Gerhard Bott: Heilübung und Amüsement - Das Wilhelmsbad des Erbprinzen Hanau besitzt mit Wilhelmsbad eine der am besten erhaltenen Kuranlagen des 18. Jahrhunderts im Originalzustand. Gerhard Bott Stellt in diesem prächtigen Bildband die Baugeschichte des Bades vor und bescheibt den Besuch der Gäste und den Kurbetrieb.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2008Zuflucht für den Prinzen und Vergnügen für den Adel
Bildband über den Erbauer von Wilhelmsbad / Baugeschichte des Bades
HANAU. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und auch nicht jede Heilquelle wird zu dem Gesundbrunnen, für den sie anfänglich gehalten wird. Das gilt beispielsweise für die Quelle in Wilhelmsbad, den sogenannten Guten Brunnen, dessen Heilkraft unbestätigt blieb und dessen Wasser nur für einige Jahre sprudelte. Dennoch war es für die Hanauer bis in unsere Tage eine geniale Idee des Erbprinzen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, die Jahrzehnte zuvor von zwei Kräuterweibern entdeckte Quelle in einem Steinbruch nordwestlich von Hanau zum Dreh- und Angelpunkt einer Kur- und Badeanlage zu machen.
Die Lust des jungen Wilhelm an der Architektur und dem feudalen gesellschaftlichen Leben hat der ehemalige Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg und Hanau-Kenner Gerhard Bott eingängig in seinem großformatigen Bildband "Heilübung und Amüsement - Das Wilhelmsbad des Erbprinzen" beleuchtet und anschaulich mit der Darstellung der Baugeschichte der bis heute fast im Originalzustand bewahrten Kuranlage verknüpft. Wilhelmsbad war von Anfang an eine ganz besondere Einrichtung in den damaligen deutschen Landen. Der nach englischem Vorbild gestaltete Landschaftspark war offen gestaltet und somit sowohl Kurort als auch Volkspark. Neu war auch, so Bott, dass sich im Jahr 1779 ein fürstlicher Herrscher in einem Landschaftsgarten im Wald eine künstliche Burgruine als romantischen Fluchtort vor dem Zeremoniell städtischer Residenzen schuf. Wilhelm glaubte, dort nicht nur vom höfischen Geschehen fern zu sein, sondern er wollte zusammen und inmitten des Volkes leben. "Hier genoss ich denn zum ersten Mal die Annehmlichkeit des Lebens, das einem Fürsten so selten beschiedene Glück, welches man bei Hofe nicht findet. Nicht in den Schlössern, wo der Herrscher von Günstlingen umlauert, von Höflingen bespitzelt wird, findet der bedrückte Bauer, der geplagte Untertan Zuflucht, sondern inmitten des Waldes, wo ich ganz allein, ohne Minister, ohne Günstlinge weilte, um die Klagen eines jeden selbst anzuhören und die Dinge mit eigenen Augen zu sehen", zitiert Bott aus Wilhelms Lebenserinnerungen.
Freilich verbrämte Wilhelm dabei den Umgang mit seinen Untertanen in romantischer Weise. Das sollte sich nicht nur in seiner Härte bei den Freiheitsbestrebungen der Teilnehmer des historischen Wilhelmsbader Festes zeigen, das war auch schon bei der Finanzierung des Bades deutlich geworden.
Bott bezeichnet Wilhelm als "Militärunternehmer", der von 1775 an vom Soldatenhandel profitierte. Am 19. August dieses Jahres hatte er an seinen Vetter, den König Georg III. von England, geschrieben und ihm ein Regiment von 500 hessischen Soldaten als Hilfstruppe zur Miete angeboten. Dieses erste Hanauer Kontingent, ein Artilleriekorps und sechs Jägerkorps, kämpfte dann im nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Rund 4,5 Millionen Gulden nahm die hessische Kasse ein, doch die meisten der 2500 Soldaten kehrten nie in die Heimat zurück. Für den Erbprinzen rechnete sich die Investition in die Kuranlage. Schon in der ersten Saison war der Andrang der Badegäste so stark, dass der Platz kaum ausreichte, wie er in seinen Erinnerungen festhielt. Viele waren nicht nur wegen des Guten Brunnens gekommen, sondern vor allem um des gesellschaftlichen Ereignisses willen. Das Gondelfahren auf dem gestauten Teich mit seiner Inselpyramide, die Fahrten im Karussell von 1781 an, der Besuch der im Wald gelegenen Eremitage, der Umgang mit den verschiedensten Geräten im Park, das Flanieren entlang der Boutiquen an der Promenade oder der Kulturgenuss im Comoedienhaus lockten ebenso sehr nach Wilhelmsbad wie das Badevergnügen.
Die zunächst nur aus einem Badehaus bestehende Anlage wurde in den Jahren nach der Eröffnung immer wieder erweitert. Die Abbildungen zeitgenössischer Stiche und Pläne aus der Sammlung Potsdam, zum Teil erstmals veröffentlicht, dokumentieren in dem Band diese Entwicklung Schritt für Schritt. Ein Ende nahm sie, als der Erbprinz 1785 als Landesherr nach Kassel abberufen wurde. Dort ließ er Schloss und Bergpark Wilhelmshöhe errichten. Zwar kehrte er gelegentlich noch in sein Hanauer Heilbad zurück, doch verlor dies allmählich an Bedeutung. So kam es, dass die Anlagen später kaum noch verändert wurden und - abgesehen von Erhaltungsmaßnahmen wie derzeit in großem Stil im Arkadenbau und am Karussell - ihr originales Aussehen bis heute bewahren konnten.
LUISE GLASER-LOTZ
Der Bildband "Heilübung und Amüsement - Das Wilhelmsbad des Erbprinzen" von Gerhard Bott ist im Cocon-Verlag Hanau erschienen. Er kostet 29,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bildband über den Erbauer von Wilhelmsbad / Baugeschichte des Bades
HANAU. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und auch nicht jede Heilquelle wird zu dem Gesundbrunnen, für den sie anfänglich gehalten wird. Das gilt beispielsweise für die Quelle in Wilhelmsbad, den sogenannten Guten Brunnen, dessen Heilkraft unbestätigt blieb und dessen Wasser nur für einige Jahre sprudelte. Dennoch war es für die Hanauer bis in unsere Tage eine geniale Idee des Erbprinzen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, die Jahrzehnte zuvor von zwei Kräuterweibern entdeckte Quelle in einem Steinbruch nordwestlich von Hanau zum Dreh- und Angelpunkt einer Kur- und Badeanlage zu machen.
Die Lust des jungen Wilhelm an der Architektur und dem feudalen gesellschaftlichen Leben hat der ehemalige Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg und Hanau-Kenner Gerhard Bott eingängig in seinem großformatigen Bildband "Heilübung und Amüsement - Das Wilhelmsbad des Erbprinzen" beleuchtet und anschaulich mit der Darstellung der Baugeschichte der bis heute fast im Originalzustand bewahrten Kuranlage verknüpft. Wilhelmsbad war von Anfang an eine ganz besondere Einrichtung in den damaligen deutschen Landen. Der nach englischem Vorbild gestaltete Landschaftspark war offen gestaltet und somit sowohl Kurort als auch Volkspark. Neu war auch, so Bott, dass sich im Jahr 1779 ein fürstlicher Herrscher in einem Landschaftsgarten im Wald eine künstliche Burgruine als romantischen Fluchtort vor dem Zeremoniell städtischer Residenzen schuf. Wilhelm glaubte, dort nicht nur vom höfischen Geschehen fern zu sein, sondern er wollte zusammen und inmitten des Volkes leben. "Hier genoss ich denn zum ersten Mal die Annehmlichkeit des Lebens, das einem Fürsten so selten beschiedene Glück, welches man bei Hofe nicht findet. Nicht in den Schlössern, wo der Herrscher von Günstlingen umlauert, von Höflingen bespitzelt wird, findet der bedrückte Bauer, der geplagte Untertan Zuflucht, sondern inmitten des Waldes, wo ich ganz allein, ohne Minister, ohne Günstlinge weilte, um die Klagen eines jeden selbst anzuhören und die Dinge mit eigenen Augen zu sehen", zitiert Bott aus Wilhelms Lebenserinnerungen.
Freilich verbrämte Wilhelm dabei den Umgang mit seinen Untertanen in romantischer Weise. Das sollte sich nicht nur in seiner Härte bei den Freiheitsbestrebungen der Teilnehmer des historischen Wilhelmsbader Festes zeigen, das war auch schon bei der Finanzierung des Bades deutlich geworden.
Bott bezeichnet Wilhelm als "Militärunternehmer", der von 1775 an vom Soldatenhandel profitierte. Am 19. August dieses Jahres hatte er an seinen Vetter, den König Georg III. von England, geschrieben und ihm ein Regiment von 500 hessischen Soldaten als Hilfstruppe zur Miete angeboten. Dieses erste Hanauer Kontingent, ein Artilleriekorps und sechs Jägerkorps, kämpfte dann im nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Rund 4,5 Millionen Gulden nahm die hessische Kasse ein, doch die meisten der 2500 Soldaten kehrten nie in die Heimat zurück. Für den Erbprinzen rechnete sich die Investition in die Kuranlage. Schon in der ersten Saison war der Andrang der Badegäste so stark, dass der Platz kaum ausreichte, wie er in seinen Erinnerungen festhielt. Viele waren nicht nur wegen des Guten Brunnens gekommen, sondern vor allem um des gesellschaftlichen Ereignisses willen. Das Gondelfahren auf dem gestauten Teich mit seiner Inselpyramide, die Fahrten im Karussell von 1781 an, der Besuch der im Wald gelegenen Eremitage, der Umgang mit den verschiedensten Geräten im Park, das Flanieren entlang der Boutiquen an der Promenade oder der Kulturgenuss im Comoedienhaus lockten ebenso sehr nach Wilhelmsbad wie das Badevergnügen.
Die zunächst nur aus einem Badehaus bestehende Anlage wurde in den Jahren nach der Eröffnung immer wieder erweitert. Die Abbildungen zeitgenössischer Stiche und Pläne aus der Sammlung Potsdam, zum Teil erstmals veröffentlicht, dokumentieren in dem Band diese Entwicklung Schritt für Schritt. Ein Ende nahm sie, als der Erbprinz 1785 als Landesherr nach Kassel abberufen wurde. Dort ließ er Schloss und Bergpark Wilhelmshöhe errichten. Zwar kehrte er gelegentlich noch in sein Hanauer Heilbad zurück, doch verlor dies allmählich an Bedeutung. So kam es, dass die Anlagen später kaum noch verändert wurden und - abgesehen von Erhaltungsmaßnahmen wie derzeit in großem Stil im Arkadenbau und am Karussell - ihr originales Aussehen bis heute bewahren konnten.
LUISE GLASER-LOTZ
Der Bildband "Heilübung und Amüsement - Das Wilhelmsbad des Erbprinzen" von Gerhard Bott ist im Cocon-Verlag Hanau erschienen. Er kostet 29,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main