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Der Sammelband mit Beiträgen prominenter Autorinnen und Autoren geht den Fragen nach, was heute Heimat sein kann und inwiefern Europa als Heimat gedacht werden kann und soll.Der Sammelband nähert sich aus vielfältigen Perspektiven den Begriffen »Heimat« und »Europa«. In Zeiten globaler Krisen und politischer Umbrüche stellt sich die Frage, was Europa eigentlich bedeutet, mit neuer Dringlichkeit. In welchem Europa wollen wir leben, was bedeutet Heimat in einer zunehmend von Mobilität und Migration geprägten Gesellschaft, welche Ideen von einem gemeinsamen Europa lassen sich mit der…mehr

Produktbeschreibung
Der Sammelband mit Beiträgen prominenter Autorinnen und Autoren geht den Fragen nach, was heute Heimat sein kann und inwiefern Europa als Heimat gedacht werden kann und soll.Der Sammelband nähert sich aus vielfältigen Perspektiven den Begriffen »Heimat« und »Europa«. In Zeiten globaler Krisen und politischer Umbrüche stellt sich die Frage, was Europa eigentlich bedeutet, mit neuer Dringlichkeit. In welchem Europa wollen wir leben, was bedeutet Heimat in einer zunehmend von Mobilität und Migration geprägten Gesellschaft, welche Ideen von einem gemeinsamen Europa lassen sich mit der individuellen Vorstellung von Heimat verbinden? In ihren Beiträgen beschreiben Autorinnen und Autoren, was für sie Heimat bedeutet und wie sie sich in einem Europa des Wandels positionieren.Mit Beiträgen von Arnold Stadler, Sibylle Lewitscharoff, Prof. Dr. István Fehér, Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Prof. Dr. Stephan van Erp, Ursula Engelen-Kefer, Dr. Jean-Claude Hollerich, Prof. Dr. Ulrike Guérot, Dr. Notker Wolf OSB, Dr. Donatella Di Cesare, Dr. Asfa-Wossen Asserate, Prof. Dr. Hermann Lübbe, Dr. Ilma Rakusa, Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig, Vincent Klink, Dr. Gerd Koenen, Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi, Dr. Gianfranco Kardinal Ravasi, Patrick Roth, Anna Baar u.a.
Autorenporträt
Martin W. Ramb, geb. 1969, studierte Philosophie, Andragogik und Theologie in Vallendar und Bonn. Als Schulamtsdirektor i. K. leitet er die Abteilung Religionspädagogik, Medien und Kultur im Bischöflichen Ordinariat Limburg und ist Chefredakteur des Bildungsmagazins »Eulenfisch«.Veröffentlichungen u. a.: Arbeit 5.0 (Mithg., 2018); Jenseits der Ironie (Mithg., 2016); Helden und Legenden (Mithg., 2015).

Holger Zaborowski, geb. 1974, studierte Philosophie, Theologie, Latein und Griechisch in Freiburg i. Br., Basel und Cambridge und promovierte in Oxford und in Siegen. Nach Zwischenstationen in Freiburg, Washington, D. C., und Vallendar ist er seit 2020 Professor für Philosophie an der Universität Erfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Philosophie der Neuzeit, Ethik, Religionsphilosophie und politischen Philosophie.Veröffentlichungen u. a.:Arbeit 5.0 (Mithg., 2018); Jenseits der Ironie (Mithg., 2016); Helden und Legenden (Mithg., 2015).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2019

In der Europäischen Union zu Hause
Essays zur europäischen Bürgerschaft als Gegengift zum oberflächlichen Krisengerede

Was kann heute "Heimat" noch bedeuten? Kann Europa Heimat sein? Braucht Europa eine Seele? Die Herausgeber haben 34 Autorinnen und Autoren dazu befragt - Schriftsteller, Philosophen, katholische Theologen, einige wenige Sozialwissenschaftler und Politiker - und auch ihre eigenen Antworten dazu gegeben. Sie fallen unterschiedlich aus, in der Form wie im Inhalt.

Manche beschreiben, was für sie Heimat ist: die Rheinlandschaft mit ihren Mythen und sinnlich erfahrbaren Geschichten (Otto Kallscheuer), die badische Sprache (der Deutschamerikaner Patrick Roth), das Erlebnis liturgischer Inszenierungen in katholischen Kirchen (der Theologe Martin W. Ramb). Andere systematisieren ihre Antwort. Das Verständnis von Heimat ändere sich im Laufe des Lebens: Der Heimatbegriff ist immer an konkrete Erfahrungen gebunden und affektiv besetzt, aber er wandelt sich mit den Lebenserfahrungen (Otfried Höffe, Holger Zaborowski). Daraus folgt: Auch Europa kann zur Heimat werden.

Das wird lebensgeschichtlich bezeugt von der schweizerischen Schriftstellerin Ilma Rakusa, die als Tochter einer Ungarin und eines Slowenen in der Slowakei geboren wurde und in ihrer Kindheit von Budapest über Ljubljana und Triest nach Zürich zog. Sie ist dadurch zu jemandem geworden, "der das Wort Heimat nur im Plural verwendet" und ganz in der europäischen Kultur zu Hause ist. Ähnlich sieht es die Bildungspolitikerin Dagmar Schipanski, die 1989/90 die Rückkehr ihrer thüringischen Heimat nach Europa als Befreiung erlebt hat. Als Rektorin des europäischen Studienkollegs in Berlin hat sie die Erfahrung gemacht, dass anfängliche Skepsis der Kollegiaten ("von Norwegen bis Spanien") durch die Erfahrung der gemeinsamen Arbeit jedes Mal zu der Überzeugung geführt hat: "Wir Europäer gehören zusammen."

Dass das nicht nur für eine Elite gilt, zeigt die "Vermächtnisstudie" des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, von der Jan Wenzel und Jutta Allmendinger berichten. 45 Prozent der befragten Deutschen sagten 2018, dass Europa für sie Heimat ist. 40 Prozent sind in dieser Frage unentschieden; lediglich für 14 Prozent hat Europa nichts mit Heimat zu tun. Die beiden Sozialwissenschaftler machen allerdings auch darauf aufmerksam, dass Demokratie nicht vorschreiben kann, was als Heimat empfunden werden kann oder soll. Deswegen ist ein ernsthafter Diskurs notwendig, der die unterschiedlichen Identitätserfahrungen von Gruppen und Einzelnen miteinander ins Gespräch bringt.

In dieser Perspektive könnte man, wie Christian Schüle in einer explizit "kulturoptimistischen Betrachtung" argumentiert, "unter Heimat künftig das geistige Obdach jener Wert- und Normvorstellungen der europäischen Zivilisation begreifen, auf deren Grundlage gemeinsame Gewohnheiten formuliert und gemeinsame Ziele verabredet werden. Der gemeinsam gelebte Alltag wird als gelebte Leitkultur erfahren - im Sinne einer Kultur, deren Normen alle Anwesenden leiten."

Welche Normen das sind oder sein sollten, darüber wird in vielen Beiträgen mit unterschiedlichen Akzentsetzungen räsoniert. Manche beharren darauf, dass die Wurzeln europäischer Zivilisation im biblischen Monotheismus und der christlichen Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen nicht vergessen werden dürfen. Andere betonen, dass die europäische Zivilisation auf der Anerkennung der Würde jedes Menschen beruht und die Christenheit, so Franziskus von Heereman, "in den Jahrhunderten, in denen sie die erdrückende weltanschauliche Mehrheit bildete, sich in vielerlei Hinsicht an der Menschenwürde vergangen hat". Insofern verfügen diejenigen, die auf den letztlich entscheidenden Beitrag der Aufklärung zur (Wieder-)Entdeckung der Menschenrechte verweisen, über die besseren Argumente.

Wie gut die Aussichten sind, in diesem Sinne mit der Europäisierung Europas voranzukommen, auch darüber gehen die Meinungen, je nach Temperament, auseinander. Die Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff bekennt, dass es ihr angesichts des Krisenbogens vom Fanatismus der Brexiteers bis zur Korruption in Rumänien nicht mehr gelingt, "eher hoffnungsvoll" in die Zukunft zu blicken. Demgegenüber argumentiert die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, dass die gegenwärtig von den populistischen Meinungsmachern praktizierte Substituierung sozialer und gesellschaftlicher Verlusterscheinungen durch Nationalstolz trügerisch ist. Sie werde daher zwangsläufig zu Enttäuschungen führen.

Aus dem Rahmen fallen zwei Beiträge von Euroskeptikern. Wolfgang Streeck darf wieder einmal seine Abneigung gegen die "Brüsseler Kompetenzkrake" zum Besten geben. Und Hermann Lübbe glaubt zu wissen, dass die EU-Skepsis der Bürger "ihren Grund vor allem in der Unglaubwürdigkeit der mit dem institutionellen Verbund der Länder in der Union verknüpften Versprechen" hat. Dass Europa je Heimat werden könnte, hält er daher für ausgeschlossen. Damit setzt er nicht nur die Minderheit der EU-Skeptiker und EU-Gegner mit den europäischen Bürgern schlechthin gleich. Er missachtet auch die Evidenz, die aus fast allen anderen Beiträgen des Sammelbandes spricht.

Man kann diese Kontrapunkte freilich auch als Aufforderung zu eigenem Nachdenken lesen. Die Sammlung von Essays ist recht disparat ausgefallen, und eine gewisse Redundanz hat sich auch nicht vermeiden lassen. Sie bietet aber viele Anregungen, wie der Gefährdung des europäischen Projekts entgegengewirkt werden kann. In der Summe wird deutlich, dass die EU als verbindlicher Ausdruck europäischer Solidarität durchaus zur Heimat werden kann. Man muss freilich etwas dafür tun, im Alltag wie in der Politik. Als Gegengift zum oberflächlichen Krisengerede dieser Tage sind solche Einsichten sehr willkommen.

WILFRIED LOTH

Martin W. Ramb/ Holger Zaborowski (Hrsg.): Heimat Europa?

Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 431 S., 22,00 [Euro].

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»'Heimat Europa?' ist ein kluges Buch zur rechten Zeit, dem man viele Leser wünscht.« (Bettina Baltschev, MDR Kultur, 07.05.2019) »eine Fundgrube an originellen und inspirierenden Gedanken und Ideen, über Heimat, Identität, Nation und Religion« (Zeitzeichen, Juli 2019) »Als Gegengift zum oberflächlichen Krisengerede dieser Tage sind solche Einsichten sehr willkommen.« (Wilfried Loth, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2019) »Jedem, dem Europa am Herzen liegt und der sorgenvoll die aktuellen politischen Entwicklungen in Europa verfolgt, sei (dieses Buch) zur Lektüre empfohlen.« (Hartmut Sommer, Eulenfisch, 02/2019)