In der Hafenstadt Guam herrscht das Verbrechen. Um zu überleben, ist den Menschen jedes Mittel recht. Auch Huisu ist mit allen Wassern gewaschen. Seit zwanzig Jahren erledigt er für Old Son, den Kopf von Guams Unterwelt, die Drecksarbeit. Von Bestechung über Schmuggelei bis hin zum Auftragsmord - Huisu schreckt vor nichts zurück. Doch seine Loyalität zahlt sich nicht aus, stets steht er im Schatten seines übermächtigen Bosses. Dann aber erhält Huisu ein verlockendes Angebot von einem Konkurrenten. Er sagt sich von Old Son los und zieht sein eigenes Glücksspielgeschäft auf. Als eine fremde Gang versucht, die Macht in Guam zu übernehmen, geraten die Dinge außer Kontrolle ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2020Täglicher Rassismus
Krimis in Kürze: Marcie Rendon, Un-Su Kim und Leonard Bell
Native Americans gehören nicht gerade zu den Stammgästen in amerikanischen Kriminalromanen - allenfalls als Delinquenten. Tony Hillerman immerhin hat vor Jahren mit einigem Erfolg Navajo-Polizisten in New Mexico ermitteln lassen; an der Repräsentation der ethnischen Minderheit und ihrer Lebenswelten hat das allerdings nicht viel geändert.
Auch Marcie Rendon, achtundsechzig Jahre alt und Angehörige der im nordwestlichen Minnesota beheimateten White Earth Nation, dürfte das kaum gelingen. Aber das ist kein Grund, ihre Bücher nicht zu lesen. Der Roman "Stadt, Land, Raub" (Ariadne im Argument Verlag, 240 S., br., 13,- [Euro]) ist bereits die zweite Begegnung mit Renee Blackbear, die es vorzieht, "Cash" genannt zu werden. Sie ist knapp zwanzig Jahre alt, lebt in Fargo, North Dakota, das wir seit dem gleichnamigen Film der Coen-Brüder und der Serie alle kennen, geht inzwischen aufs College, arbeitet nachts als Lkw-Fahrerin, spielt bei jeder Gelegenheit Poolbillard und trinkt manchmal auch mehr Bier, als es gut ist für sie.
Cash ist keine klassische Ermittlerin, sie gerät über ihren Mentor, den örtlichen Sheriff Wheaton, in einen Fall. Aber ihre Biographie ist exemplarisch für zahlreiche Native Americans um 1970, in der Zeit, in der Rendons Romane spielen. Sie hat mehr als eine Pflegefamilie überlebt, die Spur von Geschwistern und Eltern verloren, sie weiß, was Missbrauch ist und wie alltäglicher Rassismus funktioniert. Mit ihren 1,58 Metern Größe und ihrem fotografischen Gedächtnis ist sie dennoch keine indianische Lisbeth Salander, auch keine erwachende Aktivistin, obwohl ihr am College Leute vom American Indian Movement begegnen. Sie ist eine junge White-Earth-Frau, die ihren Weg sucht, und Marcie Rendon erzählt von ihr und ihrer Welt auf eine so lebendige, zugewandte Weise, dass man sehr gerne zuhört.
Auch Südkorea ist nicht gerade eine vertraute Krimiregion, wenngleich es in den letzten Jahren einige starke Auftritte gab. Unter anderem von Un-Su Kim, der jetzt mit "Heißes Blut" (Europa Verlag, 582 S., geb., 24,- [Euro]) zum zweiten Mal ins Deutsche übersetzt wird - leider aus dem Französischen, was darauf schließen lässt, dass da einiges lost in translation ist. Die Gangster-Story aus Busan ist koreanisches Noir, und wer schon einmal einen koreanischen Kriminalfilm gesehen hat, der hat eine brauchbare Vorstellung von der Härte und Unbarmherzigkeit, mit der in diesem Milieu die Dinge geregelt werden.
"Heißes Blut" erzählt vom ehemaligen Boxer Huisu, der sich vom geizigen Unterwelt-Boss Vater Son löst, um seine eigenen Geschäfte zu machen. Glamouröse Gangster sehen anders aus, Huisu ist um die vierzig, neigt zu Depression und Magenproblemen, zockt zu viel und liebt unglücklich die Prostituierte Insuk. Aber er ist noch immer skrupellos und brutal genug, um nicht unter die Räder zu kommen.
Das Faszinierende an Kims Roman ist, dass er ein in sich geschlossenes Universum beschreibt. Ein bürgerliches oder ziviles Jenseits zu Ökonomie und Konkurrenz der Gangsterbanden scheint es so gut wie gar nicht zu geben, so wenig wie einen Staatsapparat, der in der Lage wäre, mehr als nur ein paar Gefängnisstrafen durchzusetzen.
Weder hart noch augenöffnend dagegen ist "Der Petticoat-Mörder" (Ullstein, 432 S., br., 9,99 [Euro]) von Leonard Bell. Sondern bloß exemplarisch dafür, wie ein historischer Berlin-Roman nicht sein sollte. Warum der Autor unter Pseudonym schreibt, ist unklar; dass seine "heimliche Leidenschaft" (Verlagsangabe) für die fünfziger Jahre nicht immer mit leidenschaftlicher Recherche verbunden ist, wird dagegen schnell klar, wenn schon anfangs einer im Jahr 1958 von Tegel aus nach Westdeutschland fliegen soll; und wenn die Bürgergattin ihre allmorgendlichen Croissants verzehrt, ist das gewissermaßen avant la lettre.
Auch sonst bleibt die Geschichte um den jungen Kripo-Quereinsteiger Fred Lemke und die alten Nazis im Polizeiapparat weitgehend spannungsfrei und wird auch wenig plausibel aufgelöst. Der Titelzusatz "Fred Lemkes erster Fall" ist keine Ankündigung, auf die man gewartet hätte.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Marcie Rendon, Un-Su Kim und Leonard Bell
Native Americans gehören nicht gerade zu den Stammgästen in amerikanischen Kriminalromanen - allenfalls als Delinquenten. Tony Hillerman immerhin hat vor Jahren mit einigem Erfolg Navajo-Polizisten in New Mexico ermitteln lassen; an der Repräsentation der ethnischen Minderheit und ihrer Lebenswelten hat das allerdings nicht viel geändert.
Auch Marcie Rendon, achtundsechzig Jahre alt und Angehörige der im nordwestlichen Minnesota beheimateten White Earth Nation, dürfte das kaum gelingen. Aber das ist kein Grund, ihre Bücher nicht zu lesen. Der Roman "Stadt, Land, Raub" (Ariadne im Argument Verlag, 240 S., br., 13,- [Euro]) ist bereits die zweite Begegnung mit Renee Blackbear, die es vorzieht, "Cash" genannt zu werden. Sie ist knapp zwanzig Jahre alt, lebt in Fargo, North Dakota, das wir seit dem gleichnamigen Film der Coen-Brüder und der Serie alle kennen, geht inzwischen aufs College, arbeitet nachts als Lkw-Fahrerin, spielt bei jeder Gelegenheit Poolbillard und trinkt manchmal auch mehr Bier, als es gut ist für sie.
Cash ist keine klassische Ermittlerin, sie gerät über ihren Mentor, den örtlichen Sheriff Wheaton, in einen Fall. Aber ihre Biographie ist exemplarisch für zahlreiche Native Americans um 1970, in der Zeit, in der Rendons Romane spielen. Sie hat mehr als eine Pflegefamilie überlebt, die Spur von Geschwistern und Eltern verloren, sie weiß, was Missbrauch ist und wie alltäglicher Rassismus funktioniert. Mit ihren 1,58 Metern Größe und ihrem fotografischen Gedächtnis ist sie dennoch keine indianische Lisbeth Salander, auch keine erwachende Aktivistin, obwohl ihr am College Leute vom American Indian Movement begegnen. Sie ist eine junge White-Earth-Frau, die ihren Weg sucht, und Marcie Rendon erzählt von ihr und ihrer Welt auf eine so lebendige, zugewandte Weise, dass man sehr gerne zuhört.
Auch Südkorea ist nicht gerade eine vertraute Krimiregion, wenngleich es in den letzten Jahren einige starke Auftritte gab. Unter anderem von Un-Su Kim, der jetzt mit "Heißes Blut" (Europa Verlag, 582 S., geb., 24,- [Euro]) zum zweiten Mal ins Deutsche übersetzt wird - leider aus dem Französischen, was darauf schließen lässt, dass da einiges lost in translation ist. Die Gangster-Story aus Busan ist koreanisches Noir, und wer schon einmal einen koreanischen Kriminalfilm gesehen hat, der hat eine brauchbare Vorstellung von der Härte und Unbarmherzigkeit, mit der in diesem Milieu die Dinge geregelt werden.
"Heißes Blut" erzählt vom ehemaligen Boxer Huisu, der sich vom geizigen Unterwelt-Boss Vater Son löst, um seine eigenen Geschäfte zu machen. Glamouröse Gangster sehen anders aus, Huisu ist um die vierzig, neigt zu Depression und Magenproblemen, zockt zu viel und liebt unglücklich die Prostituierte Insuk. Aber er ist noch immer skrupellos und brutal genug, um nicht unter die Räder zu kommen.
Das Faszinierende an Kims Roman ist, dass er ein in sich geschlossenes Universum beschreibt. Ein bürgerliches oder ziviles Jenseits zu Ökonomie und Konkurrenz der Gangsterbanden scheint es so gut wie gar nicht zu geben, so wenig wie einen Staatsapparat, der in der Lage wäre, mehr als nur ein paar Gefängnisstrafen durchzusetzen.
Weder hart noch augenöffnend dagegen ist "Der Petticoat-Mörder" (Ullstein, 432 S., br., 9,99 [Euro]) von Leonard Bell. Sondern bloß exemplarisch dafür, wie ein historischer Berlin-Roman nicht sein sollte. Warum der Autor unter Pseudonym schreibt, ist unklar; dass seine "heimliche Leidenschaft" (Verlagsangabe) für die fünfziger Jahre nicht immer mit leidenschaftlicher Recherche verbunden ist, wird dagegen schnell klar, wenn schon anfangs einer im Jahr 1958 von Tegel aus nach Westdeutschland fliegen soll; und wenn die Bürgergattin ihre allmorgendlichen Croissants verzehrt, ist das gewissermaßen avant la lettre.
Auch sonst bleibt die Geschichte um den jungen Kripo-Quereinsteiger Fred Lemke und die alten Nazis im Polizeiapparat weitgehend spannungsfrei und wird auch wenig plausibel aufgelöst. Der Titelzusatz "Fred Lemkes erster Fall" ist keine Ankündigung, auf die man gewartet hätte.
PETER KÖRTE
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
"Heißes Blut" ist der zweite Teil einer Trilogie des südkoreanischen Autors Un-su Kim, die mit "Die Plotter" begann, informiert uns Rezensent Bernd Graff in seiner Kurzkritik und die um einige Berufskiller kreist. Ihm scheint der Roman mit seiner Mischung aus Psychologie und Abgebrühtheit gut gefallen zu haben. Jedenfalls lobt er ausdrücklich Kims Meisterschaft, noch die verrücktesten und ausgefallensten Taten als plausibel und "unbedingt zeitgemäß" zu beschreiben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2020Der Boxer bleibt
Un-su Kim serviert seinen
schrillen Thriller schockgefroren
Guam kann sehr kalt sein. Der südkoreanische Autor Un-su Kim, 48, hatte den internationalen Thriller-Markt mit einem Überraschungscoup überrumpelt. Sein Roman „Die Plotter“ erschien 2017 in einer französischen Übersetzung und war wie ein Wink mit der Wumme, den noch jeder verstanden hat. Ein Waisenkind, dazu ohne jede Schulbildung, wird von einem warmherzigen „Old Racoon“ aus jeder Schicksalspein erlöst, indem er aus ihm einen Auftragskiller macht. Er reüssiert in einem strikt arbeitsteilig und effizient arbeitenden Mördermetier. Die Plotter planen, Tracker tracken und die Killer killen. Einfach geht es zu bei Un-Su Kim.
Sein Buch war wegen des schrillen Humors, des einsamen Helden, der globalisierungskritischen Brutalität ein durchschlagender Erfolg, es wurde preisgekrönt und gleich in mehrere Sprachen übersetzt, die deutsche Version erschien wie Kims neuester Streich „Heißes Blut“ im Europa-Verlag. Beide Romane sind Teil einer angekündigten Trilogie, die von den Abscheulichkeiten böser Männer handelt, die sich bei allem Handlungserfolg im Grunde doch selber hassen und mit jedem Mord ein Stück von sich selbst töten. Und doch: So heiter und beseelt waren abgebrühte Profis selten bei der Arbeit. Denn auch das blutigste Geschäft geht ja frisch von der Hand, wenn man denn einen Plan hat.
„Heißes Blut“ knüpft in diesem Sinne an den Vorläufer an. Der ehemalige Boxer Huisu ist nun ein Meistermanager zwielichtiger Geschäfte. Er wirkt offiziell als Chefangestellter eines Strandhotels, doch im eigentlichen Dunkel-Business muss, will und kann er Kunden mit dem Sashimi-Messer überzeugen wie kein zweiter. Oder dann eben auch mal nicht. Un-su Kim hat eine schier unglaubliche Gabe, noch die krudesten Handlungen und Verhaltensweisen plausibel, fast modern, rational und unbedingt zeitgemäß erscheinen zu lassen. Und darum ist es auch nur logisch, dass Gangster keinen Anzug tragen sollten.
BERND GRAFF
Un-su Kim:
Heißes Blut.
Thriller. Aus dem
Französischen von Sabine Schwenk. Europa Verlag, München 2020.
584 Seiten, 24 Euro.
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Un-su Kim serviert seinen
schrillen Thriller schockgefroren
Guam kann sehr kalt sein. Der südkoreanische Autor Un-su Kim, 48, hatte den internationalen Thriller-Markt mit einem Überraschungscoup überrumpelt. Sein Roman „Die Plotter“ erschien 2017 in einer französischen Übersetzung und war wie ein Wink mit der Wumme, den noch jeder verstanden hat. Ein Waisenkind, dazu ohne jede Schulbildung, wird von einem warmherzigen „Old Racoon“ aus jeder Schicksalspein erlöst, indem er aus ihm einen Auftragskiller macht. Er reüssiert in einem strikt arbeitsteilig und effizient arbeitenden Mördermetier. Die Plotter planen, Tracker tracken und die Killer killen. Einfach geht es zu bei Un-Su Kim.
Sein Buch war wegen des schrillen Humors, des einsamen Helden, der globalisierungskritischen Brutalität ein durchschlagender Erfolg, es wurde preisgekrönt und gleich in mehrere Sprachen übersetzt, die deutsche Version erschien wie Kims neuester Streich „Heißes Blut“ im Europa-Verlag. Beide Romane sind Teil einer angekündigten Trilogie, die von den Abscheulichkeiten böser Männer handelt, die sich bei allem Handlungserfolg im Grunde doch selber hassen und mit jedem Mord ein Stück von sich selbst töten. Und doch: So heiter und beseelt waren abgebrühte Profis selten bei der Arbeit. Denn auch das blutigste Geschäft geht ja frisch von der Hand, wenn man denn einen Plan hat.
„Heißes Blut“ knüpft in diesem Sinne an den Vorläufer an. Der ehemalige Boxer Huisu ist nun ein Meistermanager zwielichtiger Geschäfte. Er wirkt offiziell als Chefangestellter eines Strandhotels, doch im eigentlichen Dunkel-Business muss, will und kann er Kunden mit dem Sashimi-Messer überzeugen wie kein zweiter. Oder dann eben auch mal nicht. Un-su Kim hat eine schier unglaubliche Gabe, noch die krudesten Handlungen und Verhaltensweisen plausibel, fast modern, rational und unbedingt zeitgemäß erscheinen zu lassen. Und darum ist es auch nur logisch, dass Gangster keinen Anzug tragen sollten.
BERND GRAFF
Un-su Kim:
Heißes Blut.
Thriller. Aus dem
Französischen von Sabine Schwenk. Europa Verlag, München 2020.
584 Seiten, 24 Euro.
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