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FUSSBALLBUCH DES JAHRES 2017! Durch seine großen Triumphe bei Welt- und Europameisterschaften gilt Helmut Schön bis heute als der erfolgreichste Nationaltrainer der Welt. Seine Mannschaft um Franz Beckenbauer und Günter Netzer zelebrierte zauberhaft schönen Fußball. Dieses sorgsam recherchierte Buch schildert Schöns Lebensweg: seine Nationalspieler-Karriere in der NS-Zeit, sein Überleben im kriegsverheerten Dresden, die Konflikte mit DDR-Funktionären, sein Ringen mit dem Trainerpatriarchen Sepp Herberger und sein Verhältnis zur Spielergeneration der rebellischen siebziger Jahre. Fünf…mehr

Produktbeschreibung
FUSSBALLBUCH DES JAHRES 2017! Durch seine großen Triumphe bei Welt- und Europameisterschaften gilt Helmut Schön bis heute als der erfolgreichste Nationaltrainer der Welt. Seine Mannschaft um Franz Beckenbauer und Günter Netzer zelebrierte zauberhaft schönen Fußball. Dieses sorgsam recherchierte Buch schildert Schöns Lebensweg: seine Nationalspieler-Karriere in der NS-Zeit, sein Überleben im kriegsverheerten Dresden, die Konflikte mit DDR-Funktionären, sein Ringen mit dem Trainerpatriarchen Sepp Herberger und sein Verhältnis zur Spielergeneration der rebellischen siebziger Jahre. Fünf Jahrzehnte deutscher Fußball, spannend verdichtet in der ersten Biografie über den berühmten Trainer.
Autorenporträt
Bernd Beyer, Jahrgang 1950, arbeitete zunächst als Tageszeitungsredakteur, danach studierte er Politik und Volkswirtschaft. Von 1981 bis 2015 war er als verantwortlicher Lektor im Verlag Die Werkstatt mit Schwerpunkt Fußballgeschichte tätig. Mitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur. Bernd-M. Beyer schreibt auch für den Die Werkstatt Blog. Alle Artikel findet ihr hier: Zum Blog
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2016

Zaudern? Ich nenne es gewissenhaft
Eine neue Biographie Helmut Schöns als Epochenbild

FRANKFURT. Die 0:1-Niederlage gegen die DDR, sie schmerzte den Trainer am meisten. Er habe nie einen Menschen gesehen wie Helmut Schön in der Kabine nach diesem Vorrundenspiel bei der Fußball-WM 1974, erzählt Berti Vogts in der neuen Biographie Bernd Beyers über den früheren Bundestrainer. "Wie er geschlagen war. Er hat auch zwei, drei Tage kaum mit uns gesprochen." Die folgenden Tage in Malente (die angebliche Machtübernahme durch den Kapitän Franz Beckenbauer, das gequälte Gesicht des Coaches) prägten das Image Schöns nachhaltig. Weshalb dieses Kapitel eine zentrale Rolle in dem monumentalen, über 500 Seiten starken Werk einnimmt.

Dass der "Mann mit der Mütze" als Trainer am Erfolg weniger Anteil am WM-Titel habe als Sepp Herberger 1954, gelte, weiß Beyer, "bis heute als gängige Meinung" - obwohl Schön mit den Titeln 1972 (EM) und 1974 (WM) unbestritten einer der erfolgreichsten Trainer überhaupt ist. Den pauschalen Vorwurf, ein Zauderer zu sein, die Entscheidungen bis zur letzten Minute aufzuheben, fand der Trainer ungerecht. "Zaudern ist so ein negatives Wort", sagte Schön. "Ich bin eher für das Wort ,Gewissenhaftigkeit'."

Und tatsächlich bewies Schön, wie Beyer mit erzählerischer Dichte belegt, bei der Kaderzusammenstellung oft großen Mut. So etwa beim WM-Qualifikationsspiel in Stockholm 1965, seiner ersten Bewährungsprobe als Nachfolger Sepp Herbergers. Dort brachte er zwei Debütanten: Peter Grosser (1860 München) und Franz Beckenbauer (Bayern), der erst sechs Bundesligapartien hinter sich hatte. Und ließ außerdem Uwe Seeler spielen, dessen Einsatz nach dem just auskurierten Achillessehnenriss riskant war. Bei der EM 1972 riskierte Schön mit der Aufstellung des Duos Paul Breitner und Uli Hoeneß ebenso viel.

Fußballerisch sozialisiert wurde Schön, 1915 als Sohn eines Kunsthändlers in Dresden geboren, durch Jimmy Hogan, den legendären Coach aus Schottland, der den kultivierten Kurzpass lehrte. Die Schönheit des Spiels verkörperte Schön auch als technisch versierter Mittelstürmer. Mit dem Dresdner SC wurde er zweimal Meister, dazu schoss er 17 Tore in 16 Länderspielen. "Die Charakterisierung ,zu weich' hörte Schön", schreibt Beyer, "schon in seiner Zeit als Spieler. Gegenüber dem Trainer Schön äußerte sich diese Kritik massiver, jetzt wurde die weiche Spielweise sozusagen auf seinen Charakter übertragen, und gemeint war: Er sei nicht durchsetzungsfähig gegenüber den Spielern."

Begonnen hatte diese Trainerkarriere noch in der DDR. Am 1. Mai 1949 wurde Schön Cheftrainer der DDR-Auswahl, blieb aber ohne Länderspiel. Als Schön im Januar 1950 beim Trainerlehrgang in Köln den Kontakt zu Bundestrainer Sepp Herberger wieder aktivierte, attestierten ihm die DDR-Funktionäre "undemokratisches Verhalten" und schassten ihn. Schön wurde nun abgehört. Kurz darauf flüchtete er über Berlin nach Wiesbaden.

Es folgten Jahre, in denen ihn Existenzängste plagten. Im Frühjahr 1952 wollte Schön ein Angebot des aufstrebenden 1. FC Köln annehmen, als ihn der Chef des Saarländischen Fußball-Bundes (SFB), Hermann Neuberger, als Verbandstrainer engagierte. Sein zweiter Job als Nationaltrainer (das Saarland war bis 1955 autonom) geriet zur Startrampe für seine Karriere im Deutschen Fußball-Bund (DFB): 1956 zum Assistenten Herbergers ernannt, bestimmte ihn der DFB 1962 zum Nachfolger - weshalb Schön, als Cheftrainer dreier deutscher Nationalteams, wie kein anderer die Nachkriegsgeschichte des deutschen Fußballs repräsentiert.

Der spektakuläre Stil jener Mannschaft um Beckenbauer und Günter Netzer, die 1972 erstmals in Wembley siegte und rauschhaft zum EM-Titel stürmte, legte die Messlatte für die WM 1974 hoch. Der Druck war extrem für Schön, und auch die Konflikte zwischen den selbstbewussten DFB-Funktionären und den zunehmend selbstbewussten Profis, die sich im Ausschluss der Spielerfrauen beim WM-Bankett wie auch beim Poker um Prämien äußerten, setzten ihm zu. Er hegte Rücktrittsgedanken. "Und wovon sollen wir leben?", fragte bang seine Frau.

Schön machte weiter. Einen würdigen Abschluss seiner Zeit bei der WM 1978 verhinderte nicht zuletzt DFB-Präsident Neuberger. "Der Pate" (Beyer) habe sich in die Belange Schöns eingemischt wie kein anderer DFB-Funktionär und beispielsweise die WM-Teilnahme der Legionäre Beckenbauer, Breitner und Uli Stielike verhindert (weil Neuberger nur Profis aus deutschen Klubs wollte). Als Neuberger während der WM 1978 Schön noch falsches Training vorwarf, kam es zum Zerwürfnis: "Das hat mich tief getroffen."

Speziell dieses Kapitel zählt zu den interessantesten. Niemand hat diesen Prozess der Professionalisierung im deutschen Fußball der siebziger Jahre bisher eindrucksvoller seziert als Beyer. Aber auch für viele andere Kapitel des deutschen Nachkriegsfußballs taugt diese wunderbare Biographie Schöns als exzellente Folie.

ERIK EGGERS

Bernd-M. Beyer: Helmut Schön. Eine Biografie. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2016, 508 Seiten, 28 Euro.

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