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Mit dieser Edition wird erstmals ein Vorlesungszyklus aus Helmuth Plessners wissenschaftlichem Nachlaß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das klar und übersichtlich gegliederte Kolleg "Elemente der Metaphysik" präsentiert in leicht verständlicher Sprache und gut nachvollziehbarer Gedankenentfaltung die Grundzüge von Plessners Anthropologie, die dieser in seinem nur schwer rezipierbaren Hauptwerk, den "Stufen des Organischen und der Mensch" von 1928, entwickelt hatte, und stellt sie in einen umfassenden philosophischen Kontext. Die Vorlesung umfaßt drei Hauptteile: Im 1. Teil, der…mehr

Produktbeschreibung
Mit dieser Edition wird erstmals ein Vorlesungszyklus aus Helmuth Plessners wissenschaftlichem Nachlaß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das klar und übersichtlich gegliederte Kolleg "Elemente der Metaphysik" präsentiert in leicht verständlicher Sprache und gut nachvollziehbarer Gedankenentfaltung die Grundzüge von Plessners Anthropologie, die dieser in seinem nur schwer rezipierbaren Hauptwerk, den "Stufen des Organischen und der Mensch" von 1928, entwickelt hatte, und stellt sie in einen umfassenden philosophischen Kontext. Die Vorlesung umfaßt drei Hauptteile: Im 1. Teil, der "Metaphysik des Bewußtseins", zeigt Plessner, daß der klassische bewußtseinsphilosophische Ansatz zur Beantwortung zentraler metaphysischer Probleme nicht in der Lage ist. Die entscheidende Frage nach dem Sein des Bewußtseins ist - wie Plessner nachweist - im Rahmen der Bewußtseinsproblematik, wie sie von der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes entfaltet wurde, nicht zu beantworten. Die Bewußtseinsphilosophie muß daher - so Plessners Grundthese - durch einen lebensphilosophischen Ansatz überwunden werden. Dieser Übergang zur Problematik des Lebens und die breite Ausführung des neuen philosophischen Zugriffs steht im Mittelpunkt des 2. Teils ("Metaphysik des Lebens"). Plessner unternimmt hier vor allem den Versuch, das Wesen des Lebens durch das Verhältnis des Körpers zu seiner Grenze zu bestimmen und hält fest, daß solche Körper, die ihre Grenzen realisiert haben, "Positionaliät" besitzen. Dieser Begriff der Positionalität wird zum Zentralbegriff von Plessners Biophilosophie, die im Fortgang dieses Teils der Vorlesung ausführlich dargestellt wird. Im Zentrum der Darlegung, die Plessner im engen, kritischen Kontakt mit der biologischen Forschung hält, steht u.a. die Beziehung von Organismus und Umwelt, die Organisationsformen des Lebens (Pflanze und Tier), die Struktur der tierischen Umwelt, die Bestimmung des Bewußtseins, das Verhältnis von Bewußtsein und körperlichem Sein und das Problem des Gedächtnisses. Im abschließenden 3. Teil ("Der Mensch") skizziert Plessner die Grundzüge seiner philosophischen Anthropologie, wobei er den Menschen als dasjenige Lebewesen bestimmt, das - in Abhebung vom Tier, dem eine zentrische Organisationsform zukommt - eine "exzentrische Positionalität" besitzt, und das in einem dreifachen Bezug zur Außenwelt, zur Innenwelt und zur Mitwelt steht. Die besondere Bedeutung dieser Vorlesung liegt einerseits in ihrem Charakter als leicht nachvollziehbare Hinführung zu Plessners Philosophie des Lebendigen. Andererseits enthält sie neue Inhalte - insbesondere im 1. und 2. Teil - und trägt dadurch zur Erweiterung unserer Kenntnis von Plessners Philosophie bei.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Helmuth Plessner (1892 - 1985) war neben Max Scheler und Arnold Gehlen einer der Begründer der Philosophischen Anthropologie. Er lehrte an den Universitäten Köln, Groningen und Göttingen. In der Nachkriegszeit war er u.a. Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie sowie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2002

Abstand zum Zumutesein
Neu aus dem Nachlaß: Ein Schlüsseltext Helmuth Plessners

Gleich sehr einnehmend sind die Einwände, die Plessner gegen sein eigenes Vorhaben, eine "Metaphysik des Lebens" zu verfassen, erhebt: Der Mensch hege doch ein tiefes Bedenken dagegen, "daß er in irgendeinem Sinne durch gedankliche Maßnahmen und Operationen seine Wesensnatur erkennen lernen könne". Was hätten denn Wollen, Fühlen, Wünschen und Hoffen für einen Sinn, schreibt Plessner gegen den sicheren, bestimmten, fertigen Erkenntnisanspruch der Metaphysik, wenn uns nicht eine Unsicherheit, eine Unbestimmtheit und Unfertigkeit als Lebenshaltung auszeichnen würde? Bedrängt von einer "definitiven, ein für allemal erschöpfenden Erkenntnis seines Wesens", müßte dem Menschen all das, was ihn heute, was ihn immer beschäftigt hat, als "ein für allemal überflüssig" vorkommen. Wäre er so gebaut, daß ihm für jede Frage eine passende, nur noch zu erkennende Antwort beschieden wäre, dann würde sich seine die Regeln der Haushaltsführung doch großzügig ignorierende Biographie ja als ein furchtbar unökonomisches Unternehmen herausstellen: als ein solches, das man - zumal in Zeiten der anerkannten Knappheit - schließen müßte, noch bevor man es eröffnet hätte.

Nein, die Anthropologie, um die es Helmuth Plessner geht, ist nicht die Umsetzung eines Sparplans zur effizienten Gestaltung des Lebewesens Mensch. Sie tritt dem Spekulativen gegenüber zutiefst skeptisch auf und glaubt gleichwohl oder gerade deshalb, über den Menschen mehr sagen zu können, als es sich Konzepte wie die Systemtheorie zutrauen, welche sich gegenüber dem Normativen begriffsstutzig stellen. Plessners Anthropologie lehnt sich - darum auch "Biophilosophie" genannt - soweit nur möglich an die biologischen Befunde an, ersichtlich zumal in dem 1928 erschienen, die "Stellung" von Pflanze, Tier und Mensch im Kosmos vergleichenden Hauptwerk "Die Stufen des Organischen. Einleitung in die philosophische Anthropologie". Die Grundzüge dieses phasenweise sehr dunklen Werks finden sich, leichter zugänglich, auch in der Kölner Vorlesung "Elemente der Metaphysik", die Plessner im Wintersemester 1931/32 hielt und deren - vom Autor freilich nicht mehr autorisierte - Nachschrift aus dem Groninger Nachlaß nun als ein schön aufgemachter Band im Akademie-Verlag erstmals veröffentlicht ist.

Nach einer eher konventionell ausfallenden erkenntnistheoretischen Pflichtauseinandersetzung mit der Bewußtseinsphilosophie skizziert Plessner in diesem Kolleg höchst reizvoll die zwischen Mechanisten und Vitalisten mit großer Vehemenz geführte Debatte um die Frage, was lebendige Körper auszeichnet. Als wertvolle geistesgeschichtliche Dokumentation empfindet man auch die sich anschließende Darstellung der einschlägigen biologischen Theorien und Diskussionen (Lamarck, Darwin, Uexküll). So ordnet Plessner seine Anthropologie - mit der gebotenen Ausführlichkeit, dabei doch weitaus prägnanter als in den "Stufen" - in einen umfassenden naturwissenschaftlichen Kontext ein und bereitet sein berühmtes Stichwort der "exzentrischen Positionalität" vor. Ein Stichwort, unter dem er den Menschen als das einzige Lebewesen beschreibt, das fähig ist, "zugleich in sich und über sich hinaus zu sein, zu seinem eigenen Gewesensein, Zumutesein Distanz zu haben".

Der Grad der Abhebung von sich selbst und von der Umwelt ist denn auch das Kriterium, mit dem Plessner die Organisationsformen des Lebendigen als das Verhältnis zu ihren jeweiligen "Grenzen" bestimmt. Selbst unter der forcierten Prämisse eines "methodischen Atheismus" kommt Plessner auf diesem Weg zu der anti-evolutionistischen Feststellung, das spezifisch Geistige lasse sich "nie aus dem Körperlichen ableiten und in seinem Entstehen begreifen". Hier komme "eben etwas vollkommen Neues hinzu, eine geistige Wesenheit, und diese schlägt gewissermaßen wie der Blitz an dieser Stelle ein. Warum, wissen wir nicht. Durch diesen Einschlag des Geistigen wird der Mensch zum Menschen." Sehr viel weiter als Plessner reichen hier, ist man ehrlich, auch die aufwendigen Erklärungsversuche nicht, die heute unter der das Gehirn sezierenden Überschrift "Philosophie des Geistes" angestellt werden.

Von poetischer Kraft schließlich die Art, mit der Plessner die beiden grundlegenden Befunde zusammendenkt, daß "man in dieser Welt einerseits Bezugszentrum und andererseits nicht mehr im Zentrum, sondern ein beliebiger Punkt in der Welt ist". Plessner, der sich effektvoll gegen die Politisierung des Gemeinschaftsgedankens gewendet hatte, der Rollentheoretiker, der die "natürliche Künstlichkeit" als Lebensaufgabe des Kulturwesens Mensch umrissen hatte - erst in seiner nun zugänglichen Wintervorlesung 1931/32 zeigt er sich auch ganz explizit als der Soziologe der Einsamkeit, der er naturgemäß immer schon gewesen war: Es sei ja durchaus falsch, den Menschen in dem Sinne als soziales Wesen zu beschreiben, daß er diesen Verband mit anderen Wesen in jedem Fall vermißte.

CHRISTIAN GEYER

Helmuth Plessner: "Elemente der Metaphysik". Eine Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32. Herausgegeben von Hans-Ulrich Lessing. Akademie Verlag, Berlin 2002. 196 S., geb., 64,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Im Schatten Heideggers sieht Rezensent Manfred Geier den Philosophen Helmut Plessner. Nachdem Heideggers "Sein und Zeit" 1927 für Furore gesorgt hatte, erregte Plessners philosophische Anthropologie "Die Stufen des Organischen und der Mensch" kaum noch Aufmerksamkeit, berichtet Geier. Plessners 1931/32 gehaltene, nun erschienene Vorlesung "Elemente der Metaphysik" aus dem Nachlass ist für Geier eine Reaktion auf die Herausforderung Heideggers, dessen Name zwar nur einmal genannt werde, der aber ständig präsent sei. Gemäß seiner Überzeugung, dass eine Philosophie der Existenz im Leeren hänge, wenn sie nicht naturphilosophisch im Leib und den natürlichen Lebensformen verankert werde, sucht Plessner auch in vorliegender Vorlesung menschliches Bewusstsein, und sei es noch so "exzentrisch", in der organischen Welt zu begründen, erklärt Geier. Deutlich werde die gedankliche Bewegung, die Plessner von elementaren Phänomenen des Bewusstseins zu jener 'exzentrischen Positionalität' führt, die Heideggers Metaphysik nahe zu kommen scheine. "Doch während Heidegger in seinem Philosophieren exzentrisch war", spekuliert Geier über den unterschiedlichen Erfolg der beiden Philosophen, "philosophierte Plessner nur über die Exzentrizität."

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