Die wichtigsten literaturkritischen Schriften von Karl Kraus in einem Band.Einen bedeutenden Teil des Prosawerks von Karl Kraus machen seine literaturkritischen Schriften aus. Dazu gehören die großen Essays über Heine und Nestroy, die Lobreden auf Frank Wedekind und Peter Altenberg, die Auseinandersetzungen mit Arthur Schnitzler und Stefan George, die Abhandlungen über den Reim sowie über »Humor und Lyrik«. Alle diese Arbeiten aus dreißig Jahren der legendären Zeitschrift »Die Fackel« bezeugen den Scharfsinn und die Treffsicherheit ihres wichtigsten, am Ende sogar einzigen Autors, eines Schriftstellers, der wie im Feld von Polemik und Satire auch als Kritiker literarischer Werke aus älterer und neuerer Zeit kaum seinesgleichen hat. Eine umfangreiche Auswahl aus seinen Schriften zur Literatur, Stück für Stück wohlerwogen und sachverständig gekennzeichnet, wird von urteilsfähigen Lesern schon seit längerem vermisst. Ein umfangreicher und sorgfältiger Kommentar erschließt die Vielzahl an Voraussetzungen und Beziehungen, deren Kenntnis einen wesentlichen Reiz dieser Texte ausmacht. Beigefügt sind ein Namenregister und ein Literaturverzeichnis.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Grundlegend, um etwa die Bedeutung Nestroys und Offenbachs wieder ermessen zu können, ist der von Christian Wagenknecht und Eva Willms "kundig" kommentierte und edierte Band laut Jens Malte Fischer. Was Karl Kraus literarisch goutierte und was nicht so sehr, erfährt er hier am Beispiel vor allem von Shakespeare, Nestroy und Heine. Als scharfer Polemiker tritt ihm der Autor dabei entgegen beziehungsweise als emphatisch Liebender.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.08.2014Gegen die Weltdummheit
Für die Freunde literarischer Polemik und sprachverliebten Humors : Karl Kraus und die Literatur
„Im Anfang war das Rezensionsexemplar, und einer bekam es vom Verleger zugeschickt. Dann schrieb er eine Rezension. Dann schrieb er ein Buch, welches der Verleger annahm und als Rezensionsexemplar weitergab. Der nächste, der es bekam, tat desgleichen. So ist die moderne Literatur entstanden.“
Dieser Aphorismus von Karl Kraus lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er zum Literaten wie zum Rezensenten nicht geeignet war. Rezensionen hat er nur einige wenige ganz zu Beginn seiner Laufbahn in sehr jungen Jahren geschrieben, als die Fackel noch nicht gegründet war, in der er 37 Jahre und 23 000 Seiten lang sich um nichts bekümmerte als um den Zustand der Sprache und den der Welt – beide Zustände konnte er nur in engstem Zusammenhang analysieren. Und die Zusendung von Rezensionsexemplaren hat sich die Redaktion der Fackel , die nur aus einem Menschen, nämlich Kraus, bestand, verbeten. Dennoch hat er sich immer wieder zur Literatur geäußert, vor allem zu den Großen, die in seinem literarischen Pantheon, das sehr eigenwillige Züge trug, die Säulen waren: zu Wedekind, Peter Altenberg, Else Lasker-Schüler, Strindberg, Shakespeare, Goethe, Jean Paul, Raimund und Nestroy.
Neben den Säulen gab es aber auch Rumpelkammern und Schmutzecken in diesem Pantheon, denn so sehr und emphatisch Kraus lieben und verehren konnte, so sehr und mit dem gleichen Furor konnte er auch verurteilen. In dem Band mit seinen Schriften zur Literatur, den Christian Wagenknecht und Eva Willms in kundiger Kommentierung und penibler Edition nun vorgelegt haben, sind beide Seiten der Kraus’schen Bemühung gleichermaßen vertreten. Nebenbei, aber nicht nebensächlich: Von der so verdienstvollen Ausgabe der Kraus’schen Schriften, die Wagenknecht zwischen 1986 und 1994 bei Suhrkamp herausgab, ist nur noch etwa ein Drittel lieferbar. Hier sollte Abhilfe geschaffen werden, so schnell wie möglich. Kraus, von einigen Kundigen im Metier der „erste Blogger“ genannt, war nie so wertvoll wie heute, könnte es noch intensiver sein, wenn er wieder vollständiger zugänglich wäre.
Unter denen, die Kraus nicht goutierte, war der berühmteste Theaterkritiker seiner Epoche, Alfred Kerr. In mehreren Stufen polemisierte Kraus gegen Kerr, dem er vor allem seine ziemlich peinlichen „politischen“ Gedichte aus der ersten Zeit des Weltkriegs nicht verzeihen wollte. Kerr wusste sich schließlich nicht anders als mit antisemitisch durchtränkten Hassgedichten zu wehren. Kraus druckte diese bei sich erneut ab und setzte danach an mit: „Es ist das Stärkste, was ich bisher gegen den Kerr unternommen habe. Gewiß, ich habe ihn in die Verzweiflung getrieben; aber er, er hat vollendet. Ich habe ihn gewürgt, aber er hat sich erdrosselt. Es ist mein Verhängnis, daß mir die Leute, die ich umbringen will, unter der Hand sterben.“
Wer Freude an literarischer Polemik dieses Kalibers hat, der sollte zu diesem Band greifen. Selbst Kraus-Anhänger haben allerdings gelegentlich Schwierigkeiten mit dem titelgebenden Essay „Heine und die Folgen“, einem relativ frühen Text von 1910, sicher dem bis heute bekanntesten Text aus diesem Bereich seines Gesamtwerks. Manche dieser Krausianer meinen, es wäre eventuell der einzige Text, den Kraus später gerne zurückgenommen hätte. Aber er hat eigentlich nie etwas zurückgenommen – die einzige, allerdings beträchtliche Ausnahme betrifft sein Verhältnis zum Judentum, wo er seine frühen, teilweise problematischen Einstellungen immerhin modifizierte. Und Kraus war nicht bereit, seine vor allem sprachlich-dichterischen Einwände deswegen zurückzuhalten, weil Heine immer wieder die Zielscheibe antisemitischer Ranküne war. „Heine hat das Höchste geschaffen, was mit der Sprache zu schaffen ist. Höher steht, was aus der Sprache geschaffen wird.“
Kraus hat als Polemiker keinen Nachfolger gefunden. Noch größer mag er jedoch erscheinen, wenn er schwärmen kann. Dieses Schwärmen ist jedoch bei ihm kein Stammeln in Begeisterung, sondern es sind funkelnde Plädoyers für Autoren und Texte, die er für verkannt, verhunzt, verbogen hielt. Die neue Edition enthält die wichtigsten dieser Plädoyers. Seine letzten Lebensjahre widmete er neben dem Kampf gegen die Mächte des Untergangs vor allem der Arbeit an Shakespeare. Der vorletzte Satz seines letzten Briefes an seine Lebensfreundin Sidonie Nádherný von Borutin lautet: „Die Weltdummheit macht jede Arbeit – außer an Shakespeare – unmöglich.“ Bei Shakespeare handelte es sich um einen Autor, der außerordentlich lebendig war, in Kraus’ Sicht allerdings im deutschsprachigen Raum in einem falschen Lichte stand. Bei Johann Nestroy und Jacques Offenbach sah das damals schon anders aus, erst recht heute. Nestroy, zu Kraus’ Zeiten jedenfalls im österreichischen Theater viel, wenn auch in seiner Sicht falsch aufgeführt, ist heute nahezu verschwunden, und dies auch im österreichischen Theater. Der „sprachverbuhlte Humor“, die „geschriebene Schauspielkunst“, die satirische Urkraft, die Kraus in Nestroy sah, sie finden keinen Widerhall mehr auf dem Theater von heute, in dem Sprachverbuhltheit, Schauspielkunst und Satire nicht zu den zentralen Richtmaßen theatralischer Anstrengung zu gehören scheinen. Liest man „Nestroy und die Nachwelt“ in diesem Band nach, weiß man wenigstens, welch ein Verlust das ist, und trauert jenen noch nicht allzu lang zurückliegenden Zeiten nach, als es Theatermenschen wie Otto Schenk und Helmut Lohner noch gelang, das Nestroy’sche Sprach- und Witzfeuer ein letztes Mal zu entfachen.
Bei Nestroy gelang es selbst Kraus nicht, sich erfolgreich gegen den Strom des Verhunzens und Vergessens zu stemmen. Und es war schon eine bewunderungswürdige Kühnheit von Jonathan Franzen, im letzten Jahr in seinem „Kraus Project“ gerade den Heine- und den Nestroy-Essay seinem angloamerikanischen Lesepublikum in einer zweisprachigen und kommentierten Ausgabe zu präsentieren.
Im Falle der Offenbach’schen Operetten schien es eine Zeitlang so, als ob Kraus erfolgreicher sein könnte. Offenbach war für ihn Literatur in dem Sinne, dass auch scheinbar alberne Verse in Verbindung mit Offenbachs genialer Musik den geistvollen Unsinn der Werke erst zur Blüte bringen, und deshalb beziehen die Herausgeber den entsprechenden Text mit Recht hier ein. Er gab seiner inständigen Bemühung den Namen „Offenbach-Renaissance“. Offenbach und seine Operetten (die Oper „Hoffmanns Erzählungen“ war immer populär) wurden im deutschen Sprachraum noch viel stärker verhunzt als die Possen Nestroys, die Schwierigkeiten damit waren allerdings in der Übertragung in die andere Sprache und die andere Zeit (dies betraf, ähnlich wie bei Nestroy, die Elemente der Zeitkritik in den Werken) auch größer. Mit seinen auch von Walter Benjamin akklamierten Bearbeitungen, die er immer wieder selbst auf dem Podium vortrug, alle Rollen, auch Ensembles, sprechend und singend (es haben sich einige wenige erstaunliche Tondokumente erhalten), schaffte Kraus es für einige Zeit, bis Rassenideologie den Komponisten verfemte, das Interesse an Offenbach deutlich zu steigern, auch wenn die meisten Theaterverantwortlichen die Anregung schamhaft verschwiegen. Er hielt die Offenbach’sche Operette für diejenige Kunstform, in der sich die Absurdität dieser Welt in Aktion, Gesang und souveräner Planlosigkeit selbst zur Kenntlichkeit entstellte.
Dass man die Überlieferung immer von neuem dem Konformismus abgewinnen müsse, war nicht nur Walter Benjamins Überzeugung, sondern auch die von Karl Kraus. Dieser Band, bei Wallstein erschienen, ist dafür ein grundlegendes Lesebuch.
JENS MALTE FISCHER
Karl Kraus: Heine und
die Folgen. Schriften zur Literatur. Herausgegeben und kommentiert von
Christian Wagenknecht
und Eva Willms. Wallstein Verlag, Göttingen 2014.
463 Seiten, 32 Euro.
E-Book 25,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Für die Freunde literarischer Polemik und sprachverliebten Humors : Karl Kraus und die Literatur
„Im Anfang war das Rezensionsexemplar, und einer bekam es vom Verleger zugeschickt. Dann schrieb er eine Rezension. Dann schrieb er ein Buch, welches der Verleger annahm und als Rezensionsexemplar weitergab. Der nächste, der es bekam, tat desgleichen. So ist die moderne Literatur entstanden.“
Dieser Aphorismus von Karl Kraus lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er zum Literaten wie zum Rezensenten nicht geeignet war. Rezensionen hat er nur einige wenige ganz zu Beginn seiner Laufbahn in sehr jungen Jahren geschrieben, als die Fackel noch nicht gegründet war, in der er 37 Jahre und 23 000 Seiten lang sich um nichts bekümmerte als um den Zustand der Sprache und den der Welt – beide Zustände konnte er nur in engstem Zusammenhang analysieren. Und die Zusendung von Rezensionsexemplaren hat sich die Redaktion der Fackel , die nur aus einem Menschen, nämlich Kraus, bestand, verbeten. Dennoch hat er sich immer wieder zur Literatur geäußert, vor allem zu den Großen, die in seinem literarischen Pantheon, das sehr eigenwillige Züge trug, die Säulen waren: zu Wedekind, Peter Altenberg, Else Lasker-Schüler, Strindberg, Shakespeare, Goethe, Jean Paul, Raimund und Nestroy.
Neben den Säulen gab es aber auch Rumpelkammern und Schmutzecken in diesem Pantheon, denn so sehr und emphatisch Kraus lieben und verehren konnte, so sehr und mit dem gleichen Furor konnte er auch verurteilen. In dem Band mit seinen Schriften zur Literatur, den Christian Wagenknecht und Eva Willms in kundiger Kommentierung und penibler Edition nun vorgelegt haben, sind beide Seiten der Kraus’schen Bemühung gleichermaßen vertreten. Nebenbei, aber nicht nebensächlich: Von der so verdienstvollen Ausgabe der Kraus’schen Schriften, die Wagenknecht zwischen 1986 und 1994 bei Suhrkamp herausgab, ist nur noch etwa ein Drittel lieferbar. Hier sollte Abhilfe geschaffen werden, so schnell wie möglich. Kraus, von einigen Kundigen im Metier der „erste Blogger“ genannt, war nie so wertvoll wie heute, könnte es noch intensiver sein, wenn er wieder vollständiger zugänglich wäre.
Unter denen, die Kraus nicht goutierte, war der berühmteste Theaterkritiker seiner Epoche, Alfred Kerr. In mehreren Stufen polemisierte Kraus gegen Kerr, dem er vor allem seine ziemlich peinlichen „politischen“ Gedichte aus der ersten Zeit des Weltkriegs nicht verzeihen wollte. Kerr wusste sich schließlich nicht anders als mit antisemitisch durchtränkten Hassgedichten zu wehren. Kraus druckte diese bei sich erneut ab und setzte danach an mit: „Es ist das Stärkste, was ich bisher gegen den Kerr unternommen habe. Gewiß, ich habe ihn in die Verzweiflung getrieben; aber er, er hat vollendet. Ich habe ihn gewürgt, aber er hat sich erdrosselt. Es ist mein Verhängnis, daß mir die Leute, die ich umbringen will, unter der Hand sterben.“
Wer Freude an literarischer Polemik dieses Kalibers hat, der sollte zu diesem Band greifen. Selbst Kraus-Anhänger haben allerdings gelegentlich Schwierigkeiten mit dem titelgebenden Essay „Heine und die Folgen“, einem relativ frühen Text von 1910, sicher dem bis heute bekanntesten Text aus diesem Bereich seines Gesamtwerks. Manche dieser Krausianer meinen, es wäre eventuell der einzige Text, den Kraus später gerne zurückgenommen hätte. Aber er hat eigentlich nie etwas zurückgenommen – die einzige, allerdings beträchtliche Ausnahme betrifft sein Verhältnis zum Judentum, wo er seine frühen, teilweise problematischen Einstellungen immerhin modifizierte. Und Kraus war nicht bereit, seine vor allem sprachlich-dichterischen Einwände deswegen zurückzuhalten, weil Heine immer wieder die Zielscheibe antisemitischer Ranküne war. „Heine hat das Höchste geschaffen, was mit der Sprache zu schaffen ist. Höher steht, was aus der Sprache geschaffen wird.“
Kraus hat als Polemiker keinen Nachfolger gefunden. Noch größer mag er jedoch erscheinen, wenn er schwärmen kann. Dieses Schwärmen ist jedoch bei ihm kein Stammeln in Begeisterung, sondern es sind funkelnde Plädoyers für Autoren und Texte, die er für verkannt, verhunzt, verbogen hielt. Die neue Edition enthält die wichtigsten dieser Plädoyers. Seine letzten Lebensjahre widmete er neben dem Kampf gegen die Mächte des Untergangs vor allem der Arbeit an Shakespeare. Der vorletzte Satz seines letzten Briefes an seine Lebensfreundin Sidonie Nádherný von Borutin lautet: „Die Weltdummheit macht jede Arbeit – außer an Shakespeare – unmöglich.“ Bei Shakespeare handelte es sich um einen Autor, der außerordentlich lebendig war, in Kraus’ Sicht allerdings im deutschsprachigen Raum in einem falschen Lichte stand. Bei Johann Nestroy und Jacques Offenbach sah das damals schon anders aus, erst recht heute. Nestroy, zu Kraus’ Zeiten jedenfalls im österreichischen Theater viel, wenn auch in seiner Sicht falsch aufgeführt, ist heute nahezu verschwunden, und dies auch im österreichischen Theater. Der „sprachverbuhlte Humor“, die „geschriebene Schauspielkunst“, die satirische Urkraft, die Kraus in Nestroy sah, sie finden keinen Widerhall mehr auf dem Theater von heute, in dem Sprachverbuhltheit, Schauspielkunst und Satire nicht zu den zentralen Richtmaßen theatralischer Anstrengung zu gehören scheinen. Liest man „Nestroy und die Nachwelt“ in diesem Band nach, weiß man wenigstens, welch ein Verlust das ist, und trauert jenen noch nicht allzu lang zurückliegenden Zeiten nach, als es Theatermenschen wie Otto Schenk und Helmut Lohner noch gelang, das Nestroy’sche Sprach- und Witzfeuer ein letztes Mal zu entfachen.
Bei Nestroy gelang es selbst Kraus nicht, sich erfolgreich gegen den Strom des Verhunzens und Vergessens zu stemmen. Und es war schon eine bewunderungswürdige Kühnheit von Jonathan Franzen, im letzten Jahr in seinem „Kraus Project“ gerade den Heine- und den Nestroy-Essay seinem angloamerikanischen Lesepublikum in einer zweisprachigen und kommentierten Ausgabe zu präsentieren.
Im Falle der Offenbach’schen Operetten schien es eine Zeitlang so, als ob Kraus erfolgreicher sein könnte. Offenbach war für ihn Literatur in dem Sinne, dass auch scheinbar alberne Verse in Verbindung mit Offenbachs genialer Musik den geistvollen Unsinn der Werke erst zur Blüte bringen, und deshalb beziehen die Herausgeber den entsprechenden Text mit Recht hier ein. Er gab seiner inständigen Bemühung den Namen „Offenbach-Renaissance“. Offenbach und seine Operetten (die Oper „Hoffmanns Erzählungen“ war immer populär) wurden im deutschen Sprachraum noch viel stärker verhunzt als die Possen Nestroys, die Schwierigkeiten damit waren allerdings in der Übertragung in die andere Sprache und die andere Zeit (dies betraf, ähnlich wie bei Nestroy, die Elemente der Zeitkritik in den Werken) auch größer. Mit seinen auch von Walter Benjamin akklamierten Bearbeitungen, die er immer wieder selbst auf dem Podium vortrug, alle Rollen, auch Ensembles, sprechend und singend (es haben sich einige wenige erstaunliche Tondokumente erhalten), schaffte Kraus es für einige Zeit, bis Rassenideologie den Komponisten verfemte, das Interesse an Offenbach deutlich zu steigern, auch wenn die meisten Theaterverantwortlichen die Anregung schamhaft verschwiegen. Er hielt die Offenbach’sche Operette für diejenige Kunstform, in der sich die Absurdität dieser Welt in Aktion, Gesang und souveräner Planlosigkeit selbst zur Kenntlichkeit entstellte.
Dass man die Überlieferung immer von neuem dem Konformismus abgewinnen müsse, war nicht nur Walter Benjamins Überzeugung, sondern auch die von Karl Kraus. Dieser Band, bei Wallstein erschienen, ist dafür ein grundlegendes Lesebuch.
JENS MALTE FISCHER
Karl Kraus: Heine und
die Folgen. Schriften zur Literatur. Herausgegeben und kommentiert von
Christian Wagenknecht
und Eva Willms. Wallstein Verlag, Göttingen 2014.
463 Seiten, 32 Euro.
E-Book 25,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»eine schöne neue Ausgabe (...), die eine gut getroffene Auswahl von Kraus' 'Schriften zur Literatur' versammelt« (Helmut Mayer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2014)