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"Das, was man schreibt, ist manchmal klüger oder dümmer als man selber - genau wie ein Kind, bei dem die Eltern manchmal staunen, was, das soll von uns abstammen, aber wir verstehen es nicht, es ist anders." Harald Martenstein
Als Joseph aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt, ist er trotz Lungendurchschuss topfit verglichen mit dem, was sonst noch aus dem Zug steigt. Dass er von seiner Frau Katharina, der schönen Tänzerin vom Rhein, nicht abgeholt wird, überrascht ihn kaum. Er ist Realist. Aber das Eifersuchtsdrama, in das er hineingerät, verblüfft ihn doch ein wenig. In seinem…mehr

Produktbeschreibung
"Das, was man schreibt, ist manchmal klüger oder dümmer als man selber - genau wie ein Kind, bei dem die Eltern manchmal staunen, was, das soll von uns abstammen, aber wir verstehen es nicht, es ist anders." Harald Martenstein

Als Joseph aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt, ist er trotz Lungendurchschuss topfit verglichen mit dem, was sonst noch aus dem Zug steigt. Dass er von seiner Frau Katharina, der schönen Tänzerin vom Rhein, nicht abgeholt wird, überrascht ihn kaum. Er ist Realist. Aber das Eifersuchtsdrama, in das er hineingerät, verblüfft ihn doch ein wenig. In seinem ersten Roman wirft Harald Martenstein einen ungewöhnlichen Blick auf die Kinderjahre der Republik. Es geht um mörderische Väter und verlorene Mütter, um große Liebe und kleines Glück. Mit unterkühlter Ironie schafft er die Balance zwischen Trauer, Melancholie und Komik. "Heimweg" ist ein großartiger Roman über die Geister der Vergangenheit und die falschen Versprechungen der Zukunft.

Der beliebte Zeit-Kolumnist ("Lebenszeichen") mit seinem ersten Roman.

"Alle lieben Martenstein und seine Welt." Hamburger Abendblatt
Autorenporträt
Harald Martenstein, geb. 1953, ist Autor der Kolumne 'Martenstein' im 'ZEITmagazin' und Redakteur beim Berliner 'Tagesspiegel'. 2004 erhielt er den Egon-Erwin-Kisch-Preis. 2010 bekam er den Curt-Goetz-Ring verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2007

Arme Teufel in Topform

Vorsicht, Erzählfalle! Der Journalist Harald Martenstein hat einen ebenso komischen wie tückischen Familienroman über die Nachkriegszeit geschrieben, in dem die Grenzen zwischen Lebenden und Toten verwischen.

Von Richard Kämmerlings

Ich jedenfalls bin diesem Buch auf den Leim gegangen. Vielleicht weil ich die ersten Seiten zu unaufmerksam gelesen, nicht wirklich über die Figurenkonstellation, Geburtsdaten, Jahreszahlen nachgedacht hatte. Vielleicht auch einfach deswegen, weil die Gattungsbezeichnung "Roman" in der jüngeren deutschen Literatur so inflationär zur Bemäntelung des autobiographischen Gehalts verwendet wird, zur Verschleierung der Tatsache, dass eigentlich gar kein literarischer Stoff vorhanden ist jenseits der trivialen Tatsache, dass jeder, eben auch der Dichter, eine Kindheit, eine erste Liebe und irgendeine verkorkste Beziehung hinter sich hat. Und natürlich war auch der Autorenname schuld: Ein Familienroman von Harald Martenstein, dem Reporter und launigen "Zeit"-Kolumnisten? Wovon sollte der schon groß zu erzählen haben - außer von sich selbst?

"Die Heimkehr meines Großvaters aus dem Krieg stand unter keinem guten Stern." Das Buch setzt ein mit einer Urszene der Nachkriegszeit: Die letzten Kriegsgefangenen kehren zurück - ihren Frauen und Kindern fremdgeworden, erkennen sie ihre von Bomben zerstörten Heimatstädte kaum wieder. Und diese unendlich oft erlebte und noch öfter erzählte Geschichte liefert Harald Martenstein in einem leichten, tragikomischen Plauderton, den man aus seinen journalistischen Texten kennt: "Von seiner Russlandreise hatte er außerdem zwei steife Finger, einen Lungendurchschuss und eine nicht genau zu bestimmende Zahl von Lungenstecksplittern mitgebracht, das heißt, er war geradezu in Topform, verglichen mit einigen anderen armen Teufeln in seinem Eisenbahnwaggon."

Nach den ersten Seiten hält man das Buch für eine Art Wolfgang-Borchert-Travestie - "Draußen vor der Tür" als autobiographisch getönter Schelmenroman: Der Großvater (der sogar noch Wolfgang heißt) kehrt just in dem Moment nach Hause zurück, als seine Frau Katharina, vielbeschäftigte Animierdame und "Schönheitstänzerin", in ein blutiges Eifersuchtsdrama mit zwei französischen Besatzungssoldaten verwickelt ist und dabei um ein Haar getötet wird: "Hast du das Verbandszeug woanders hingepackt, das war doch im roten Schränkchen?", sind die ersten Worte, die Wolfgang nach sechs Jahren Abwesenheit an seine Frau richtet. Kein guter Stern, fürwahr.

Doch Wolfgang ist zäh, er hat die Ostfront und Sibirien überstanden, und kämpft nun darum, die verlorene Liebe seiner lebenslustigen Frau zurückzuerobern; auch kämpft er um seinen Anteil am einsetzenden Wirtschaftswunder, als Geldbote bei einer Bank kommt er zu bescheidenem Wohlstand, während Katharina, nicht ohne das Risiko neuer erotischer Verwicklungen, in der florierenden Nachtbar ihrer Schwester Rosalie arbeitet. Martenstein zeichnet ein berührendes Doppelporträt zweier Menschen, die aus pragmatischen Gründen zusammenbleiben, obwohl oder vielleicht weil sie wissen, dass sie die beiden "wichtigsten Dinge, die in einem Leben passieren können", hinter sich haben, den Krieg und die Liebe nämlich. Das ist ein schöner Stoff, anschaulich, unterhaltsam, temporeich präsentiert, etwas kolportagehaft, aber mitunter sehr komisch - etwa die Episode über die ins Chaos umschlagende Haustiersammlung des Großvaters - und sehr klug, fast altklug. Mit einem Wort: Für einen Roman zu wenig.

Als Freddy Quinn Omas Schatten war.

Wann also merkt der Leser nun, dass er in die Falle gegangen ist, dass hier etwas nicht stimmt, nicht stimmen kann? Er könnte es schon vor der Lektüre merken, beim Klappentext etwa. "Harald Martenstein, geboren 1953" steht da. Es kann also kaum von Martensteins Großvater die Rede sein. "Da es sich um meine Großeltern handelt und da es mich zweifellos gibt, muss irgendwann ein Kind auftauchen, das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Es dauert aber eine Weile, werden Sie in dieser Hinsicht nicht ungeduldig." Schon im zweiten Kapitel beugt der Erzähler auf diese Weise vor und sagt zugleich: "Es ist das erste Mal, dass ich eine Geschichte aufschreibe. Ich habe keine Erfahrung mit so etwas."

Und dann kommt aber gar kein Kind, obwohl Wolfgang dringend eines will; und ein anderes, ungewolltes, spätes, das von Katharinas Schwester Rosalie, stirbt im Mutterleib, weil sie sich bei ihrem eigenen untreuen Mann die Syphilis geholt hat. Und ein weiteres, Katharinas und Rosalies kleiner Bruder Otto, wird schon als kleiner Junge das Opfer einer grausigen Familientragödie, lange vor dem Krieg. Und ein anderes Kind, ein russischer Junge, wird irgendwo im Wald bei Smolensk von Wolfgang erschossen. Doch woher soll der so überaus eloquente Enkel kommen?

Langsam, ganz langsam drängen die Toten in den Roman, der nur scheinbar vom Neuanfang, vom Wiederaufbau, von einer privaten wie kollektiven Erfolgsgeschichte zu handeln versprach. Das beginnt mit der langen Rückblende auf das Schicksal des Urgroßvaters, Katharinas Vater, eines philosophischen und historischen Autodidakten, der von der fixen Idee besessen ist, von der bayrischen Räuberlegende Heigl abzustammen. Er driftet in eine Wahnwelt ab, in der ihn der wiederauferstandene Verschwörer besucht und ihm schließlich die Opferung seines Sohns befiehlt. Während der Nazi-Zeit in einer geschlossenen Anstalt untergebracht, fällt der Urgroßvater selbst der Euthanasie zum Opfer.

Die von diesen Gespenstern ihrer Familiengeschichte ohnehin verfolgte Katharina flüchtet sich nun ihrerseits vor dem Alter, der Ehe und der Mietshausspießigkeit in immer drängendere und mehr Raum beanspruchende Tagträume von Dolce Vita; Freddy Quinn und Kulenkampff geben sich bald bei ihr die Klinke in die Hand. Wolfgang schließlich muss mit den von ihm Erschossenen an der Ostfront weiterleben und beginnt, während er die Visionen seiner Frau tapfer toleriert, an seinem eigenen Verstand zu zweifeln. Der "Heimweg" des Titels ist vor allem eine Heimsuchung.

Wie raffiniert und hintersinnig dieser scheinbar so locker dahingeplauderte Roman konstruiert ist, merkt man wohl erst bei einer mehrfachen Lektüre, auch weil dann die zunächst unproblematische, dann immer rätselhaftere Erzählerfigur in den Fokus gerät. Martenstein zeichnet die auf der Oberfläche so realistische, bodenständige Bundesrepublik als ein Zwischen- und Schattenreich, in dem die Ausgeburten der Phantasie und die Geister der Vergangenheit ebenso großen Raum einnehmen wie die Wirklichkeit. Die Toten sind nicht tot, so lange sich jemand an sie erinnert. Und auch ein nur herbeigesehnter Nachkomme kann zum Erzähler der eigenen Geschichte werden. Frei nach Pirandello: Die Figuren suchen einen Autor. Und finden ihn - in Harald Martenstein. Welch ein Glück.

Harald Martenstein: "Heimweg". Roman. C. Bertelsmann Verlag. München 2007. 224 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Harry Nutt begrüßt die romanhafte Annäherung des Journalisten Harald Martenstein an das Leben seiner Großeltern. Nur dank der "literarischen Techniken der Enkel" werde in solchen Projekten die bundesrepublikanische Geschichte erinnert, da doch schließlich niemand mit diesen "schrulligen Alten" gesprochen habe. Bei Martenstein sei eine Art Mainzer "magischer Realismus" herausgekommen, wenn die Großmutter als frühere Tänzerin und Barfrau beispielsweise Freddy Quinn und Rudolf Schock am Kaffeetisch versammele, in einer "sich langsam steigernden Schizophrenie". Martensteins Fähigkeiten liegen mehr in der "Pointe" denn in der Handlung oder Figurenzeichnung, räumt der Rezensent ein.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Martenstein erzählt witzig und klug. Und das lässt sich von sehr vielen anderen Romanen nicht behaupten."