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Osby Caudill lebt in einer Gegend, in der er mehr Kühe als Menschen zu sehen bekommt: in den Blue Ridge Mountains in Virginia. Gemeinsam mit seinem Vater kümmert er sich seit Jahrzehnten um die Angus- und Hereford-Herden. Es ist ein raues, wortkarges Leben, das Josh Weil in 'Herdentiere' mit seiner kraftvollen, beeindruckend suggestiven Sprache beschwört. Ein Leben, das Osby vermutlich niemals infrage gestellt hätte, wenn sich sein Vater nicht eines Nachmittags eine Kugel in den Kopf geschossen hätte. Josh Weil beschreibt die Suche seines Helden nach einem Platz in der Welt mit Sanftheit, Genauigkeit und Lakonie.…mehr

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Produktbeschreibung
Osby Caudill lebt in einer Gegend, in der er mehr Kühe als Menschen zu sehen bekommt: in den Blue Ridge Mountains in Virginia. Gemeinsam mit seinem Vater kümmert er sich seit Jahrzehnten um die Angus- und Hereford-Herden. Es ist ein raues, wortkarges Leben, das Josh Weil in 'Herdentiere' mit seiner kraftvollen, beeindruckend suggestiven Sprache beschwört. Ein Leben, das Osby vermutlich niemals infrage gestellt hätte, wenn sich sein Vater nicht eines Nachmittags eine Kugel in den Kopf geschossen hätte. Josh Weil beschreibt die Suche seines Helden nach einem Platz in der Welt mit Sanftheit, Genauigkeit und Lakonie.
Autorenporträt
Weil, Josh
Josh Weil, geboren 1976, wurde 2009 von der Jury des National Book Award zu den »5 Under 35« gezählt und erhielt 2010 für seine Novellensammlung 'The New Valley' (als 'Herdentiere' und 'Das neue Tal' bei DuMont erschienen) den Sue-Kaufman-Debütpreis. Er lebt mit seiner Familie in der Sierra Nevada. www.joshweil.com

Kleiner, Stephan
Stephan Kleiner, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u. a. Geoff Dyer, Chad Harbach, Tao Lin und Hanya Yanagihara ins Deutsche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2010

Unterwegs nach Blue Ridge Mountain

Protokoll einer Zerrüttung: Josh Weils ergreifende Novelle "Herdentiere" erzählt von einem schwachen Helden in einer von Testosteron durchtränkten Welt.

Herdentiere" ist, wie schon der Untertitel verrät, eine zutiefst "amerikanische", eine dicht erzählte "Novelle". Josh Weil führt uns aufs rauhe Land, ins Herz jener Gegend, in die er selbst 1976 hineingeboren wurde: die Blue Ridge Mountains, Virginia. Hier, assoziiert man, spielten die "Waltons". Hier besang John Denver sehnsüchtig die "Country Roads". Und hier, so registriert jetzt der Erzähler mit unumstößlicher Härte, "werden die Menschen manchmal so wie Osby": in sich gekehrt, soziophob, "über das ganze Tal verstreut, voneinander getrennt durch die alten Gebirgskämme und die dichten Wälder", wie die Herdentiere, die sie sich halten. Röntgenblicke sind in dieser Gegend nicht vorgesehen, und das Sprechen ist gedimmt, vor allem nach tragischen Ereignissen. Eben musste Osby seinen Vater beerdigen.

Der alte Farmer hatte sich eine Kugel durch den Kopf geschossen; Vater und Sohn bildeten seit dem Tod der Mutter eine enge Wohn- und Arbeitseinheit. Jetzt kontrolliert Osby allein die fünf Herden. Täglich ruckelt er im Truck über noch gefrorene Bodenwellen bergauf und bergab. Er zählt die Kühe, Kälber, Färsen - "große Brocken Leben"; er dreht am Radio und hört den Wetterbericht. Sobald er sich aber drinnen, im Unglückshaus, aufhält, schlägt die Stimmung um. Er ahnt, dass er bald ganz "vor dem Fernseher verkümmern" wird, von allen vergessen. Doch es bewegt sich etwas in diesem starren Leben: "Am Ende waren es die Heuballen" heißt der erste Satz dieser Prosa; "gerolltes totes Gras" treibt Osby plötzlich Tränen in die Augen. Und es scheint, dass die verkapselte Trauer sich löst. Die Frage ist: wie.

Josh Weil hat bislang einen Band mit Short Stories veröffentlicht; "Herdentiere", herausgenommen aus dieser 2009 in Amerika erschienenen Novellensammlung mit dem Titel "Ridge Weather", ist seine erste deutschsprachige Publikation. Er weiß von der Kraft jener irritierenden Bilder, die nicht Mosaiksteine innerhalb eines gewaltigen Stoffvolumens bilden, sondern für die kleinere Form Hebelwirkung haben können: Die Heuballen bestimmen die Architektur seiner Novelle, und hinter den scheinbar leicht dahererzählten Sequenzen vom Landleben braut sich allmählich die entwaffnende Traurigkeit eines Übriggebliebenen zusammen. Wie soll er mit der "Trauer, die an ihm herunterhing", nun leben? Wie geht das - weitermachen, wenn etwas weggebrochen ist, wenn man es vor niemandem ausdrücken kann?

Osby wäre dazu eigentlich talentiert. Er vermag die Traurigkeit sogar in ihren unterschiedlichen Abstufungen wahrzunehmen: jene direkt nach der Beerdigung, "die sich nach einem bedeutenden Ereignis einstellt, einfach nur, weil es vorbei ist"; später die Stille im Haus; und jene mit Einsamkeit nicht zu verwechselnde, größere, schlimmere Angst draußen beim Anblick der Heuballen, die der Vater auf einer Wiese, die er gezwungen war zu verkaufen, einfach hatte liegen lassen. Hier hätte Schluss sein können. Aber Josh Weil zieht mit unvergleichlicher Sicherheit seine konzentrischen Kreise um eine Schlüsselszene, als wäre erst dies die Durchführung seines eigentlichen Themas: die Veränderung, herbeigeführt nicht durch Worte, sondern durch einen stummen, zähen Zweikampf zwischen Mensch und Tier.

Eines Tages entdeckt Osby während seiner Kontrollgänge einen seiner Stiere abseits der Herde im Gebüsch. Die Muskeln des am Boden liegenden Tiers spielen verrückt, die Hufe keilen aus, zucken, treten nach der Luft und dem Schlamm. Gras-Tetanie. Er muss sich entscheiden: Erschießt er ihn auf der Stelle, wie sein Vater es getan hätte? Oder versucht er es über Tage mit Injektionen? Josh Weil bleibt in der Beschreibung dieser wiederholten Begegnung zwischen Osby und dem Stier minimalistisch. Und so wächst diese zarte Erzählung schließlich aus den amerikanischen Bergen heraus und wird zu einem Lehrstück über jenes kaum fassbare Zwischenreich, in welchem die Verantwortung unmerklich von der einen zur anderen Generation übertritt. Der Stier steht für Kontrolle, sein Sterben für Kontrollverlust, Osbys Handeln für den Umgang mit Macht. Josh Weil erzählt von diesen Vorgängen mit dem Bewusstsein, dass sie eben gerade nicht in einem einzigen Moment erlebbar sind, sondern Teil eines dauernden Reifeprozesses.

Und doch lässt er alles auf diesen Moment zulaufen und vertraut auf dessen erzählerische Wirkung. Das wiederum erscheint sehr amerikanisch. Tatsächlich funktioniert dieses Lehrstück nur deshalb so gut, weil die Bilder schon immer vor ihrer Beschreibung in unseren Köpfen sind. "Herdentiere" ruht unverkennbar auf den Säulen amerikanischer Mythen. Das Haus, in dem Osbys Vater sich erschoss, enthält noch Rundhölzer der alten Pioniere. Die Herden sind Osbys ganzer Stolz. Doch vor der örtlichen Bar kapituliert er wie ein ausgebremster Westernheld, aus Angst, das Lachen da drinnen würde bei seinem Anblick sofort ersterben. "Er wünschte, es gebe einen anderen Weg, Dinge zu sagen, als zu reden." Doch die Zeiten haben sich geändert - Osby kann keinen Revolver sprechen lassen. Zu sehr ist er schon eins geworden mit dem Tier, das er züchtet. "Es kam ihm vor, als sei er gar nicht dazu bestimmt, ein Mensch zu sein. Als Tier wäre er besser dran gewesen, er hätte kommunizieren können, indem er die Haare auf seinem Kopf aufstellte oder irgendeinen Geruch absonderte." Es ist faszinierend, wie Josh Weil mit seinem eigentlich schwachen Helden auf Grundlage der alten Bilder doch noch die Wende schafft - hin zu einer irgendwie testosterondurchtränkten Prosa, die die gültigen Gesetze zur Ausbildung eines Ichs einfach wiederkäut: schweigen, warten, zum richtigen Zeitpunkt handeln.

Das alles ist dringlich erzählt, die Motive sind konsequent hineingearbeitet, die Sätze über die Natur in ihrer Schlichtheit ergreifend und die anderen Sätze über das Innenleben bisweilen überraschend klar. Josh Weil verschränkt die faktische Derbheit seiner Heimat mit dem inneren Zerrüttungsprotokoll seiner Figur. Es ist bezeichnend, dass er Osbys Wunschwelt im Konjunktiv abbildet, so, als wäre selbst eine Teilerfüllung undenkbar. Um so krasser stößt sich davon das tägliche Geschäft um die Ware Rind ab: detailgenaue Beschreibungen vom Entladen der Fladen, und der Umstand, den Tieren noch einen Namen zu geben. Das alles wird kurz angerissen und überdüngt nie den Text. Es steht wie selbstverständlich neben dem Lebensbewältigungsversuch eines immer klein gehaltenen Sohnes, der ahnt, dass er sich aus den Rollenzuschreibungen kaum befreien kann.

Es gibt mit Josh Weil, der wechselnd in New York und einer Blockhütte im Südwesten Virginias wohnt, eine neue Stimme zu entdecken - einen Autor, der sich zwar ungehemmt aus dem unerschöpflichen Bildreservoir der Prärie bedient, der aber trotzdem damit etwas Neues erzählt: Wie es weitergeht, wenn die Vorbilder Hand an sich legen. Durch Osby rauschen der Gründungsmythos Amerikas und die Naturmelancholie jener Blue Ridge Mountains, in denen man eben "so" wird. Aber es geht darüber hinaus. "Er blickte zum Himmel, während er arbeitete. Hoch oben flogen drei der schwarzen Vögel eine wütende Attacke auf einen rotschwänzigen Falken, der im dünnen Sonnenlicht seine Kreise zog. Weite Schwingen neigten sich, ein seitliches Gleiten; er wich elegant aus, unbeeindruckt."

ANJA HIRSCH

Josh Weil: "Herdentiere". Eine amerikanische

Novelle. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. DuMont Verlag, Köln 2010. 120 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch ist hin und weg von diesem Text. Der Autor, jubelt sie, eine Entdeckung. Dabei ist die vorliegende Novelle denkbar amerikanisch, bedient sich Josh Weil aus dem Bilderreservoir der Prärie, Blue Ridge Mountains, Virginia. Hirsch fallen die Waltons ein und John Denver. Dabei bliebe es, beschriebe Weil nicht gnadenlos, wie die Landschaft den Menschen formt, schüfe er nicht Bilder von irritierender Wirkung, führte er die Rezensentin nicht mit so minimalistischer wie sicherer Geste hin auf einen "zähen Zweikampf zwischen Mensch und Tier". Für Hirsch liest sich das wie das "Zerrütungsprotokoll" des Farmerssohnes Osby, verschränkt mit der Derbheit und Melancholie der Gegend.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Josh Weils amerikanische Novelle pflegt die leisen Töne und beeindruckt durch ihre sanfte Unbeirrbarkeit."
DIE WELT

"In präzisen unverbrauchten Sätzen voller poetischer Suggetionskraft und in eindringlichen Metaphern entwickelt Josh Weil unaufgeregt eine Welt. (...) Diese ebenso berührende wie verstörende Novelle erzählt von einem Verlierer, der durchhält, weil er es zu müssen glaubt. Anrührende, große Literatur ist das."
DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN

"Jede Seite ist wunderschöne Literatur. Karg wie die Landschaft erzählt der 34-jährige US-Autor Josh Weil, braucht kein Wort zuviel, um seiner Sprache eine mehr als nur kräftige Stimme zu gebene. Eine Entdeckung."
ECHO

"Anrührende, große Literatur ist das, die mit leiser Wucht eine Nachtseite des amerikanischen Traums ausleuchtet."
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