leave the ancient and venerable tradition of Christian literature unaffected. One offshoot of the encounter was the idea of a form of 'sacred poetry' (F.G. Klopstock) in which Christian Revelation was to be represented in an entirely new way through the agency of the new 'enlightened' poetic diction. The study reconstructs the theory and the literary materializations of this idea in their historical context, with special reference to philosophical aesthetics, German pietism and rationalist poetics.
Die mit der Spätantike beginnende Tradition christlicher Dichtung wird in der europäischen Aufklärung um eine eigentümliche Variante bereichert. Mit dem aufsehenerregenden Erscheinen des Bibel-Epos "Der Messias" (1748) stellt Friedrich Gottlieb Klopstock sein Projekt einer "Heiligen Poesie" vor, die auf eine neue - und literaturgeschichtlich folgenreiche - Weise Dichtung als Offenbarung verstehen will. Die vorliegende Studie rekonstruiert Entstehungsbedingungen, Begriff und Funktion dieses Versuchs, in kritischer Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Poetologie, pietistischer Theologie und rationalistischer Philosophie, Religion und Dichtung noch einmal durch eine hochreflektierte Sprachkunst zu vermitteln. Dabei zeigt sich, daß die aufgeklärte Sensibilität für die Eigenart der poetischen Sprache, die sich in den poetologischen Diskussionen, in der Reflexion der rhetorischen Traditionen, aber auch etwa in dem Interesse an der entstehenden philosophischen Ästhetik Alexander Gottlieb Baumgartens abzeichnet, produktiv gegen die sprach- und kunstkritischen Traditionen christlich-protestantischer Prägung ausgespielt werden kann. Doch führen andererseits die theologischen Implikationen des christlichen Sujets auch an die Grenzen literarischer Darstellbarkeit. Ihre Unvollkommenheit ist den Texten der "Heiligen Poesie" eingeschrieben, so daß in den zeitgenössisch-rationalistischen Darstellungsoptimismus eine Skepsis einzieht, die auf überraschende Weise die "Heilige Poesie" als Vorhut der ästhetischen Moderne erscheinen läßt.
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