Mit dieser Biografie über Henri Nouwen habe ich mich zunächst schwer getan. Mir fällt kein anderes Wort für das Problem ein als das etwas polemische „Fachidiot“. Der Autor Kevin Burns scheint sich so intensiv mit Henri Nouwen und seinem Werk auseinander gesetzt zu haben, dass es ihm schlicht nicht
mehr möglich ist, einen Schritt zurückzutreten. Als Einstieg in das Leben und Werk des weltweit…mehrMit dieser Biografie über Henri Nouwen habe ich mich zunächst schwer getan. Mir fällt kein anderes Wort für das Problem ein als das etwas polemische „Fachidiot“. Der Autor Kevin Burns scheint sich so intensiv mit Henri Nouwen und seinem Werk auseinander gesetzt zu haben, dass es ihm schlicht nicht mehr möglich ist, einen Schritt zurückzutreten. Als Einstieg in das Leben und Werk des weltweit bekannten holländischen Priesters und Psychologen, ist seine Biografie daher nur bedingt geeignet. Wer dieses Buch ÜBER Henri lesen möchte, sollte meiner Meinung vorher erst ein Buch VON ihm lesen – und der Abstand dazwischen eher Monate statt Jahre betragen.
Bei mir war (leider) Letzteres der Fall. „Du bist der geliebte Mensch“ war das erste Buch, das ich mit Anfang 20 von Henri Nouwen las, und es hinterließ damals einen tiefen Eindruck bei mir. Es folgten weitere, doch als ich diese Biografie zur Hand nahm, fühlte ich mich trotzdem, als würde ich in kaltes Wasser gestürzt. Burns setzt so viel Wissen über Henri voraus und auch über seine Weggefährten, dass ich 2,5 Kapitel brauchte, um langsam mit dem Buch warm zu werden und mich an das zu erinnern, was mich damals so berührt hatte.
Das liegt vielleicht auch daran, dass Burns bewusst die ersten 36 Jahre von Nouwens Leben vernachlässigt und sie in einem einzigen Kapitel (!) abhandelt. Warum er das so tut, erklärt sich aus seinem Ziel: Es geht ihm im Kern um Henris Werk und dessen Bedeutung für die Nachwelt. Das Besondere an Henri Nouwen ist, dass er schlicht und doch kraftvoll über den Glauben an Gott und Gott selbst geschrieben hat, sodass sich über alle christlichen Strömungen hinweg Menschen darin wiederfanden und Trost und Kraft daraus schöpften.
Die stärksten Stellen sind sicherlich die, in denen Burns Henri selbst zu Wort kommen lässt. Das Geniale und für eine Biografie auch Ungewöhnliche ist, dass ca. ein Drittel des Buches sich damit auseinandersetzt, was geschah, nachdem die Hauptperson bereits verstorben war. So lautet die zentrale Frage: Hat Henri Nouwen uns auch heute noch etwas zu sagen, obwohl er bereits seit über 20 Jahre verstorben ist? Die Antwort von Burns ist ein klares JA und dem kann ich mich nur anschließen.
Fazit: Burns Biografie ist genial, aber ich empfehle, erst ein Buch von Nouwen selbst zu lesen, bevor man dieses Werk über ihn liest.