Von Pflanzen, Pulvern und bunten Pillen: Die Geschichte der Medizin unterhaltsam erzählt
Eine Impfung bewahrt vor den schlimmsten Krankheiten, Antibiotika retten Leben und Tabletten sind aus unseren Medizinschränken kaum noch wegzudenken. Aber jede Arznei hat ihre Geschichte, und so manches gefeierte Präparat landete später als gefährliche Droge auf dem Müllhaufen der Medizinhistorie. Mit detektivischer Passion deckt Thomas Hager die spannenden Hintergründe der zehn wichtigsten Wirkstoffe auf und beschreibt, wie ihre Entdeckung die Geschichte der Pharmazie und unserer Gesellschaft prägte. Medizinische »Greatest Hits« wie Penicillin und Aspirin lässt er dabei bewusst außen vor und widmet sich neben K.O.-Tropfen und Opium auch unbekannteren Vertretern. Von allen erzählt er mit wissenschaftlicher Akribie und großem Unterhaltungswert.
- Unterhaltsames Sachbuch, fesselnd, informativ und verständlich geschrieben
- Die unglaublichen Biografien der zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt: u. a. mit Chloroform, Heroin, Viagra und der Anti-Baby-Pille
- Von Kräuterhexen zur modernen Medizin und »Big Pharma«: Die Entwicklung der Pharmaindustrie früher, heute und in Zukunft
Die Meilensteine der Medizin und der lange Weg zum wirksamen Arzneimittel
Die Dosis macht das Gift - was heute jedem informierten Laien bewusst ist, mussten Chemiker und Pharmazeuten in den frühen Jahren der Medizingeschichte erst herausfinden. So gingen in der Medikamentenentwicklung Wundermittel nicht selten mit den verheerendsten Nebenwirkungen einher. Andere Medikamente entstanden als ungeplantes Nebenprodukt und gelangten nur durch glückliche Zufälle ins Apothekenregal. Erfahren Sie alles über die hustenstillende Wirkung von Heroin, die fast vergessene Pionierin, die Pockennarben aus unserem Alltag verbannte, und darüber, was rosa Mäuse mit Antibiotikum zu tun haben!
Eine Impfung bewahrt vor den schlimmsten Krankheiten, Antibiotika retten Leben und Tabletten sind aus unseren Medizinschränken kaum noch wegzudenken. Aber jede Arznei hat ihre Geschichte, und so manches gefeierte Präparat landete später als gefährliche Droge auf dem Müllhaufen der Medizinhistorie. Mit detektivischer Passion deckt Thomas Hager die spannenden Hintergründe der zehn wichtigsten Wirkstoffe auf und beschreibt, wie ihre Entdeckung die Geschichte der Pharmazie und unserer Gesellschaft prägte. Medizinische »Greatest Hits« wie Penicillin und Aspirin lässt er dabei bewusst außen vor und widmet sich neben K.O.-Tropfen und Opium auch unbekannteren Vertretern. Von allen erzählt er mit wissenschaftlicher Akribie und großem Unterhaltungswert.
- Unterhaltsames Sachbuch, fesselnd, informativ und verständlich geschrieben
- Die unglaublichen Biografien der zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt: u. a. mit Chloroform, Heroin, Viagra und der Anti-Baby-Pille
- Von Kräuterhexen zur modernen Medizin und »Big Pharma«: Die Entwicklung der Pharmaindustrie früher, heute und in Zukunft
Die Meilensteine der Medizin und der lange Weg zum wirksamen Arzneimittel
Die Dosis macht das Gift - was heute jedem informierten Laien bewusst ist, mussten Chemiker und Pharmazeuten in den frühen Jahren der Medizingeschichte erst herausfinden. So gingen in der Medikamentenentwicklung Wundermittel nicht selten mit den verheerendsten Nebenwirkungen einher. Andere Medikamente entstanden als ungeplantes Nebenprodukt und gelangten nur durch glückliche Zufälle ins Apothekenregal. Erfahren Sie alles über die hustenstillende Wirkung von Heroin, die fast vergessene Pionierin, die Pockennarben aus unserem Alltag verbannte, und darüber, was rosa Mäuse mit Antibiotikum zu tun haben!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.06.2020Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Fortschrittsgläubig: Der Wissenschaftsjournalist Thomas Hager meint von der Zukunft der Arzneimittel nur Gutes berichten zu können
Für die Wirkung von Drogen kommt es, neben der Dosierung, auf das Setting an. Die Erwartungshaltung ist genauso wichtig wie die Umgebung, in der man das Präparat zu sich nimmt. Das trifft auch auf Bücher zu. Ist man auf der Suche nach unterhaltsamer Belehrung und greift zur Abhandlung des amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Thomas Hager, wird man schwer vermeiden können, auf einen "bad trip" zu geraten. Die Auswahl der Substanzen, die einseitige Recherche und die inhaltlichen Fehler erzeugen von den ersten Seiten an Frustration.
Doch wenn man das Setting ändert und das Buch als Dokument betrachtet, dem man die Durchschnittsmeinung der amerikanischen Gegenwartskultur über Arzneimittel entnehmen kann, liegt der Fall anders. Man liest nun genau dieselben Seiten, die einen zuvor ermüdet haben, mit wachsendem Vergnügen. Sogar den Irrtümern kann man dann eine instruktive Seite abgewinnen, weil sich an ihnen die amerikanische Fortschrittserzählung ablesen lässt. So glaubt der Autor, dass in der ganzen Welt "Jahr für Jahr die durchschnittliche Lebenserwartung um vier Monate verlängert" werde, und zwar "in erster Linie durch Medikamente".
Diese frohe Vision ist ein in den Vereinigten Staaten so weit verbreiteter Irrglaube, dass er schon Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen wurde. Tatsächlich verdankt sich die zwischen 1900 und 1999 um dreißig Jahre gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung in Amerika vor allem konsequenter Aufklärung und Maßnahmen der Umwelthygiene - etwa Verbesserung der Wasser- und Luftqualität, aber auch der Ernährungssicherheit. Lediglich fünf Jahre der höheren Lebenserwartung werden auf die kurative Medizin zurückgeführt, von der wiederum Medikamente nur ein kleiner Teil sind. Darüber hinaus ist die Steigerung der Lebenserwartung kein universelles Naturgesetz, wie der Autor zu glauben scheint. Insbesondere in den Vereinigten Staaten geht sie seit einigen Jahren zurück.
Die Auswahl der "zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt", von denen im deutschen Untertitel des Buchs die Rede ist, wird vor allem interessant, wenn man sie als Ausdruck der amerikanischen Hierarchie von Arzneimitteln sieht. Denn gleich drei Kapitel handeln von starken Schmerzmitteln wie Opium, Morphin und Heroin sowie den entsprechenden Ersatzstoffen. Während der Autor durchblicken lässt, dass der in den Vereinigten Staaten seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts geführte "War on Drugs" kaum erfolgreich gewesen sei, geht er auf den evidenten Zusammenhang zwischen Medikamentenmissbrauch, Gesundheitssystem und sozialer Ausgrenzung nicht ein.
Neben Schmerzmitteln widmet er sich der Antibabypille, Viagra, K.-o.-Tropfen (Chloralhydrat) sowie Antibiotika und Impfstoffen. Fast alle diskutierten Arzneimittel sind von europäischen oder amerikanischen Forschern entdeckt worden. Dagegen ignoriert Hager die zahlreichen Substanzen, deren Kenntnis wir den indigenen Völkern Amerikas verdanken: als wären das Malaria-Medikament Chinin und die aus dem Curare gewonnenen Muskelrelaxantien, die jahrzehntelang bei nahezu allen Operationen genutzt wurden, medizinisch weniger wichtig als die vom Autor ausführlich diskutierten Statine, welche von Menschen in reichen Industrienationen mitunter prophylaktisch eingenommen werden, um das Herzinfarktrisiko zu senken. Hager unterschlägt bei seiner Auswahl, dass für mindestens vier Milliarden Menschen auch heute noch die wichtigsten und oft einzig verfügbaren Arzneimittel pflanzliche Präparate sind.
Körperliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln kennt der Autor und warnt vor ihnen, doch nach ökologischen Nebenwirkungen sucht man in dem Werk vergeblich. Dabei kann zum Beispiel das indische Geiersterben auf den auch bei Nutztieren vielfach eingesetzten Wirkstoff Diclofenac zurückgeführt werden, den die Vögel mit den ausgeweideten Kadavern aufnehmen und der für sie schon in geringster Menge tödlich ist. Auch der Einsatz von Medikamenten in der Tierzucht, von seltenen Erden wie Gadolinium über Schmerzmittel bis hin zu Antibiotika, die sich im Grundwasser wiederfinden und zur Entstehung multiresistenter Keime beitragen, wird nicht thematisiert, da es nicht in die Fortschritterzählung passt.
Die Zukunft der Arzneimittel sieht der Autor in noch mehr Hightech; als könnten Medikamente ohne funktionierendes, sozial gerechtes Gesundheitssystem und eine verantwortungsvolle Lebensführung irgendwie rein technisch zu einem längeren Leben beitragen. Besonders im Corona-Jahr wirkt der Optimismus unfreiwillig komisch, denn Hager schließt mit den Worten: "Kurz gesagt: Uns steht Großes bevor." Damit wären wir bei der Dosis, die neben dem Setting für die Wirkung eines Arzneimittels entscheidend ist: Als Sachbuch-Apotheker müsste man empfehlen, dieses Werk in kleinen Portionen zu genießen.
JENS SOENTGEN.
Thomas Hager: "Heilmittel, Partydroge, Teufelszeug". Die unglaublichen Karrieren der zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt.
Aus dem Englischen von Annika Tschöpe.
Ecowin Verlag, Salzburg 2020. 368 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fortschrittsgläubig: Der Wissenschaftsjournalist Thomas Hager meint von der Zukunft der Arzneimittel nur Gutes berichten zu können
Für die Wirkung von Drogen kommt es, neben der Dosierung, auf das Setting an. Die Erwartungshaltung ist genauso wichtig wie die Umgebung, in der man das Präparat zu sich nimmt. Das trifft auch auf Bücher zu. Ist man auf der Suche nach unterhaltsamer Belehrung und greift zur Abhandlung des amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Thomas Hager, wird man schwer vermeiden können, auf einen "bad trip" zu geraten. Die Auswahl der Substanzen, die einseitige Recherche und die inhaltlichen Fehler erzeugen von den ersten Seiten an Frustration.
Doch wenn man das Setting ändert und das Buch als Dokument betrachtet, dem man die Durchschnittsmeinung der amerikanischen Gegenwartskultur über Arzneimittel entnehmen kann, liegt der Fall anders. Man liest nun genau dieselben Seiten, die einen zuvor ermüdet haben, mit wachsendem Vergnügen. Sogar den Irrtümern kann man dann eine instruktive Seite abgewinnen, weil sich an ihnen die amerikanische Fortschrittserzählung ablesen lässt. So glaubt der Autor, dass in der ganzen Welt "Jahr für Jahr die durchschnittliche Lebenserwartung um vier Monate verlängert" werde, und zwar "in erster Linie durch Medikamente".
Diese frohe Vision ist ein in den Vereinigten Staaten so weit verbreiteter Irrglaube, dass er schon Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen wurde. Tatsächlich verdankt sich die zwischen 1900 und 1999 um dreißig Jahre gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung in Amerika vor allem konsequenter Aufklärung und Maßnahmen der Umwelthygiene - etwa Verbesserung der Wasser- und Luftqualität, aber auch der Ernährungssicherheit. Lediglich fünf Jahre der höheren Lebenserwartung werden auf die kurative Medizin zurückgeführt, von der wiederum Medikamente nur ein kleiner Teil sind. Darüber hinaus ist die Steigerung der Lebenserwartung kein universelles Naturgesetz, wie der Autor zu glauben scheint. Insbesondere in den Vereinigten Staaten geht sie seit einigen Jahren zurück.
Die Auswahl der "zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt", von denen im deutschen Untertitel des Buchs die Rede ist, wird vor allem interessant, wenn man sie als Ausdruck der amerikanischen Hierarchie von Arzneimitteln sieht. Denn gleich drei Kapitel handeln von starken Schmerzmitteln wie Opium, Morphin und Heroin sowie den entsprechenden Ersatzstoffen. Während der Autor durchblicken lässt, dass der in den Vereinigten Staaten seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts geführte "War on Drugs" kaum erfolgreich gewesen sei, geht er auf den evidenten Zusammenhang zwischen Medikamentenmissbrauch, Gesundheitssystem und sozialer Ausgrenzung nicht ein.
Neben Schmerzmitteln widmet er sich der Antibabypille, Viagra, K.-o.-Tropfen (Chloralhydrat) sowie Antibiotika und Impfstoffen. Fast alle diskutierten Arzneimittel sind von europäischen oder amerikanischen Forschern entdeckt worden. Dagegen ignoriert Hager die zahlreichen Substanzen, deren Kenntnis wir den indigenen Völkern Amerikas verdanken: als wären das Malaria-Medikament Chinin und die aus dem Curare gewonnenen Muskelrelaxantien, die jahrzehntelang bei nahezu allen Operationen genutzt wurden, medizinisch weniger wichtig als die vom Autor ausführlich diskutierten Statine, welche von Menschen in reichen Industrienationen mitunter prophylaktisch eingenommen werden, um das Herzinfarktrisiko zu senken. Hager unterschlägt bei seiner Auswahl, dass für mindestens vier Milliarden Menschen auch heute noch die wichtigsten und oft einzig verfügbaren Arzneimittel pflanzliche Präparate sind.
Körperliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln kennt der Autor und warnt vor ihnen, doch nach ökologischen Nebenwirkungen sucht man in dem Werk vergeblich. Dabei kann zum Beispiel das indische Geiersterben auf den auch bei Nutztieren vielfach eingesetzten Wirkstoff Diclofenac zurückgeführt werden, den die Vögel mit den ausgeweideten Kadavern aufnehmen und der für sie schon in geringster Menge tödlich ist. Auch der Einsatz von Medikamenten in der Tierzucht, von seltenen Erden wie Gadolinium über Schmerzmittel bis hin zu Antibiotika, die sich im Grundwasser wiederfinden und zur Entstehung multiresistenter Keime beitragen, wird nicht thematisiert, da es nicht in die Fortschritterzählung passt.
Die Zukunft der Arzneimittel sieht der Autor in noch mehr Hightech; als könnten Medikamente ohne funktionierendes, sozial gerechtes Gesundheitssystem und eine verantwortungsvolle Lebensführung irgendwie rein technisch zu einem längeren Leben beitragen. Besonders im Corona-Jahr wirkt der Optimismus unfreiwillig komisch, denn Hager schließt mit den Worten: "Kurz gesagt: Uns steht Großes bevor." Damit wären wir bei der Dosis, die neben dem Setting für die Wirkung eines Arzneimittels entscheidend ist: Als Sachbuch-Apotheker müsste man empfehlen, dieses Werk in kleinen Portionen zu genießen.
JENS SOENTGEN.
Thomas Hager: "Heilmittel, Partydroge, Teufelszeug". Die unglaublichen Karrieren der zehn wichtigsten Wirkstoffe der Welt.
Aus dem Englischen von Annika Tschöpe.
Ecowin Verlag, Salzburg 2020. 368 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main