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Henry James wurde 1843 in New York geboren. Als Spross einer wohlhabenden intellektuellen Familie Amerikas verschlug es ihn schon früh nach Europa. Auf seinen Reisen durch die Länder des alten Kontinents schrieb er Berichte, die im Atlantic Monthly und in der New York Tribune veröffentlicht wurden. Nach längeren Aufenthalten in Paris, Venedig, Bologna, Genf und Bonn zog er 1865 schließlich nach England. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzweifelte er an der Naivität und Untätigkeit seiner amerikanischen Heimat und wurde britischer Staatsbürger. Das Innenleben seiner Figuren beschreibt er…mehr

Produktbeschreibung
Henry James wurde 1843 in New York geboren. Als Spross einer wohlhabenden intellektuellen Familie Amerikas verschlug es ihn schon früh nach Europa. Auf seinen Reisen durch die Länder des alten Kontinents schrieb er Berichte, die im Atlantic Monthly und in der New York Tribune veröffentlicht wurden. Nach längeren Aufenthalten in Paris, Venedig, Bologna, Genf und Bonn zog er 1865 schließlich nach England. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzweifelte er an der Naivität und Untätigkeit seiner amerikanischen Heimat und wurde britischer Staatsbürger. Das Innenleben seiner Figuren beschreibt er so detailreich, dass seine Romane bis heute modern erscheinen und immer wieder verfilmt werden. Zu seinen berühmtesten Romanen zählt "Portrait of a Lady", "The turn of the screw" und "Washington Square". Das Leben des Autors hat Hazel Hutchison, eine ausgewiesene Kennerin seines Werks, in dieser Biografie festgehalten, die nun erstmals anlässlich Henry James' 100. Todestages am 28. Februar 2016 auf Deutsch erscheint.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2015

Gouvernanten und Flugmaschinen

Henry James zum Ersten: Walter Kappacher bringt "Die mittleren Jahre" zum Klingen, Hazel Hutchisons Biographie liest man besser im Original.

Von Mirko Bonné

Henry James, der 1843 in New York geboren wurde, ist unter den bürgerlichen Erzählern der Vereinigten Staaten am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert wohl der bedeutendste, vielleicht auch deshalb, weil er bereits seit langem in Europa lebte, als sich die amerikanische Gesellschaft durch die Öffnung für Millionen von Einwanderern von Grund auf wandelte. Ohne den Blickwinkel des selbstgewählten Pariser und später Londoner Exils erscheinen seine zwanzig Romane und über hundert Erzählungen nicht denkbar. Das Einzigartige an diesem so feinsinnigen wie raffinierten Seelenstilisten ist sein Rückzug auf einen archimedischen Punkt, von dem aus er die Umbrüche der Welt und der Psyche seiner Zeit in Worte zu fassen versuchte. Die Novellen und Romane "Daisy Miller" (1878), "Bildnis einer Dame" (1881), "Die Aspern-Schriften" (1888), "Die Drehung der Schraube" (1898) oder "Die Gesandten" (1903) schlagen nicht nur die Brücke von Poe zu Tschechow, von Hawthorne zu Proust, sie entwickeln eine kompromisslos eigenwillige Sicht auf menschliches Erleben und Sprechen. Besonders ergreifend dargestellt ist diese Perspektive des Außerhalb-des-eigenen-Lebens-Stehens in der 1893 in Scribner's Magazine erstmals veröffentlichten Erzählung "The Middle Years", die kurz vor Henry James' 100. Todestag am 28. Februar 2016 nun auch auf Deutsch erscheint - ein doppelter Glücksfall, hat sie mit Walter Kappacher doch genau der Richtige übersetzt.

Mit einem zauberhaften Kunstgriff öffnet James hier ein poetisches Spiegelkabinett: "Die mittleren Jahre" heißt in der Erzählung nämlich ebenso das jüngste Werk des lange erfolgreichen, inzwischen von Krankheit und Niedergeschlagenheit zermürbten Schriftstellers Dencombe. In Bournemouth hofft er in einem Sanatorium auf "die schwachen Schwingen der Genesung", geht am Ärmelkanal allein spazieren und begegnet so dem jungen Arzt Dr. Hugh, der gemeinsam mit der "teuflischen Gouvernante" Miss Vernham die Entourage einer korpulenten alten Gräfin bildet. Der amüsierte Autor beobachtet die drei und ist überzeugt, allein dadurch alles von dem Trio zu wissen.

Zu Dencombes Verblüffung liest Hugh, als sie nebeneinander auf einer Bank sitzen, "Die mittleren Jahre", und bald kommen sie ins Gespräch, der von dem Buch begeisterte Arzt - Dencombe hält ihn für "ein Scheusal von einem Rezensenten" - und der alte Erzähler, der sich an keinen Satz aus der eigenen Feder erinnert und heilfroh ist, unerkannt zu bleiben. Doch ihm geht allzu viel durch den Sinn, Dencombe verliert das Bewusstsein, und als ihn Dr. Hugh zurückbringt ins Sanatorium, erfährt der, wen er da soeben gerettet hat.

James' Erzählung ist schmal, jeder Satz hat Gewicht und trägt dank fein ausbalancierter Syntax die äußere Handlung ebenso voran wie die psychologische Öffnung der Figuren - die Leistung von Kappachers Übertragung wird anhand kleinster Verschiebungen am deutlichsten. Denn erst allmählich, dann aber mit Vehemenz tritt zutage, worunter Dencombe wirklich leidet und was er Hugh als erstem Menschen anvertrauen mag. Er will "eine Verlängerung", "noch einen Anlauf". In einem bewegenden Gespräch gesteht Dencombe: "Verstehen Sie nicht? Ich möchte, was man leben nennt."

In ihrer 2012 im englischen Original und nun auf Deutsch erschienenen Biographie beschreibt Hazel Hutchison, schottische Mitherausgeberin des Gesamtwerks von Henry James, den großen Erzähler als einen, der zeitlebens allein blieb. Hutchison überlässt das Interpretieren den Lesern von James' Büchern, macht jedoch neugierig auf "Washington Square" (1881) oder "What Maisie Knew" (1897) und zitiert maßvoll aus James' Briefen und seinem poetologischen Opus magnum "The Art of Fiction" (1884), wo er schreibt, "dass das Gebiet der Kunst alles Leben, alles Fühlen, alle Beobachtung, alle Vision" umfasse. Romane gebe es nicht, um moralische Lektionen zu erteilen, sondern um "die Farbe des Lebens selbst" einzufangen. Das gelingt auch Hutchisons Biographie, etwa wenn sie beschreibt, wie James wegen einer chronischen Sehnenscheidenentzündung eine Sekretärin einstellte, die jedoch beim Romandiktat auf einer Schreibmaschine bestand - eine Klangkulisse, die James' Zeichensetzung und Satzbau nachhaltig beeinflusst habe. Sehr bedauerlich ist Ute Astrid Ralls nicht selten haarsträubende Übersetzung von Hutchisons Buch, die hölzern am Unlesbaren dahinschrammt und so an die Gräfin aus "Die mittleren Jahre" erinnert, denn für Dencombe hat diese "eine konfuse Ähnlichkeit mit einer abgestürzten Flugmaschine".

Die alte Gräfin und die zänkische Miss Vernham sind Frauengestalten, wie Henry James sie mit geringstem Aufwand lebendig werden lässt. Der junge Doktor hingegen ist ein für James ebenso typischer "Widerspiegler": nicht der Erzähler, genauso wenig aber bloß Figur. Hutchison sieht im Jamesschen "Reflector" jemanden, "dessen Beobachtungen und Reaktionen schlussendlich interessanter sind als das Drama selbst". Dr. Hugh ist der Leser eines am Ende enttäuschenden Lebens, und wohl darum klingt sein Name wie "you".

Walter Kappacher fügt seiner Übersetzung ein kurzes und sehr schönes Nachwort bei, in dem er auch auf seine zu Recht vielgerühmte Novelle "Der Fliegenpalast" zu sprechen kommt. Was der resignierte H., der alte Hofmannsthal, darin von sich sagt, hätte auch Henry James in "Die mittleren Jahre" von seinem Alter Ego Dencombe sagen können: "Mein Problem, das unüberwindlich scheint, ist, dass ich immer aus allem sofort etwas machen will."

Henry James: "Die mittleren Jahre". Erzählung.

Aus dem Englischen von Walter Kappacher. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2015. 66 S., geb., 12,- [Euro].

Hazel Hutchison: "Henry James". Biografie.

Aus dem Englischen von Ute Astrid Rall. Parthas Verlag, Berlin 2015. 224 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schöne Biografie, lobt Rezensent Mirko Bonné. Ohne viel in die Werke hinein zu interpretieren, zeichne Hazel Hutchinson "die Farbe des Lebens" von Henry James. Sie macht neugierig auf die Bücher, indem sie interessante Details berichtet, etwa, wie sehr der Klang der neuen Schreibmaschine von James' Sekretärin dessen Satzbau beeinflusste. Größter Schwachpunkt des Buchs ist aber leider die Übersetzung von Ute Astrid Rall, die Bonné "nicht selten haarsträubend" findet.

© Perlentaucher Medien GmbH