Die Geschichte des Studenten Ullrich Krause ist ein moderner Entwicklungsroman, in dem Uwe Timm ein atmosphärisch dichtes Bild von den Anfängen der Studentenbewegung zeichnet.
Spannend, witzig, mit einem ironischen Blick auf die bisweilen komischen Züge der Studentenrevolte erzählt »Heißer Sommer« von allen exemplarischen Stadien der Politisierung jener Jahre.»Heißer Sommer«, eines der wenigen literarischen Zeugnisse der Revolte von 1967, ist heute, 40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen im Herbst 1974, selbst ein Stück Geschichte. Durch seine Genauigkeit, seine Ironie und Authentizität hält es gleichzeitig uneingeholte politische Erwartungen wach. Die Atmosphäre eines bewegenden historischen Moments mit all seinen Spannungen, Aufbrüchen, beschleunigten Entwicklungen wirkt ungebrochen lebendig und aktuell.
»Für mich, der ich damals draußen stand, ist 'Heißer Sommer' eines der wichtigsten Bücher.« Alfred Andersch
Spannend, witzig, mit einem ironischen Blick auf die bisweilen komischen Züge der Studentenrevolte erzählt »Heißer Sommer« von allen exemplarischen Stadien der Politisierung jener Jahre.»Heißer Sommer«, eines der wenigen literarischen Zeugnisse der Revolte von 1967, ist heute, 40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen im Herbst 1974, selbst ein Stück Geschichte. Durch seine Genauigkeit, seine Ironie und Authentizität hält es gleichzeitig uneingeholte politische Erwartungen wach. Die Atmosphäre eines bewegenden historischen Moments mit all seinen Spannungen, Aufbrüchen, beschleunigten Entwicklungen wirkt ungebrochen lebendig und aktuell.
»Für mich, der ich damals draußen stand, ist 'Heißer Sommer' eines der wichtigsten Bücher.« Alfred Andersch
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2008Ullrichs allmähliche Bewusstwerdung
Uwe Timm: „Heißer Sommer”
„Abends würde er in München sein. Er freute sich.” Das sind die letzten beiden Sätze von Uwe Timms „Heißer Sommer”. Keine Sorge, das ist nicht noch eines von diesen München-ist-sowieso-das-Tollste-Bücher. Wenn man ehrlich ist, ist es nicht einmal ein München-Buch, sondern ein Buch, das in Hamburg spielen muss, weil es in München im Sommer begonnen hat.
München im Sommer ist träge, schwül, schwitzig. Man bringt nicht viel zustande im Münchner Sommer. Man fährt lieber an den See, als im Zimmer zu sitzen und eine Seminararbeit zu schreiben. Frauen kann man als Mann, als junger Mann zumal, im Münchner Sommer auch nicht so recht brauchen. Es ist zu heiß für die Liebe, und im Sommer nervt die Beziehung noch viel mehr als im Herbst oder gar im Frühling. Überhaupt nervt vieles in München: die Zimmerwirtinnen, die elenden Studentenjobs, die Besserwisser. München im Sommer ist träge und macht träge.
Genau so geht es Ullrich, der im Sommer 1968 mit seinem Studium nicht vorankommt. Mit großen Augen beobachtet er, wie die Welt um ihn herum plötzlich Blasen wirft, wie sie in Berlin Benno Ohnesorg erschießen, wie gegen den Schah und Axel Springer demonstriert wird – sogar im trägen München. Noch ist Ullrich nur Mitläufer. Noch denkt er nicht so sehr an die Revolution.
Dann aber verlässt Ullrich das träge München. Er geht nach Hamburg und erlebt dort das, was viel früher schon Candide oder Wilhelm Meister erlebt haben: Er entwickelt sich. Sehr gekonnt erzählt Timm von Ullrichs allmählicher Bewusstwerdung. Dafür, dass Timm selbst Kommunist, ja sogar eine Zeitlang DKPist war, sind Ullrichs Hamburger linke Lehrmonate erstaunlich ironisch und distanziert beschrieben. Ganz unmissionarisch ist das Buch nicht, zum Beispiel dann, wenn der in die Fabrik abgewanderte Ullrich die tief in der Seele des Arbeiters wohnende Klassensolidarität erlebt. Das ist einerseits linksromantisches Geschwurbel, auch wenn es halbwegs nüchtern vorgetragen wird. Andererseits machten solche Wahrnehmungen auch 1968 aus.
Timms Buch, 1974 erstmals erschienen, ist der Roman eines Dabeigewesenen, eines, der erlebt hat, wie man über Gewalt gegen Sachen diskutierte, wie die 68er wütend waren und warum sie noch wütender wurden angesichts der vielfältigen Reinkarnationen des schrecklichen Deutschlands ihrer Väter. 1974 war das Buch der Roman eines jungen Mannes über den politisierten Teil der jungen Generation. Heute gehen diese jungen Leute auf die siebzig zu, Uwe Timm ist gerade 68 Jahre alt geworden. Doch, sie haben viel erreicht, diese meist zögerlichen Revolutionäre, von denen viele, auch Timms Ullrich, mehr damit beschäftigt waren, sich selbst und nicht das Proletariat zu befreien. Aber dass heute in Hamburg ein schwuler Adliger für die CDU gemeinsam mit den Grünen die Stadt regiert, ist ebenso eine Folge der von Uwe Timm so trefflich charakterisierten 68er wie die Tatsache, dass 2008 im trägen München das rot-grüne Milieu bewusstseinsbestimmend ist. So gesehen ist „Heißer Sommer” dann doch ein München-Buch. Hat man es gelesen, versteht man Deutschland besser – und vielleicht sogar München. KURT KISTER
Uwe Timm Foto: J. Bauer / SZ-Photo
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Uwe Timm: „Heißer Sommer”
„Abends würde er in München sein. Er freute sich.” Das sind die letzten beiden Sätze von Uwe Timms „Heißer Sommer”. Keine Sorge, das ist nicht noch eines von diesen München-ist-sowieso-das-Tollste-Bücher. Wenn man ehrlich ist, ist es nicht einmal ein München-Buch, sondern ein Buch, das in Hamburg spielen muss, weil es in München im Sommer begonnen hat.
München im Sommer ist träge, schwül, schwitzig. Man bringt nicht viel zustande im Münchner Sommer. Man fährt lieber an den See, als im Zimmer zu sitzen und eine Seminararbeit zu schreiben. Frauen kann man als Mann, als junger Mann zumal, im Münchner Sommer auch nicht so recht brauchen. Es ist zu heiß für die Liebe, und im Sommer nervt die Beziehung noch viel mehr als im Herbst oder gar im Frühling. Überhaupt nervt vieles in München: die Zimmerwirtinnen, die elenden Studentenjobs, die Besserwisser. München im Sommer ist träge und macht träge.
Genau so geht es Ullrich, der im Sommer 1968 mit seinem Studium nicht vorankommt. Mit großen Augen beobachtet er, wie die Welt um ihn herum plötzlich Blasen wirft, wie sie in Berlin Benno Ohnesorg erschießen, wie gegen den Schah und Axel Springer demonstriert wird – sogar im trägen München. Noch ist Ullrich nur Mitläufer. Noch denkt er nicht so sehr an die Revolution.
Dann aber verlässt Ullrich das träge München. Er geht nach Hamburg und erlebt dort das, was viel früher schon Candide oder Wilhelm Meister erlebt haben: Er entwickelt sich. Sehr gekonnt erzählt Timm von Ullrichs allmählicher Bewusstwerdung. Dafür, dass Timm selbst Kommunist, ja sogar eine Zeitlang DKPist war, sind Ullrichs Hamburger linke Lehrmonate erstaunlich ironisch und distanziert beschrieben. Ganz unmissionarisch ist das Buch nicht, zum Beispiel dann, wenn der in die Fabrik abgewanderte Ullrich die tief in der Seele des Arbeiters wohnende Klassensolidarität erlebt. Das ist einerseits linksromantisches Geschwurbel, auch wenn es halbwegs nüchtern vorgetragen wird. Andererseits machten solche Wahrnehmungen auch 1968 aus.
Timms Buch, 1974 erstmals erschienen, ist der Roman eines Dabeigewesenen, eines, der erlebt hat, wie man über Gewalt gegen Sachen diskutierte, wie die 68er wütend waren und warum sie noch wütender wurden angesichts der vielfältigen Reinkarnationen des schrecklichen Deutschlands ihrer Väter. 1974 war das Buch der Roman eines jungen Mannes über den politisierten Teil der jungen Generation. Heute gehen diese jungen Leute auf die siebzig zu, Uwe Timm ist gerade 68 Jahre alt geworden. Doch, sie haben viel erreicht, diese meist zögerlichen Revolutionäre, von denen viele, auch Timms Ullrich, mehr damit beschäftigt waren, sich selbst und nicht das Proletariat zu befreien. Aber dass heute in Hamburg ein schwuler Adliger für die CDU gemeinsam mit den Grünen die Stadt regiert, ist ebenso eine Folge der von Uwe Timm so trefflich charakterisierten 68er wie die Tatsache, dass 2008 im trägen München das rot-grüne Milieu bewusstseinsbestimmend ist. So gesehen ist „Heißer Sommer” dann doch ein München-Buch. Hat man es gelesen, versteht man Deutschland besser – und vielleicht sogar München. KURT KISTER
Uwe Timm Foto: J. Bauer / SZ-Photo
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