Ted Hughes and Sylvia Plath were husband and wife; they were also two of the most remarkable poets of the twentieth century. In this stunning new account of their marriage, Diane Middlebrook draws on a trove of newly available papers to craft a beautifully written portrait of Hughes as a man, as a poet, and as a husband haunted and nourished his entire life by his relationship to Sylvia Plath.
Her Husband is a triumph of the biographer's art and an up-close look at a couple who saw each other as the means to becoming who they wanted to be: writers and mythic representations of a whole generation.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2014Sarkophag mit Tigerstreifen
Zwei Gedichtbände und eine Doppelbiographie zeigen, wie eng die Werke des gescheiterten Ehepaares Ted Hughes und Sylvia Plath verzahnt sind
Sechs Jahre führten sie ein gemeinsames Leben, bis Ted Hughes’ Affäre mit Assia Wevill ihre Ehe zerrüttete und sich Sylvia Plath am 11. Februar 1963 im eiskalten Londoner Winter das Leben nahm. Die Geschichte dieser Ehe ist zu einem modernen Mythos geworden, angefeuert von der Sensationsgier einer ins Private vordringenden Öffentlichkeit, die sich alles aneignete, was normalerweise mit gutem Grund verborgen bleibt. Die 1932 in Boston geborene Sylvia Plath war gerade dreißig geworden, sie hatte nur einen Gedichtband, „The Colossus“ (1960), und soeben ihren ersten Roman, „The Bell Jar“, veröffentlicht, als sie durch ihren Selbstmord mit einem Schlag berühmt wurde.
„Ich wollte alles ein für allemal erledigen und dann fertig sein“, überlegt Esther Greenwood, ihr Alter Ego in „Die Glasglocke“. In seiner Mischung aus starkem Ehrgeiz, patenter Hausfraulichkeit und depressiver Erschöpfung wirkt dieser Wille wie das Fatum ihres Ruhms. Der Roman, von dem sie sich ihren endgültigen Durchbruch erhoffte, erschien im Januar 1963, in einer Lebensphase, in der sie nach der Trennung von Ted Hughes das Wiederaufflammen der Psychose spürte, deren Behandlung eines der Romanthemen ist. Trotz aller Wunden, die er bei ihren Angehörigen schlug, war ihr Selbstmord zweifellos der kürzeste Weg auf den Olymp, wo sie zunächst als Ikone des aufkommenden Feminismus Platz nahm.
An kaum einem Schriftsteller der Moderne lässt sich das Zusammenspiel von Leben, Werk und Tod und seine Bedeutung für den Nachruhm so anschaulich studieren wie bei Sylvia Plath. Dazu gehört, dass Ted Hughes, der im Studentenmilieu von Cambridge, wo sie sich im Februar 1956 auf einer Party kennenlernten, und während ihrer Ehe der bekanntere Dichter war, zum Herausgeber ihres nachgelassenen Werks wurde. Plötzlich wurde er vor allem als Ehemann wahrgenommen, dem viele die Schuld am Tod seiner Frau gaben. Seine Herausgeberschaft geriet überdies ins Zwielicht, als man feststellte, dass er nicht nur Tagebücher und Briefe redigiert hatte, sondern auch jenes Konvolut von Gedichten, dem Sylvia Plath selbst noch den Titel „Ariel“ gegeben hatte.
In einem Klemmordner lag es auf ihrem Schreibtisch, als sie den Kopf in den Backofen schob, während die damals dreijährige Frieda und der neun Monate alte Nicholas im sorgfältig mit feuchten Handtüchern abgedichteten Kinderzimmer schliefen. „Ariel“ sollte ihr berühmtester Gedichtband werden und begründete ihren Ruf als wichtigste amerikanische Dichterin nach Emily Dickinson. Erst 2004 erschien er auf Englisch in der ursprünglichen Fassung, 2008 auf Deutsch. In der von Ted Hughes besorgten Ausgabe fehlen einige Gedichte, die er als zu privat angesehen hatte, andere aus dem Nachlass hatte er eingefügt.
In der Außenwahrnehmung dieser Ehe spielte Ted Hughes lange die Rolle des Bösewichts, während man Sylvia Plath heiligsprach, ausgerechnet wegen ihres Selbstmords, wie ihre Tochter Frieda Hughes im Vorwort zur Urfassung von „Ariel“ beklagte. Doch Leser, die sich für die inneren Gesetzmäßigkeiten eines Werks interessieren und nicht nur für Lebensgeschichten, wissen spätestens seit Ted Hughes Gedichtband „Birthday Letters“, der 1998 kurz vor seinem Tod erschien, wie stark sich die beiden wechselseitig beeinflusst haben. Seine Weltsicht hat sich noch zu Lebzeiten in ihr Werk eingeprägt. Ihr Einfluss auf ihn war nach ihrem Tod stärker als zuvor.
Durch die glückliche Koinzidenz dreier Publikationen, die nun auf Deutsch erschienen sind, kann man das Kreativitätspotential dieser transatlantischen Ehe aus nächster Nähe nachvollziehen. Sie scheiterte im Leben, nicht aber in der Kunst. Der Suhrkamp Verlag hat endlich die erste deutsch-englische Ausgabe von „Der Koloss“ publiziert, dem einzigen zu Lebzeiten von Sylvia Plath erschienenen Gedichtband. Offenbar geschah das auf Druck des kleinen Luxbooks Verlags, an den sich die Schriftstellerin Judith Zander vor drei Jahren mit einer Übersetzung von „Crossing the Water“, einer Gedichtsammlung aus dem Nachlass, gewandt hatte. Weil Suhrkamp seine Option auf die deutschen Rechte geltend machte, konnte die Publikation erst nach einer Crowdfunding-Kampagne geschehen, so zumindest stellt es der Verleger Christian Lux in einem Begleitschreiben zu „Übers Wasser“ dar.
Wie auch immer: erfreulicherweise liegen nun zwei Gedichtbände von Sylvia Plath in der Übersetzung von Judith Zander vor. Sie zeigt sich ihrem schwierigen Gegenstand eindrucksvoll gewachsen, auch wenn ihr die Lockerheit eines Erich Fried, der die erste „Ariel“-Ausgabe übersetzte, und die Kühnheit von Alissa Walser, die für Suhrkamp die deutsche Erstausgabe der Urfassung von „Ariel“ besorgte, fehlen. Zwar schmerzen einige ungelenke Verse, in der sie der wörtlichen Bedeutung Vorrang vor dem Klang oder der stilistischen Eleganz einräumt. Aber das hat auch mit der grammatischen Umständlichkeit des Deutschen zu tun. So wird etwa aus „This is not death, it is something safer“, dem klangvollen Vers des großen Gedichts „Poem for a Birthday“, das Sylvia Plaths ersten Gedichtband abschließt (und viele Jahre später in Ted Hughes „Birthday Letters“ ein Echo findet): „Dies ist nicht der Tod, es ist etwas Sichereres.“ Das Wiegende des Originals klingt durch den hässlichen deutschen Komparativ wie ein Stottern oder Krächzen.
Auch die direkte Verdopplung eines Wortes klingt unbeholfen. Etwa wenn in dem Gedicht „Faun“ aus „Until all owls in the twigged forest / Flapped black to look and brood“ die Verse werden: „Bis alle Eulen im zweigwirren Wald / Schwarz aufflatterten, um um sich zu schauen“.
Dennoch gelingt es Judith Zander den Wandel in der Dichtung von Sylvia Plath sichtbar zu machen. Hat der Debütband noch etwas kühl Statuarisches, das sich am Kanon orientiert und das lyrische Ich eher vermeidet, entdeckt sie es später als dichterisches Kraftzentrum. In einem BBC-Interview von 1962 bekennt sie, wie schwer es ihr falle, in einem Gedicht so vieles auf engem Raum sagen zu müssen und all die Dinge des täglichen Lebens, die Pflege der Kinder und des Haushalts, den weiblichen Schmuck und Tand aus ihrer Lyrik fern zu halten. Und doch findet sie am Ende ihres Lebens zu großer poetischer Freiheit.
Ein geradezu epischer Erzählwunsch paart sich mit konzentrierter Energie zu einem lyrischen Furor, der alles aussprechen kann: Zartheit, Einsamkeit, Fremdheit, Nähe und die ständige Bedrohung durch die eigene Todessehnsucht. Bizarre und zugleich völlig transparente Bilder jagen einander, ohne gesucht zu wirken. Der Kunstwille der frühen Gedichte weicht einer stets spürbaren Dringlichkeit, die unter Sylvia Plaths geübter Feder die Gestalt somnambuler Poesie annimmt. So beginnt das Gedicht „Letzte Worte“: „Ich will keine einfache Kiste, ich will einen Sarkophag / Mit Tigerstreifen und einem Gesicht / Rund wie der Mond, um heraufzustarren. / Ich will sie angucken, wenn sie kommen, / Herumstochern zwischen den stummen Mineralien, den Wurzeln.“
Ebenfalls ein ambitionierter Kleinverlag, die Hamburger edition fünf, legt unter dem Titel „Du wolltest deine Sterne“ die überaus lesenswerte Doppelbiografie der 2007 verstorbenen amerikanischen Professorin und Lyrikerin Diane Middlebrook auf Deutsch vor. Im 2003 publizierten Original heißt sie „Her Husband“, in Anspielung auf die Rolle von Ted Hughes nach dem Tod von Sylvia Plath. Die Lebensstationen beider Dichter erzählt sie anschaulich und unpathetisch, bis hin zu den Jahren, in denen sich Ted Hughes intensiv um seine Kinder kümmerte und nach dem Selbstmord seiner Geliebten Assia Wevill, die ihre gemeinsame Tochter mit in den Tod nahm, eine zweite Ehe einging.
Es geht Middlebrook liegt nicht um die Verteilung von Credit Points für untadelige Lebensführung. Erfreulich unakademisch erkundet sie das Zusammenwirken zweier Autoren, die in Herkunft und Temperament höchst unterschiedlich waren und sich umso fruchtbarer von einander inspirieren ließen. So zeigt sie, wie die zwischen Depression und forcierter Munterkeit schwankende Sylvia Plath von Ted Hughes mythologischer Weltsicht angezogen wurde. Seine Vorliebe für die Jagd, seine Gewaltobsession, seine fehlende Scheu vor Schmutz und dem Chaos des Unbewussten wanderten in ihre Bildwelt ein. Ted Hughes wiederum, Zeit seines Lebens ein Anhänger der Astrologie, baute seine ländliche Herkunft aus South Yorkshire unter dem Einfluss von Sylvia Plath zu einer Privatmythologie aus. Bis er sie bei ihrem Besuch in seiner Heimat alle Eindrücke in ein Notizbuch eintragen sah, hatte er sich kaum für die Geschichten seiner Eltern interessiert. Eine zeitlang wurden die mündlichen Erzählkünste seiner Mutter und ihre keltische Herkunft zum Vorbild seiner poetischen Stimme.
Am aufregendsten aber ist, wie die intensive Lektüre der Tagebücher, Briefe und nachgelassenen Schriften von Sylvia Plath im Lauf der Jahre seine eigene Poetik verwandelte. Als sie sich kennenlernten, war er ein glühender Verehrer des damals in Cambridge sehr populären Robert Graves. Dessen Glorifizierung des Weiblichen konnte er zu ihren Lebzeiten nicht mit dem Eifer in Einklang bringen, mit dem sie sich der Mutterschaft widmete. Für sie gehörte das Muttersein unbedingt zur Weiblichkeit. Ihm war das eher suspekt.
Zehn Jahre arbeitete er an seinem Gedichtzyklus „Birthday Letters“, in dem er sich die Innensicht ihrer weiblichen Weltwahrnehmung anverwandelte. Sylvia Plath ist dort alles zugleich: die Gefährtin, die gestorbene Ehefrau, die Mutter seiner Kinder, die Muse und vor allem das „Du“, an das er sich wendet, um seiner Stimme einen intimen Klang zu geben. Fünfunddreißig Jahre nach ihrem Tod legt er ihr mit dieser Stimme ihre eigene Welt zu Füßen. Diane Middlebrooks Biografie ist auch eine Einladung, das Werk der beiden noch einmal zu lesen: als furioses Zusammenspiel über den Tod hinaus.
MEIKE FESSMANN
Sylvia Plath: Der Koloss. Gedichte. Englisch und deutsch. Übertragen von Judith Zander. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 163 Seiten, 22,95 Euro.
Sylvia Plath: Übers Wasser. Nachgelassene Gedichte. Zweisprachig. Aus dem Amerikanischen von Judith Zander. Luxbooks, Wiesbaden 2013. 138 Seiten, 22,80 Euro.
Diane Middlebrook: Du wolltest deine Sterne. Sylvia Plath und Ted Hughes. Aus dem Englischen von Barbara von Bechtolsheim. Vorwort von Carl Djerassi. edition fünf, Hamburg 2013. 463 Seiten, mit Fotos. 22,90 Euro.
Nach ihrem Selbstmord wurde
Sylvia Plath im Olymp der Poeten
zur Ikone des frühen Feminismus
Ted Hughes nahm in seinen
letzten Gedichtband die poetische
Weltsicht von Sylvia Plath hinein
Ted Hughes und Sylvia Plath, Ende der Fünfziger.
Foto: Imago/Granata Images
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Zwei Gedichtbände und eine Doppelbiographie zeigen, wie eng die Werke des gescheiterten Ehepaares Ted Hughes und Sylvia Plath verzahnt sind
Sechs Jahre führten sie ein gemeinsames Leben, bis Ted Hughes’ Affäre mit Assia Wevill ihre Ehe zerrüttete und sich Sylvia Plath am 11. Februar 1963 im eiskalten Londoner Winter das Leben nahm. Die Geschichte dieser Ehe ist zu einem modernen Mythos geworden, angefeuert von der Sensationsgier einer ins Private vordringenden Öffentlichkeit, die sich alles aneignete, was normalerweise mit gutem Grund verborgen bleibt. Die 1932 in Boston geborene Sylvia Plath war gerade dreißig geworden, sie hatte nur einen Gedichtband, „The Colossus“ (1960), und soeben ihren ersten Roman, „The Bell Jar“, veröffentlicht, als sie durch ihren Selbstmord mit einem Schlag berühmt wurde.
„Ich wollte alles ein für allemal erledigen und dann fertig sein“, überlegt Esther Greenwood, ihr Alter Ego in „Die Glasglocke“. In seiner Mischung aus starkem Ehrgeiz, patenter Hausfraulichkeit und depressiver Erschöpfung wirkt dieser Wille wie das Fatum ihres Ruhms. Der Roman, von dem sie sich ihren endgültigen Durchbruch erhoffte, erschien im Januar 1963, in einer Lebensphase, in der sie nach der Trennung von Ted Hughes das Wiederaufflammen der Psychose spürte, deren Behandlung eines der Romanthemen ist. Trotz aller Wunden, die er bei ihren Angehörigen schlug, war ihr Selbstmord zweifellos der kürzeste Weg auf den Olymp, wo sie zunächst als Ikone des aufkommenden Feminismus Platz nahm.
An kaum einem Schriftsteller der Moderne lässt sich das Zusammenspiel von Leben, Werk und Tod und seine Bedeutung für den Nachruhm so anschaulich studieren wie bei Sylvia Plath. Dazu gehört, dass Ted Hughes, der im Studentenmilieu von Cambridge, wo sie sich im Februar 1956 auf einer Party kennenlernten, und während ihrer Ehe der bekanntere Dichter war, zum Herausgeber ihres nachgelassenen Werks wurde. Plötzlich wurde er vor allem als Ehemann wahrgenommen, dem viele die Schuld am Tod seiner Frau gaben. Seine Herausgeberschaft geriet überdies ins Zwielicht, als man feststellte, dass er nicht nur Tagebücher und Briefe redigiert hatte, sondern auch jenes Konvolut von Gedichten, dem Sylvia Plath selbst noch den Titel „Ariel“ gegeben hatte.
In einem Klemmordner lag es auf ihrem Schreibtisch, als sie den Kopf in den Backofen schob, während die damals dreijährige Frieda und der neun Monate alte Nicholas im sorgfältig mit feuchten Handtüchern abgedichteten Kinderzimmer schliefen. „Ariel“ sollte ihr berühmtester Gedichtband werden und begründete ihren Ruf als wichtigste amerikanische Dichterin nach Emily Dickinson. Erst 2004 erschien er auf Englisch in der ursprünglichen Fassung, 2008 auf Deutsch. In der von Ted Hughes besorgten Ausgabe fehlen einige Gedichte, die er als zu privat angesehen hatte, andere aus dem Nachlass hatte er eingefügt.
In der Außenwahrnehmung dieser Ehe spielte Ted Hughes lange die Rolle des Bösewichts, während man Sylvia Plath heiligsprach, ausgerechnet wegen ihres Selbstmords, wie ihre Tochter Frieda Hughes im Vorwort zur Urfassung von „Ariel“ beklagte. Doch Leser, die sich für die inneren Gesetzmäßigkeiten eines Werks interessieren und nicht nur für Lebensgeschichten, wissen spätestens seit Ted Hughes Gedichtband „Birthday Letters“, der 1998 kurz vor seinem Tod erschien, wie stark sich die beiden wechselseitig beeinflusst haben. Seine Weltsicht hat sich noch zu Lebzeiten in ihr Werk eingeprägt. Ihr Einfluss auf ihn war nach ihrem Tod stärker als zuvor.
Durch die glückliche Koinzidenz dreier Publikationen, die nun auf Deutsch erschienen sind, kann man das Kreativitätspotential dieser transatlantischen Ehe aus nächster Nähe nachvollziehen. Sie scheiterte im Leben, nicht aber in der Kunst. Der Suhrkamp Verlag hat endlich die erste deutsch-englische Ausgabe von „Der Koloss“ publiziert, dem einzigen zu Lebzeiten von Sylvia Plath erschienenen Gedichtband. Offenbar geschah das auf Druck des kleinen Luxbooks Verlags, an den sich die Schriftstellerin Judith Zander vor drei Jahren mit einer Übersetzung von „Crossing the Water“, einer Gedichtsammlung aus dem Nachlass, gewandt hatte. Weil Suhrkamp seine Option auf die deutschen Rechte geltend machte, konnte die Publikation erst nach einer Crowdfunding-Kampagne geschehen, so zumindest stellt es der Verleger Christian Lux in einem Begleitschreiben zu „Übers Wasser“ dar.
Wie auch immer: erfreulicherweise liegen nun zwei Gedichtbände von Sylvia Plath in der Übersetzung von Judith Zander vor. Sie zeigt sich ihrem schwierigen Gegenstand eindrucksvoll gewachsen, auch wenn ihr die Lockerheit eines Erich Fried, der die erste „Ariel“-Ausgabe übersetzte, und die Kühnheit von Alissa Walser, die für Suhrkamp die deutsche Erstausgabe der Urfassung von „Ariel“ besorgte, fehlen. Zwar schmerzen einige ungelenke Verse, in der sie der wörtlichen Bedeutung Vorrang vor dem Klang oder der stilistischen Eleganz einräumt. Aber das hat auch mit der grammatischen Umständlichkeit des Deutschen zu tun. So wird etwa aus „This is not death, it is something safer“, dem klangvollen Vers des großen Gedichts „Poem for a Birthday“, das Sylvia Plaths ersten Gedichtband abschließt (und viele Jahre später in Ted Hughes „Birthday Letters“ ein Echo findet): „Dies ist nicht der Tod, es ist etwas Sichereres.“ Das Wiegende des Originals klingt durch den hässlichen deutschen Komparativ wie ein Stottern oder Krächzen.
Auch die direkte Verdopplung eines Wortes klingt unbeholfen. Etwa wenn in dem Gedicht „Faun“ aus „Until all owls in the twigged forest / Flapped black to look and brood“ die Verse werden: „Bis alle Eulen im zweigwirren Wald / Schwarz aufflatterten, um um sich zu schauen“.
Dennoch gelingt es Judith Zander den Wandel in der Dichtung von Sylvia Plath sichtbar zu machen. Hat der Debütband noch etwas kühl Statuarisches, das sich am Kanon orientiert und das lyrische Ich eher vermeidet, entdeckt sie es später als dichterisches Kraftzentrum. In einem BBC-Interview von 1962 bekennt sie, wie schwer es ihr falle, in einem Gedicht so vieles auf engem Raum sagen zu müssen und all die Dinge des täglichen Lebens, die Pflege der Kinder und des Haushalts, den weiblichen Schmuck und Tand aus ihrer Lyrik fern zu halten. Und doch findet sie am Ende ihres Lebens zu großer poetischer Freiheit.
Ein geradezu epischer Erzählwunsch paart sich mit konzentrierter Energie zu einem lyrischen Furor, der alles aussprechen kann: Zartheit, Einsamkeit, Fremdheit, Nähe und die ständige Bedrohung durch die eigene Todessehnsucht. Bizarre und zugleich völlig transparente Bilder jagen einander, ohne gesucht zu wirken. Der Kunstwille der frühen Gedichte weicht einer stets spürbaren Dringlichkeit, die unter Sylvia Plaths geübter Feder die Gestalt somnambuler Poesie annimmt. So beginnt das Gedicht „Letzte Worte“: „Ich will keine einfache Kiste, ich will einen Sarkophag / Mit Tigerstreifen und einem Gesicht / Rund wie der Mond, um heraufzustarren. / Ich will sie angucken, wenn sie kommen, / Herumstochern zwischen den stummen Mineralien, den Wurzeln.“
Ebenfalls ein ambitionierter Kleinverlag, die Hamburger edition fünf, legt unter dem Titel „Du wolltest deine Sterne“ die überaus lesenswerte Doppelbiografie der 2007 verstorbenen amerikanischen Professorin und Lyrikerin Diane Middlebrook auf Deutsch vor. Im 2003 publizierten Original heißt sie „Her Husband“, in Anspielung auf die Rolle von Ted Hughes nach dem Tod von Sylvia Plath. Die Lebensstationen beider Dichter erzählt sie anschaulich und unpathetisch, bis hin zu den Jahren, in denen sich Ted Hughes intensiv um seine Kinder kümmerte und nach dem Selbstmord seiner Geliebten Assia Wevill, die ihre gemeinsame Tochter mit in den Tod nahm, eine zweite Ehe einging.
Es geht Middlebrook liegt nicht um die Verteilung von Credit Points für untadelige Lebensführung. Erfreulich unakademisch erkundet sie das Zusammenwirken zweier Autoren, die in Herkunft und Temperament höchst unterschiedlich waren und sich umso fruchtbarer von einander inspirieren ließen. So zeigt sie, wie die zwischen Depression und forcierter Munterkeit schwankende Sylvia Plath von Ted Hughes mythologischer Weltsicht angezogen wurde. Seine Vorliebe für die Jagd, seine Gewaltobsession, seine fehlende Scheu vor Schmutz und dem Chaos des Unbewussten wanderten in ihre Bildwelt ein. Ted Hughes wiederum, Zeit seines Lebens ein Anhänger der Astrologie, baute seine ländliche Herkunft aus South Yorkshire unter dem Einfluss von Sylvia Plath zu einer Privatmythologie aus. Bis er sie bei ihrem Besuch in seiner Heimat alle Eindrücke in ein Notizbuch eintragen sah, hatte er sich kaum für die Geschichten seiner Eltern interessiert. Eine zeitlang wurden die mündlichen Erzählkünste seiner Mutter und ihre keltische Herkunft zum Vorbild seiner poetischen Stimme.
Am aufregendsten aber ist, wie die intensive Lektüre der Tagebücher, Briefe und nachgelassenen Schriften von Sylvia Plath im Lauf der Jahre seine eigene Poetik verwandelte. Als sie sich kennenlernten, war er ein glühender Verehrer des damals in Cambridge sehr populären Robert Graves. Dessen Glorifizierung des Weiblichen konnte er zu ihren Lebzeiten nicht mit dem Eifer in Einklang bringen, mit dem sie sich der Mutterschaft widmete. Für sie gehörte das Muttersein unbedingt zur Weiblichkeit. Ihm war das eher suspekt.
Zehn Jahre arbeitete er an seinem Gedichtzyklus „Birthday Letters“, in dem er sich die Innensicht ihrer weiblichen Weltwahrnehmung anverwandelte. Sylvia Plath ist dort alles zugleich: die Gefährtin, die gestorbene Ehefrau, die Mutter seiner Kinder, die Muse und vor allem das „Du“, an das er sich wendet, um seiner Stimme einen intimen Klang zu geben. Fünfunddreißig Jahre nach ihrem Tod legt er ihr mit dieser Stimme ihre eigene Welt zu Füßen. Diane Middlebrooks Biografie ist auch eine Einladung, das Werk der beiden noch einmal zu lesen: als furioses Zusammenspiel über den Tod hinaus.
MEIKE FESSMANN
Sylvia Plath: Der Koloss. Gedichte. Englisch und deutsch. Übertragen von Judith Zander. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 163 Seiten, 22,95 Euro.
Sylvia Plath: Übers Wasser. Nachgelassene Gedichte. Zweisprachig. Aus dem Amerikanischen von Judith Zander. Luxbooks, Wiesbaden 2013. 138 Seiten, 22,80 Euro.
Diane Middlebrook: Du wolltest deine Sterne. Sylvia Plath und Ted Hughes. Aus dem Englischen von Barbara von Bechtolsheim. Vorwort von Carl Djerassi. edition fünf, Hamburg 2013. 463 Seiten, mit Fotos. 22,90 Euro.
Nach ihrem Selbstmord wurde
Sylvia Plath im Olymp der Poeten
zur Ikone des frühen Feminismus
Ted Hughes nahm in seinen
letzten Gedichtband die poetische
Weltsicht von Sylvia Plath hinein
Ted Hughes und Sylvia Plath, Ende der Fünfziger.
Foto: Imago/Granata Images
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