Heilsgeschichte im christlichen Sinne ist ein mehrdeutiger Begriff. Er bezeichnet die Ereignisse zwischen Schöpfung und Erlösung und meint zugleich das Sprechen über dieses Geschehen, das einerseits in der Bibel verbindlich niedergelegt ist, andererseits in Kommentar und Exegese bearbeitet wird und in heilsgeschichtlichen Erzählungen narrative Erweiterung erfährt. Diese zentralen Formen der Bezugnahme auf den Bibeltext haben immer auch eine prekäre Seite, insofern mit ihnen das Problem des adäquaten Umgangs mit dem kanonischen Wortlaut verbunden ist. Aber auch der Kanon selbst bleibt in seiner Unveränderlichkeit und der Entfernung vom Ereignis, das er vermittelt, Gegenstand der Reflexion. In der vorliegenden Untersuchung geht es um dieses Spannungsfeld zwischen dem Tabu einer Veränderung des biblischen Wortlauts, der Notwendigkeit seiner Aktualisierung und dem Problem seiner Medialität. Wie Texte, welche die Heilsgeschichte aufgreifen, sich hinsichtlich der kontroversen Forderungen situieren, wird am Beispiel von Augustinus' Genesisauslegung, Hugos von St. Viktor Archentraktat und zwei Bibeldichtungen des hohen Mittelalters gezeigt. Zentral ist die Beobachtung, dass Exegese und Poetik im Austragen der Spannungen keine Gegensätze bilden. Zwar scheint auf den ersten Blick im Falle der Bibelauslegung ein kommentierend-bewahrender Gestus zu dominieren und für die Bibeldichtung ein ergänzender Zugriff auf den Kanon charakteristisch zu sein, doch zeigt die Analyse textueller Strategien im Einzelnen, dass eines mit dem anderen in vielfachen Austauschbeziehungen steht, so dass sich schliesslich die Engführung von Poetik und Exegese als Grundprinzip des Umgangs der Texte mit dem Heilsgeschichtlichen begreifen lässt.
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