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Ein dubioses Spa, ein entkräfteter Mann und die Frage, was es heute bedeutet, glücklich zu sein Ein Mann kann nicht mehr schlafen. Mit den Kräften am Ende, fürchtet er, alles zu verlieren: seine Ehe, seinen Status, das Leben. Seine Frau Imogen schickt ihn ins San Vita, ein mysteriöses Nobelresort in der verschneiten Stille der Dolomiten. In Obhut von Prof. Trinkl soll er dort zu sich selbst finden. Doch er sträubt sich aus Angst, sich in die Seele schauen zu lassen. Und zu Recht: Trinkl verspricht ihm zwar Heilung, flüstert ihm aber ein in der Vergangenheit begründetes Unbehagen ein, das die…mehr

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Produktbeschreibung
Ein dubioses Spa, ein entkräfteter Mann und die Frage, was es heute bedeutet, glücklich zu sein
Ein Mann kann nicht mehr schlafen. Mit den Kräften am Ende, fürchtet er, alles zu verlieren: seine Ehe, seinen Status, das Leben. Seine Frau Imogen schickt ihn ins San Vita, ein mysteriöses Nobelresort in der verschneiten Stille der Dolomiten. In Obhut von Prof. Trinkl soll er dort zu sich selbst finden. Doch er sträubt sich aus Angst, sich in die Seele schauen zu lassen. Und zu Recht: Trinkl verspricht ihm zwar Heilung, flüstert ihm aber ein in der Vergangenheit begründetes Unbehagen ein, das die Ursache seiner Probleme sein soll.
Verängstigt und doch voller Hoffnung flieht der Mann zu seinem besten Freund aus Kindertagen. Und ahnt noch nicht, wie weit er gehen muss, um endlich von allem geheilt zu werden.

Ein überraschender Roman. Schlafwandelnd und doch hellwach. Zwischen Traum und wahrster Wirklichkeit.

»Die schönste Bergklinik der Literatur seit dem Zauberberg, mysteriöse Schlaflosigkeit und eine abenteuerliche Erstverschlimmerung. Beim Lesen beginnt die Heilung aber schon auf Seite 1. Ganz herrlich!« - Eckhart Nickel

»Ein glänzend geschriebener, ein unterhaltsamer und intelligenter deutscher Roman, das hat man nicht alle Tage« - Denis Scheck über »Die Geschichte eines einfachen Mannes«
Autorenporträt
Timon Karl Kaleyta ist Schriftsteller, Kolumnist und Drehbuchautor. Sein hochgelobter Debütroman 'Die Geschichte eines einfachen Mannes' stand auf der Shortlist des aspekte-Literaturpreises und wurde mit dem Fuldaer Literaturpreis ausgezeichnet. Bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt erhielt Kaleyta 2021 den 3sat-Preis. Er lebt und arbeitet als Ehemann einer erfolgreichen Kunsthändlerin in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als einen recht schalen "Zauberberg"-Abklatsch beschreibt Rezensent Oliver Jungen Timon Karl Kaleytas Roman. Das Sanatorium steht bei Kaleyta in den Dolomiten, der Protagnost, der sich hier einmietet, leidet unter Schlaflosigkeit und ist impotent. Um ihn herum schwirren allerlei Figuren, die auf den Kritiker wie wenig eindrückliche Kopien aus Manns Klassiker wirken. Das Gefühlswirrwarr der Hauptfigur wird, findet Jungen, teils ganz schön beschrieben, die Handlung, die sich unter anderem um ein in Träumen zu entdeckendes Geheimnis dreht, tauge jedoch nicht viel. Das wird auch nicht besser, kritisiert der Rezensent, wenn wir uns in der zweiten Hälfte des Buches aufmachen zu einem alten Freund des Helden, der selbstversorgend auf dem Land lebt, wo die Dinge irgendwann eskalierend. Unentschieden zwischen Parodie und Zeitdiagnose hin und her pendelt dieses Buch, so das negative Fazit Jungens.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.02.2024

Wie man sich
selbst heilt
Immer müde? Unkonzentriert? Unwohl? In
Timon Karl Kaleytas phänomenalem Roman „Heilung“
sucht der typisch Leidende nach einer Diagnose.
VON CHRISTIANE LUTZ
So entsetzlich müde. Immer müde. Dieses Problem des Ich-Erzählers, oder der „Zustand“, wie es seine Frau Imogen nennt, hat vor etwa drei Jahren begonnen, schleichend. „Eine Müdigkeit, so umfassend, dass sie all meine Gedanken lähmte, so erdrückend, als hinge eine schwere Bleischürze über meinen Schultern“. Er rennt verzweifelt von Spezialist zu Spezialist, aber: „Ich war nicht krank. Mir fehlte nichts.“ Die Beziehung leidet, er leidet. Bis in einem Schlaflabor schließlich herauskommt, dass er, der Erzähler, einfach nicht in die Tiefschlafphase findet, quasi nie zur Ruhe kommt, auch nicht träumt. So schickt ihn seine Frau in ein luxuriöses Gesundheitsresort in den Dolomiten, wo das Holz knarzt und es nach Zirbe duftet und ein berüchtigter Professor Trinkl den Gästen „in die Seele schaut“. Ein Resort, das „mit seinem ganzheitlichen Ansatz aus Naturheilkunde und Sportmedizin international für Aufsehen sorgte“. Motto: Länger besser leben. Hier, ist seine Frau überzeugt, „ist alles anders“. Und damit herzlich willkommen im „San Vita“.
Herzlich willkommen auch in „Heilung“, dem zweiten Roman von Timon Karl Kaleyta. 2021 erzählte er in seinem Debüt „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ die Geschichte eines ganz und gar nicht einfachen, dafür höchst unsympathischen Hochstaplers. Dieser misstraute Veränderungen aller Art, weil er sein Leben und sich selbst derart fantastisch fand, dass Veränderung für ihn immer Verschlechterung bedeutet hätte. Der Ich-Erzähler in „Heilung“ hingegen ahnt, dass sein Leben fehlerhaft sein muss, sonst wäre seine Ehe nicht in der Krise, sonst wäre er nicht so entsetzlich müde. „Wenn Sie keine Probleme haben ... Vielleicht müssen Sie einfach Ihr Leben ändern?“, schlägt Professor Trinkl vor. „Ins San Vita kommen Menschen, die wissen, dass sie gesund sind. Sie wollen, wie soll ich sagen, von einem unguten Gefühl befreit werden, von einem Unbehagen, das sie belastet.“ Dieses Unbehagen, ist Trinkl sicher, nimmt zu, „ganz allgemein“.
In zwei mit „Innen“ und „Außen“ betitelten Romanteilen widmet sich Karl Timon Kaleyta dann weniger der Frage, was der ominöse Grund für das „Unbehagen“ des Erzählers ist, als viel mehr allem, das dieser versucht, um es loszuwerden. „Innen“ spielt in besagtem „San Vita“, der zweite Teil „Außen“ auf einem Bauernhof irgendwo in der Pampa. Dorthin flüchtet der Erzähler, als ihm Professor Trinkls Methoden zu fragwürdig werden.
Kaleyta spielt also zwei große Heilungsfantasien von Unbehagen geplagter Städter durch: das Wellness-Retreat, wo Experten Körper und Seele durchwalken, man im Sole-Becken entspannt und eine Kosmetikerin die Sorgenfalten wegspritzt. Und den Rückzug aus der Leistungsgesellschaft: Auf dem Selbstversorgerhof lebt Jesper, der alte Schulfreund des Erzählers, fängt den Morgentau ein, züchtet Bienen. Er wollte „alles anders“ machen und sich von „Beeren und Insekten“ ernähren, was er jetzt auch tut, zusammen mit seiner Freundin Martha.
Denn das ist es doch, wohin der moderne Mensch vor seinen diffusen Gefühlen flieht: in die Klinik oder in die Natur. Damit klingt dieser Roman verdächtig nach einem Kommentar auf die saturierte gehobene Mittelschicht. Denn natürlich fehlt dem Erzähler, was vielen fehlt, denen augenscheinlich nichts fehlt: Sinn. Die Müdigkeit, die er spürt, spüren so viele, die dann „Heilung“ in teuren Alpen-Retreats oder im Kartoffelanbau in Brandenburg suchen.
Vielleicht träumt er aber auch einfach im übertragenen Sinn nicht mehr: Er hat keine Wünsche. Sein Leben hat er ganz der künstlerischen Karriere seiner Frau Imogen gewidmet. „Dass ich kaum mehr eine sinnvolle Funktion für sie erfüllte, war das eine. Dass darüber hinaus auch Imogens sehnlicher Kinderwunsch unerfüllt blieb, wog schwerer.“
Es gehört zu den angenehmen Überraschungen dieses Romans, dass er eher im Genre Groteske denn im Selbstfindungsbereich anzusiedeln ist. Das „San Vita“ entwirft er nicht als Oase der Ruhe, sondern als fantastische, eingeschneite Gruselklinik, die man sich wie das Hotel in „Shining“ vorstellt und wohl auch vorstellen soll. Geheime Kellerräume, Klopstock-Gedichte auf dem Frühstücksteller, ständig das Gefühl, beobachtet zu werden. Einmal muss der Erzähler stundenlang im Dunkeln ausharren, in „Trinkls Raum“, bis man ihm die Tür wieder öffnet. Schlau wird er weder aus dem Professor und dessen nächtlichen Jagdausflügen noch aus dem einarmigen Arnim, Typ Totengräber, der herumschleicht wie der Butler in „Saltburn“.
Er lernt Mana kennen, eine junge Frau, die sich zwar über das Resort lustig macht, aber ihn doch ständig dazu verleiten will, zu bleiben: „Stellen Sie sich vor, wir könnten einfach so weitermachen. Bis an unser Lebensende. Von früh bis spät Anwendungen, Therapien, Behandlungen. Gutes Essen. Schwimmen. Dampfbäder. Massagen.“ Das klingt für den Erzähler schon wie eine Drohung. Bis zum Schluss scheint es möglich, dass hier einfach alle gecastet sind und ihre grotesken Rollen nur für ihn spielen. Oder dass es sie gar nicht gibt, weil der niemals träumende Ich-Erzähler alles doch nur albträumt?
„Heilung“ ist düster, rätselhaft und voller Symbole, die beim ersten Lesen nicht zu durchdringen sind und vielleicht auch nirgends hinführen. Sind die beiden Teile des Romans komplementäre Spiegelungen? Sind die Naturliebhaber Jesper und Martha auch nur die Wiedergeburt von Professor Trinkl und Mana?
Beides, das wird jedenfalls klar, die Gruselklinik und der Bauernhof, sind in sich geschlossene Systeme, zu denen der Erzähler keinen wirklichen Zutritt hat. Auf dem Hof glaubt er zwar, Heilung zu finden – „ich würde ganz einfach bleiben, wo ich war, mit meinen Händen arbeiten, gut schlafen und glücklich sein“ – steigert sich immer mehr in die Obsession für das Glück des Freundes hinein: „Ich würde nicht nachgeben, ich würde nicht aufgeben, bis ich alles von Jesper in mich aufgesogen hatte.“ Seine Frau Imogen ist da schon mehr und mehr zur Nebenfigur degradiert. Doch sein Körper beginnt zu rebellieren, er kriegt Hautausschlag von den Katzen, derer er sich eines Nachts eiskalt entledigt. Wo das Resort zu artifiziell war, ist die Natur dann doch zu kreatürlich.
Timon Karl Kaleyta ist auch Sänger der smarten Band Susanne Blech, mit der er tanzbaren Elektropop macht. Die Songtexte sind kryptisch bis gaga, irgendwo zwischen Tocotronic und Mallorca-Hits anzusiedeln: „Wir werden alle nicht Ernst Jünger“ heißt ein Song, oder: „Disco hat zwei große Schwestern, nie warn sie so toll wie gestern, komm mit mir nach San Francisco!“
Kaleyta ist als Texter und Autor Freund des Unernsts, die allzu schneidende Ironie seines Debüts tauscht er aber in „Heilung“ aber gegen einen subtileren Humor mit zwischendurch affektiertem Ton. So wird das Frühstück „angerichtet“, Geräusche „schwellen an“, dem ganzen Gestus des Helden liegt eine seltsame Verstaubtheit zugrunde, etwas Gestriges. Dem steht eine Gegenwartsbetrachtung entgegen: Die Diagnoseverliebtheit der heute 30- bis 40-Jährigen, in die jenes „Unbehangen“ (das spätestens seit den 70er-Jahren jede Generation spürt) aktuell gipfelt. Müdigkeit, Unverträglichkeit, Unkonzentriertheit, alles braucht medizinische Fundierung. Vielleicht ist das so, weil so eine Diagnose mehr Verständnis einzufordern erlaubt und „Auszeiten“ im San Vita legitimiert. Weil sie erklärt, warum man doch nicht das bestmögliche Leben lebt. Wie sagte schon Karl Valentin? Gar nicht krank ist auch nicht gesund. So steht in „Heilung“ weniger zur Debatte, was mit dem Erzähler nicht stimmt, als die Überzeugung aller, dass dem so ist.
Die Nazilieder singende Großmutter, zu der der Erzähler immer wieder gedanklich zurückkehrt, könnte der Hinweis auf eine tiefer liegende Schuld sein. Auf etwas, das nie aufgearbeitet wurde und sich jetzt in ihm den Weg nach oben bahnt. Oder ist das auch nur eine falsche Fährte?
Die Kunst von Kaleyta besteht jedenfalls darin, mit großer Gesten um diese Leerstelle des Unbehagens herumzutanzen, ohne zu benennen, was da lauert. Das ist noch amüsanter als pathetisch, weil es ja mehr Spaß macht, sich von jemandem des Achtsamkeitswahnsinn kommentieren zu lassen, der selbst nicht frei von ihm zu sein scheint. Am Ende kann man noch so viele Mistgabeln und Botoxspritzen schwingen, Erfüllung findet man deshalb noch lange nicht.
Manche suchen Heilung
in Botoxspritzen, andere
im Kartoffelanbau
Timon Karl Kaleyta:
Heilung. Roman.
Piper, München 2024.
206 Seiten, 22 Euro.
Eine Auszeit
brauchen wir doch alle.
Am liebsten ganz
weit weg. Und für immer. Timon Karl Kaleyta
legt in „Heilung“ den Horror dieses Traums frei.
Foto: porojnicu/imago/Panthermedia
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2024

Fangen wir den Morgentau in unseren Netzen
Castorps letzter Winter: Timon Karl Kaleyta schickt einen modern entkräfteten Helden ins Bergsanatorium

Berge altern anders. Jahrmillionen sind für Felsmassive ein Wimpernschlag, hundert Jahre für einen "Zauberberg" nahezu nichts. So wirkt Thomas Manns Gedankengebirge bis heute taufrisch. Es ist die Ironie, die diese monumentale Abschiedszeremonie für die bürgerliche Selbstzufriedenheit so jung hält. Im Jubiläumsjahr nun kreißt und kreißt dieser Überberg, gebiert die ulkigsten Formationen, eine feministisch angestrengte Parodie der Parodie bei Olga Tokarczuk etwa. Auch Heinz Strunk und Norman Ohler legen ihre sicher lesenswerten Fortschreibungen in Kürze vor. Bei Timon Karl Kaleyta hat man es mit einer luftgespiegelten, allerdings arg eingeschrumpften Variante der Vorlage zu tun: ein Zwerg von Berg, der seine Abkunft - bis hinein in den gehobenen Erzählton - dafür umso stolzer vor sich her trägt. Es geht gleich los mit kolossal viel Schnee: "Schon seit Tagen fiel der Schnee ohne Unterlass aus den Wolken, es war einer der kältesten Winter der vergangenen Jahrzehnte."

Kaleytas Held, geplagt von Schlaflosigkeit und Impotenz (sind das die Geißeln unserer Zeit?), sucht auf Anraten seiner Frau das Sanatorium San Vita in der alpinen Abgeschiedenheit der Dolomiten auf. Die Traumlosigkeit des Patienten kontrastiert sofort mit der traumartigen, surrealen Atmosphäre dieses bis ins Berginnere unterkellerten Heilorts unter der Leitung, nein, Herrschaft des allmächtigen Professors Trinkl, einer Koryphäe der ganzheitlichen Naturheilkunde. Die gesamte erste Hälfte des Romans spielt in dieser Edelklinik, deren Achtsamkeitsabsolutismus amüsant karikiert wird. Gerade in der Abwehr der Zudringlichkeiten scheint der Held ansatzweise zu sich zurückzufinden.

Über eine milde Satire geht dies freilich nicht hinaus. Dafür fehlt den Dialogen zwischen dem auf Abschottung, Totalüberwachung und übergriffige Methoden setzenden Heilkundler und dem sich zu Recht gegängelt fühlenden Erzähler die Tiefe. Es ist eben kein zynisch-intellektueller Hofrat Behrens, der uns da begegnet, sondern ein Scharlatan in seiner Maske. Auch die verführerische Patientin Mana wirkt wie eine blasse Wiedergängerin von Thomas Manns Madame Chauchat. Ebenso viel Aufhebens wird zwar um einen Kuss Manas gemacht, doch statt wie die "tatarische" Sirene einen Mynheer Peeperkorn anzuschleppen, der in seiner entleerten Kolonial-Majestät für ein ganzes Zeitalter einsteht, scheint Mana bloß insgeheim mit Trinkl verbündet zu sein; halb Hure, halb Verräterin. Sie fragt gleich: "Lieben Sie ihre Frau eigentlich?" Da zuckt es bereits in den impotenten Lenden.

Dass der egozentrische Erzähler permanent zwischen Begierde und Furcht, zwischen Zutrauen und Verschwörungsdenken changiert, gehört noch zu den interessanteren Ebenen des Buchs. Dass die Behandlung so leicht anschlägt, hingegen nicht. Kaum wird der Erzähler mit sich allein in ein dunkles Zimmer gesperrt oder zum eigenhändigen Abschlachten eines Bären genötigt ("Ihre Frau kann stolz auf sie sein"), kehren die Träume zurück ("ich spürte, dass etwas lange Verdrängtes zurück an die Oberfläche gespült worden war"), und sie enthüllen ein denkbar schlichtes Geheimnis. Schuldig fühlt sich der Held, weil er den Kontakt zu einem guten Jugendfreund trotz dessen Briefen abgebrochen hat. Peinlich war ihm dieser Jesper noch zu Schulzeiten geworden, weil der alles infrage stellte und sich "von nichts und niemandem beherrschen" lassen wollte.

Das führt über eine erzählerisch holprige Zwischenstation in die zweite Hälfte des Romans, in der unser Held diesen Jesper aufsucht, der mit seiner Frau und im Einklang mit der Natur einen wiederum abgeschiedenen Selbstversorgerhof bewirtschaftet: halb Rousseau (oder Thoreau), halb Hermann-Hesse-Figur (in seiner enthusiastischen Freundschaftsliebe), aber auch er mehr dekoratives Imitat als authentischer Charakter.

Der taumelnde Protagonist, der den unverwundbaren Jesper anbetet, möchte nichts lieber, als für immer auf diesem Hof zu bleiben und in nichtentfremdeter Arbeit sein Glück zu finden. Es ist ein Problem, dass die Ironiesignale dieser an sich wenig aufregenden Aussteigerutopie uneindeutig sind. Soll hier nur lustvoll parodiert werden, oder will Kaleyta der angestaubten Konstellation doch einen hermeneutischen Mehrwert abgewinnen, gar auf eine Zeitdiagnose hinaus? Wie auch immer, es wird früh klar, dass die Sache - die Heilung - so bruchlos nicht vonstattengehen kann. Bald schon führen körperliche Beschwerden, Ängste und Neid zum Umschlag der Stimmung auch hier, bis die Situation vollends eskaliert. Auch im Streben nach dem Ideal der Einfachheit lauert das Totalitäre, das Ausmerzen aller Schwächen, sollen wir womöglich erkennen. Das abgeschmackte, aber visuell eindrückliche Finale erweckt endgültig den Eindruck, es mit einem Drehbuch zu tun zu haben.

Das würde auch die narrativ wenig gefüllte, aber sehr bildhaft evozierte Atmosphäre zwischen Lebensgier und Todesschatten erklären, die vage an das zerrissene moderne Individuum in "Der Steppenwolf" oder den romantisch-letalen Narzissmus in "Klingsors letzter Sommer" gemahnt: "Glauben Sie, es war das letzte Mal, dass wir so einen Winter hatten?" Das Pathos kann hier gar nicht groß genug sein. So fangen die beiden Freunde mit Netzen den Morgentau, um dann den Kelch des jeweils anderen zu leeren. Wie die überdeutliche Symbolik (zumal in den Traumszenen) wirken auch die vielen Klopstock-Zitate bedeutungsheischend hineingeworfen, ohne Auswirkung auf das Erzählte zu haben; dabei wäre es leicht gewesen, darüber ins Nachdenken über das Dialektische an der Empfindsamkeit zu kommen. Vor allem aber bleibt das Buch in allen Belangen - Humor, Geist, erzählerische Raffinesse - weit hinter dem "Zauberberg" zurück. Das mag zwar für einen Großteil der deutschen Literatur gelten, aber die arbeitet sich auch nicht so unbescheiden an diesem Vorbild ab. OLIVER JUNGEN

Timon Karl Kaleyta: "Heilung". Roman.

Piper Verlag, München 2024. 206 S., geb.,

22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der vielleicht eleganteste und humorvollste deutschsprachige Roman der Frühjahrssaison.« Iris Radisch Die ZEIT - Wissen 20240621