Günter Brakelmann schildert anschaulich den ungewöhnlichen Lebensweg Helmuth James von Moltkes, der als Gründer und Vordenker des Kreisauer Kreises eine der faszinierendsten Gestalten des deutschen Widerstandes gegen Hitler ist. Das Buch läßt auf der Grundlage vieler neuer Quellen die charismatische Persönlichkeit Moltkes lebendig werden und macht sein Denken und Handeln, das sich allen weltanschaulichen Schubladen entzieht, im Kontext seiner Zeit verständlich. Mit dieser umfassenden Biographie liegt seit langem wieder ein Standardwerk zu Helmuth James von Moltke vor.
Geboren und aufgewachsen auf dem schlesischen Gut Kreisau, genoß Helmuth James von Moltke durch seine Mutter eine vorwiegend britische, liberale Erziehung. Schon früh engagierte sich der angehende Jurist sozial, knüpfte selbstbewußt Kontakte zu Politikern und Intellektuellen, übte offen Kritik an Hitlers Aufstieg und verzichtete schließlich auf die Richterlaufbahn, um nicht der NSDAP beitreten zu müssen. Als glänzender Anwalt in Berlin und London war er ebenso erfolgreich wie als Gutsherr von Kreisau, der den verschuldeten Besitz rettete. Das von der Aura des preußischen Generalfeldmarschalls von Moltke gleichsam beschirmte Gut wurde nach Kriegsbeginn Treffpunkt einer Gruppe von Gegnern des Nationalsozialismus. Gleichzeitig nutzte Moltke seinen Einsatz als Völkerrechtler im Oberkommando der Wehrmacht zu subversiven Tätigkeiten. Diese führten Anfang 1944 zu seiner Verhaftung. Am 23. Januar 1945 wurde Helmuth James von Moltke in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Günter Brakelmann beschreibt eindringlich das Leben des ebenso nachdenklichen wie mutig entschlossenen Widerständlers. Dabei gelingt es ihm meisterhaft, die -zunehmend religiösen - Motive von Moltkes Denken und Handeln verständlich zu machen. Seine große Biographie ist darüber hinaus ein eindrucksvolles Porträt des Kreisauer Kreises. Mit dem Brief aus der Gestapo-Haft an seine Kinder "Wie alles war, als ich klein war".
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Geboren und aufgewachsen auf dem schlesischen Gut Kreisau, genoß Helmuth James von Moltke durch seine Mutter eine vorwiegend britische, liberale Erziehung. Schon früh engagierte sich der angehende Jurist sozial, knüpfte selbstbewußt Kontakte zu Politikern und Intellektuellen, übte offen Kritik an Hitlers Aufstieg und verzichtete schließlich auf die Richterlaufbahn, um nicht der NSDAP beitreten zu müssen. Als glänzender Anwalt in Berlin und London war er ebenso erfolgreich wie als Gutsherr von Kreisau, der den verschuldeten Besitz rettete. Das von der Aura des preußischen Generalfeldmarschalls von Moltke gleichsam beschirmte Gut wurde nach Kriegsbeginn Treffpunkt einer Gruppe von Gegnern des Nationalsozialismus. Gleichzeitig nutzte Moltke seinen Einsatz als Völkerrechtler im Oberkommando der Wehrmacht zu subversiven Tätigkeiten. Diese führten Anfang 1944 zu seiner Verhaftung. Am 23. Januar 1945 wurde Helmuth James von Moltke in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Günter Brakelmann beschreibt eindringlich das Leben des ebenso nachdenklichen wie mutig entschlossenen Widerständlers. Dabei gelingt es ihm meisterhaft, die -zunehmend religiösen - Motive von Moltkes Denken und Handeln verständlich zu machen. Seine große Biographie ist darüber hinaus ein eindrucksvolles Porträt des Kreisauer Kreises. Mit dem Brief aus der Gestapo-Haft an seine Kinder "Wie alles war, als ich klein war".
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2007Gegen Hitler gedacht
Helmuth James Graf von Moltke und der deutsche Widerstand
Zum 100. Geburtstag von Helmuth James Graf von Moltke liegt eine aus den Quellen gearbeitete Studie über einen der wichtigsten Männer des Widerstands gegen Hitler vor. Ihr Verfasser, Professor für Christliche Sozialethik und Zeitgeschichte, hat zahlreiche Werke zum Kreisauer Kreis und seinem Wirken vorgelegt. Seine Moltke-Biographie ist gleichsam das Ergebnis seiner Studien zum geistigen Umfeld des Hitler-Gegners, den er als "zwei Meter großen, eloquenten, charmanten, kosmopolitischen, souveränen und offenen" Menschen charakterisiert.
Brakelmann kann sich auf einige wichtige Vorarbeiten stützen: Schon 1972 hat der britische Historiker Michal Balfour, der Moltke noch persönlich kennengelernt hat, zusammen mit Julian Frisby eine dokumentenreiche Biographie vorgelegt, die auch ins Deutsche übertragen wurde. Freya von Moltke hat zudem in ihren "Erinnerungen an Kreisau" zahlreiche weitere Details ihres Mannes beigetragen. Obwohl die Grundlinien des Lebens und Denkens von Moltkes daher bekannt sind, ist Brakelmanns Werk weit mehr als eine gefällige Jubiläumsschrift: Er hat eine Vielzahl neuer Quellen erschlossen, darunter bislang nicht publizierte Briefe an Freya von Moltke aus der Haft in Ravensbrück. Unter Berücksichtigung der aktuellen Tendenzen der Forschung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus werden diese Quellen zu einem überzeugenden und gut lesbaren Lebensbild Moltkes und des Kreisauer Kreises verwoben. Der - gerade bei einer charismatischen Persönlichkeit wie Moltke naheliegenden - "Heldenverehrung" erliegt der Autor dabei allerdings nicht.
Moltke stammte aus privilegierten Verhältnissen und wurde auf dem schlesischen Familiengut Kreisau erzogen. Gegen eine enge nationale Bindung wirkte vor allem seine aus einer angesehenen südafrikanischen Familie stammende Mutter Dorothy: Innerhalb des deutschen Adels war sie "als liberale, kosmopolitisch denkende Demokratin und Anhängerin der internationalen Frauenbewegung eine Ausnahme". Das Commonwealth und Europa wurde für den Nachfahren des berühmten preußischen Feldmarschalls die eigentlichen Bezugspunkte. Aus seinem humanen christlich-sozialen Verständnis heraus engagierte er sich für die Belange von Kriegsgefangenen und die Einhaltung des Völkerrechts. Sein Studienaufenthalt in England, der ihn im Herbst 1937 zum Barrister-Examen führte, und seine Tätigkeiten in internationalen Organisationen schärften seinen kritischen Blick gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur und führten ihn in die Opposition. In den folgenden Monaten der europäischen Krise bemühte er sich um den Abschluss seines Englandstudiums, um eine Basis für eine Berufspraxis in England zu schaffen.
Das Münchener Abkommen vom September 1938 empfand er zwar zunächst mit Erleichterung, allerdings stellte der Brand der Synagogen in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 einen dramatischen Einschnitt dar. Moltke erwog zwar noch eine Weile die Alternative des Bleibens oder Emigrierens, entschied sich jedoch schließlich "für den bewussten Widerstand im Land der Verbrechen", weil es "bei aller totalitären Verzerrung sein Vaterland" war.
Auf dem Familiengut Kreisau führte von Moltke einen Kreis von Gleichgesinnten zusammen, um Pläne für ein Deutschland nach Hitler und dem Nationalsozialismus zu schmieden. An den Treffen nahmen Oppositionelle verschiedenster politischer Lager teil. Zunächst sprach sich von Moltke gegen eine gewaltsame Beseitigung Hitlers aus, doch die zunehmende Hoffnungslosigkeit und die missglückten Versuche, die Westmächte für ein "Deutschland nach Hitler" zu gewinnen, bewogen ihn schließlich zur Befürwortung eines Attentats. Hinsichtlich der Neuordnung Deutschlands formulierte er in einer großen Denkschrift Ende April 1941 "a) das Ende der Machtpolitik, b) das Ende des Nationalismus, c) das Ende des Rassegedankens, d) das Ende der Gewalt des Staates über den Einzelnen". Das "Dritte Reich" war für Moltke in dieser Hinsicht, wie Brakelmann feststellt, "nur der letzte Ausläufer einer pervertierten säkularen Staatlichkeit".
Seit Ende 1941 erlosch der Kontakt mit den Männern der "Abwehr" um Hans Oster und Hans von Dohnanyi. Nach der Zerschlagung des "Oster-Kreises" in der Abwehr wurde Moltke im Januar 1944 verhaftet und im Konzentrationslager Ravensbrück interniert, weil er Angehörige des Solf-Kreises vor der Telefonüberwachung der Gestapo gewarnt hatte. Nachdem es eine Zeit so ausgesehen hatte, als ob er zur "Frontbewährung" freigelassen werden würde, durchkreuzte das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 diese Hoffnungen. Im Zuge der Gestapo-Ermittlungen wurde die Existenz des "Kreisauer Kreises" aufgedeckt. In der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof wurde in aller Schärfe deutlich, dass der Nationalsozialismus sich als historische Alternative zur christlich-abendländischen Tradition verstand. Seine Gesprächspartner Alfred Delp, Eugen Gerstenmaier und er hätten in Kreisau nur "gedacht", resümierte Moltke: "Und vor den Gedanken dieser drei einsamen Männer, den bloßen Gedanken, hat der NS eine solche Angst, dass er alles, was damit infiziert ist, ausrotten will." Volksgerichtshofpräsident Roland Freisler, dem er mutig gegenübertrat, verurteilte Helmut James Graf von Moltke am 11. Januar 1945 zum Tode. Wenige Tage später wurde er in Plötzensee hingerichtet.
JOACHIM SCHOLTYSECK
Günter Brakelmann: Helmuth James von Moltke 1907-1945. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2007. 432 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmuth James Graf von Moltke und der deutsche Widerstand
Zum 100. Geburtstag von Helmuth James Graf von Moltke liegt eine aus den Quellen gearbeitete Studie über einen der wichtigsten Männer des Widerstands gegen Hitler vor. Ihr Verfasser, Professor für Christliche Sozialethik und Zeitgeschichte, hat zahlreiche Werke zum Kreisauer Kreis und seinem Wirken vorgelegt. Seine Moltke-Biographie ist gleichsam das Ergebnis seiner Studien zum geistigen Umfeld des Hitler-Gegners, den er als "zwei Meter großen, eloquenten, charmanten, kosmopolitischen, souveränen und offenen" Menschen charakterisiert.
Brakelmann kann sich auf einige wichtige Vorarbeiten stützen: Schon 1972 hat der britische Historiker Michal Balfour, der Moltke noch persönlich kennengelernt hat, zusammen mit Julian Frisby eine dokumentenreiche Biographie vorgelegt, die auch ins Deutsche übertragen wurde. Freya von Moltke hat zudem in ihren "Erinnerungen an Kreisau" zahlreiche weitere Details ihres Mannes beigetragen. Obwohl die Grundlinien des Lebens und Denkens von Moltkes daher bekannt sind, ist Brakelmanns Werk weit mehr als eine gefällige Jubiläumsschrift: Er hat eine Vielzahl neuer Quellen erschlossen, darunter bislang nicht publizierte Briefe an Freya von Moltke aus der Haft in Ravensbrück. Unter Berücksichtigung der aktuellen Tendenzen der Forschung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus werden diese Quellen zu einem überzeugenden und gut lesbaren Lebensbild Moltkes und des Kreisauer Kreises verwoben. Der - gerade bei einer charismatischen Persönlichkeit wie Moltke naheliegenden - "Heldenverehrung" erliegt der Autor dabei allerdings nicht.
Moltke stammte aus privilegierten Verhältnissen und wurde auf dem schlesischen Familiengut Kreisau erzogen. Gegen eine enge nationale Bindung wirkte vor allem seine aus einer angesehenen südafrikanischen Familie stammende Mutter Dorothy: Innerhalb des deutschen Adels war sie "als liberale, kosmopolitisch denkende Demokratin und Anhängerin der internationalen Frauenbewegung eine Ausnahme". Das Commonwealth und Europa wurde für den Nachfahren des berühmten preußischen Feldmarschalls die eigentlichen Bezugspunkte. Aus seinem humanen christlich-sozialen Verständnis heraus engagierte er sich für die Belange von Kriegsgefangenen und die Einhaltung des Völkerrechts. Sein Studienaufenthalt in England, der ihn im Herbst 1937 zum Barrister-Examen führte, und seine Tätigkeiten in internationalen Organisationen schärften seinen kritischen Blick gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur und führten ihn in die Opposition. In den folgenden Monaten der europäischen Krise bemühte er sich um den Abschluss seines Englandstudiums, um eine Basis für eine Berufspraxis in England zu schaffen.
Das Münchener Abkommen vom September 1938 empfand er zwar zunächst mit Erleichterung, allerdings stellte der Brand der Synagogen in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 einen dramatischen Einschnitt dar. Moltke erwog zwar noch eine Weile die Alternative des Bleibens oder Emigrierens, entschied sich jedoch schließlich "für den bewussten Widerstand im Land der Verbrechen", weil es "bei aller totalitären Verzerrung sein Vaterland" war.
Auf dem Familiengut Kreisau führte von Moltke einen Kreis von Gleichgesinnten zusammen, um Pläne für ein Deutschland nach Hitler und dem Nationalsozialismus zu schmieden. An den Treffen nahmen Oppositionelle verschiedenster politischer Lager teil. Zunächst sprach sich von Moltke gegen eine gewaltsame Beseitigung Hitlers aus, doch die zunehmende Hoffnungslosigkeit und die missglückten Versuche, die Westmächte für ein "Deutschland nach Hitler" zu gewinnen, bewogen ihn schließlich zur Befürwortung eines Attentats. Hinsichtlich der Neuordnung Deutschlands formulierte er in einer großen Denkschrift Ende April 1941 "a) das Ende der Machtpolitik, b) das Ende des Nationalismus, c) das Ende des Rassegedankens, d) das Ende der Gewalt des Staates über den Einzelnen". Das "Dritte Reich" war für Moltke in dieser Hinsicht, wie Brakelmann feststellt, "nur der letzte Ausläufer einer pervertierten säkularen Staatlichkeit".
Seit Ende 1941 erlosch der Kontakt mit den Männern der "Abwehr" um Hans Oster und Hans von Dohnanyi. Nach der Zerschlagung des "Oster-Kreises" in der Abwehr wurde Moltke im Januar 1944 verhaftet und im Konzentrationslager Ravensbrück interniert, weil er Angehörige des Solf-Kreises vor der Telefonüberwachung der Gestapo gewarnt hatte. Nachdem es eine Zeit so ausgesehen hatte, als ob er zur "Frontbewährung" freigelassen werden würde, durchkreuzte das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 diese Hoffnungen. Im Zuge der Gestapo-Ermittlungen wurde die Existenz des "Kreisauer Kreises" aufgedeckt. In der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof wurde in aller Schärfe deutlich, dass der Nationalsozialismus sich als historische Alternative zur christlich-abendländischen Tradition verstand. Seine Gesprächspartner Alfred Delp, Eugen Gerstenmaier und er hätten in Kreisau nur "gedacht", resümierte Moltke: "Und vor den Gedanken dieser drei einsamen Männer, den bloßen Gedanken, hat der NS eine solche Angst, dass er alles, was damit infiziert ist, ausrotten will." Volksgerichtshofpräsident Roland Freisler, dem er mutig gegenübertrat, verurteilte Helmut James Graf von Moltke am 11. Januar 1945 zum Tode. Wenige Tage später wurde er in Plötzensee hingerichtet.
JOACHIM SCHOLTYSECK
Günter Brakelmann: Helmuth James von Moltke 1907-1945. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2007. 432 S., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Viel Zeit nimmt sich der Historiker Hans Mommsen für seine Besprechung von Günter Brakelmanns Moltke-Biografie. Das Buch hat er zweifellos mit Lust und Gewinn gelesen. Indem er wichtige Stationen von Moltkes Lebensweg erwähnt, gibt Mommsen Hinweise auf die "chronistische" Vorgehensweise des Biografen. Ausdrücklich lobt Mommsen die auf gründlicher Forschung basierende erschöpfende Quellenarbeit des Historikers Brakelmann und seine "einfühlsame" Ausdeutung hin zu einem "gültigen" Lebensbild des Widerstandskämpfers. Kleinere Mängel, so eine ungenügende Herausarbeitung der "utopischen Züge" der Vorstellungen des von Moltke geführten Kreisauer Kreises, fallen in Mommsens Kritik kaum ins Gewicht. Wichtiger erscheint ihm die Lebensnähe dieser Biografie, in der auch die "Brüche der deutschen Geschichte" sichtbar werden, sowie ihre "glänzende Aufmachung". Für Mommsen Voraussetzungen für die publikumswirksame Erschließung eines weniger bekannten Aspekts des deutschen Widerstands.
© Perlentaucher Medien GmbH
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