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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2002

Das Gesicht der Masse lesen
Die kunstlose Kunst des Henri Cartier-Bresson” lautet der ursprüngliche Titel dieses neuen Fotobandes. In Paris weiß man, dass scheinbare Kunstlosigkeit die höchsten Ansprüche stellt. Im Deutschen kann man da wohl nicht so sicher sein. Viele Bilder des Fotografen sind so bekannt, sind Ikonen unserer Zeit geworden, dass es nur gut ist, wenn einmal daran erinnert wird, dass Cartier-Bresson, der im Sommer 94 Jahre alt wird, selbst ein Leben hat. Jean-Pierre Montiers kluger, philosophisch gebildeter Text erhellt indes vor allem Cartier-Bressons Arbeitsweise. „Die Presse”, hat dieser einmal gesagt, „hat uns gleichzeitig befreit und zu Gefangenen gemacht. Man ist nie so schlecht, wie wenn man zu dokumentieren versucht.” Die Dialektik von Neugier und Respekt, schreibt Montier, die guten Fotojournalismus kennzeichne, zeige sich zum Beispiel in dem Bild der Versammlung in Paris. Wenn heutzutage gestreikt wird, kommen selten so viele Leute zusammen. Das 1954 aufgenommene Foto illustriert aber nicht bloß die Macht der Masse, sondern wie zurückhaltend eine Menge sein kann. (Jean-Pierre Montier: Henri Cartier-Bresson. Seine Kunst – Sein Leben. Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet. Schirmer und Mosel, München, Paris, London 2002. 336 Seiten, 39,80 Euro.)
augf
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