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Griechenlands Dorfidylle und ein unorthodoxes Verbrechen
Sommer 1940, irgendwo in Arkadien. Ein ganzes Dorf erhebt sich und lyncht seinen berühmtesten Einwohner, den Asketen und Wundertäter Jannis Orphanos. Die fanatische Verehrung der Dorfbewohner hatte den Mann einst über Nacht zum religiösen Star gemacht. Nebenbei war das Dorf zu einer reichen und angesehenen Pilgerstätte avanciert. Doch plötzlich droht Orphanos aus seiner Rolle zu fallen und schlagartig kehrt sich die Verehrung in brutalen Hass um. Mit dem Tode ringend beichtet Orphanos dem achtzehnjährigen Stathis die wahre Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Griechenlands Dorfidylle und ein unorthodoxes Verbrechen

Sommer 1940, irgendwo in Arkadien. Ein ganzes Dorf erhebt sich und lyncht seinen berühmtesten Einwohner, den Asketen und Wundertäter Jannis Orphanos. Die fanatische Verehrung der Dorfbewohner hatte den Mann einst über Nacht zum religiösen Star gemacht. Nebenbei war das Dorf zu einer reichen und angesehenen Pilgerstätte avanciert. Doch plötzlich droht Orphanos aus seiner Rolle zu fallen und schlagartig kehrt sich die Verehrung in brutalen Hass um. Mit dem Tode ringend beichtet Orphanos dem achtzehnjährigen Stathis die wahre Geschichte seines Lebens. Die Last dieser Beichte bringt den jungen Mann schließlich selbst ins Kreuzfeuer der Angriffe. Als Orphanos sechzig Jahre später als Märtyrer heilig gesprochen werden soll, beschließt Stathis, sein Schweigen zu brechen.Eine packende Allegorie auf den modernen Starkult.
Autorenporträt
Nikos Panajotopoulos, geboren 1963 in Athen, Studium der Ingenieurwissenschaften, Arbeit als Journalist für Presse und Fernsehen und Drehbuchautor. Auch Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2006

Wunder gibt es immer wieder
Im Roman von Nikos Panajotopoulos kommt das Heilige mit Gewalt

Die Heiligsprechung des Wundermönchs Ioannis Orphanos ist sechs Jahrzehnte nach dessen Tod glücklich über die Bühne gegangen, da erhält der verantwortliche griechisch-orthodoxe Bischof einen anonymen Brief: Ein "Kämpfer" kündigt an, die von der Kirche unterschlagenen Aufzeichnungen des Mannes zu veröffentlichen, der allgemein für den Mörder von Orphanos gehalten wird.

Dies ist kein Auftakt zu einer mediterranen Variante eines Father-Brown-Krimis, sondern der Beginn von "Heiligmacher", dem zweiten Roman des griechischen Autors Nikos Panajotopoulos, der auf der dritten Seite leider schon den Scheitelpunkt seines Spannungsbogens überschritten hat. Was folgt, ist ein unentschiedenes Buch, das zwischen Satire und Folklore schwankt und dank einer geschwätzigen Erzählerfigur oft auf der Stelle tritt. Die Konsequenzen, die der Bischof aus der prominent an erster Stelle aufgebauten Drohkulisse zieht, sind am Ende nicht einmal einer Mitteilung wert, so daß man diese Rahmenhandlung getrost ignorieren kann, ebenso wie die gewundenen Anspielungen des Briefs auf Vorgänge unter kommunistischen Partisanen. Sie sind unwesentlich für den Rest des Romans - die Lebensbeichte des Mönchs Ioannis Orphanos, festgehalten in den sechzig Jahre alten Notizen seines vermeintlichen Mörders Stathis Antoniou.

In Form einer knappen, mit leichter Hand ironisch gebrochenen Legende wäre man der Erzählung vom auserwählten wundertätigen Waisenkind bis zu dessen unschönem Ende als alter Mann zu Füßen eines ländlichen Lynchmobs wohl gern gefolgt. Die Schilderungen der Seelenlage des einsamen jungen Ioannis sind die gelungensten Passagen. Zunächst intuitiv und verwirrt die Erwartungen seiner Entdecker erfüllend, nach und nach verstehend und kooperierend, wächst er in eine Lebenslüge hinein, die Zufälle, Gerüchte und Wunschdenken seiner Umwelt unumstößlich machen. Als er in hohem Alter genug hat, reagieren die Einwohner von Thermos erbarmungslos.

Unglücklicherweise wirft Nikos Panajotopoulos ein knarzendes Erzählräderwerk an und schiebt den im Alter ebenfalls beichtbeflissenen Stathis vor die eigentliche Geschichte. Dieser hat seine alten Aufzeichnungen mit Kommentaren für den Bischof versehen, reflektiert ausführlich die eigene Rolle als unzuverlässiger Erzähler - was als literarischer Kunstgriff abgestanden und für den Erzählfluß tödlich ist - und kommt dem "Heiligen Väterchen" wiederholt betont schlitzohrig mit der Relativität der Wahrheit: "Eine Geschichte erzählen heißt, Lügen zu verbreiten."

Praktischerweise eignet sich diese Haltung gut, um Einwänden nicht nur des Bischofs, sondern auch gegen die Gesamtkonstruktion der Geschichte vorzubeugen - wie etwa jener, daß der in den letzten Zügen liegende Orphanos eigentlich wenig Kraft und Sinn für die Schilderung ländlicher Stimmungsbilder und von zahllosen Namen schwirrender Klatschgeschichten gehabt haben könne, die alle ihren Weg in die Aufzeichnungen des Stathis fanden.

Die Pointe ist ein potentieller Skandal: Die Einwohner von Thermos sollen den Knaben Orphanos als "Wundermönch" aufgebaut und über Jahrzehnte aus rein merkantilen Gründen erhalten haben, ohne je an ihn geglaubt zu haben. Angesichts der buchstäblich bis aufs Blut zerstrittenen Dorfgemeinschaft fragt man sich allerdings, wie sie die erforderliche Voraussicht und organisierte Verlogenheit für diese großformatige Fälschung aufbringen konnte. Ihre Einmütigkeit wirkt allzu glatt - ein griechisches Dorf, in dem kein einziges altes Mütterchen doch vom Wundertäter überzeugt ist und für ihn in die Bresche springt, ist nicht einmal als Satire glaubwürdig.

ANNETTE ZERPNER

Nikos Panajotopoulos: "Heiligmacher". Roman. Aus dem Griechischen übersetzt von Birgit Hildebrand. Verlag Reclam, Leipzig 2005. 287 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieses Buch, gibt Annette Zerpner enttäuscht zu Protokoll, ist keine mediterrane Variante eines Vater-Brown-Krimis, nein. Der Rezensentin zufolge verschießt dieser zweite Roman von Nikos Panajotopoulos nicht nur bereits auf Seite drei sein gesamtes Pulver und befindet sich auf dem Spannungsbogen eigentlich ständig auf Talfahrt, er kann sich auch nicht entscheiden: Ist die Geschichte vom falschen Heiligen nun Satire oder Folklore? Zerpner ist allerdings dermaßen bedient von der misslungenen Dramaturgie, einer geschwätzigen Erzählerfigur und der Unwesentlichkeit der Ereignisse (die Schilderungen der Seelenlage des Helden hält sie für die gelungensten Passagen), dass es ihr fast gleichgültig erscheint: Ach, hätte der Autor sein "knarzendes Erzählräderwerk" doch erst gar nicht angeworfen! Als knappe, mit leichter Hand ironisch gebrochene Legende kann sich Zerpner den Text nämlich durchaus vorstellen.

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