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"By focusing on the chromosome in the quest to study and harness human heredity, Heredity under the Microscope offers a new history of postwar genetics. Today chromosomes are understood as macromolecular assemblies and analyzed with an array of molecular techniques. Yet throughout much of the twentieth century, researchers studied chromosomes by looking down the microscope at darkly stained bodies in the cell. In the 1950s, improved chromosome preparations offered a direct glimpse of the complete genome of an individual, opening up seemingly endless possibilities of observation and…mehr

Produktbeschreibung
"By focusing on the chromosome in the quest to study and harness human heredity, Heredity under the Microscope offers a new history of postwar genetics. Today chromosomes are understood as macromolecular assemblies and analyzed with an array of molecular techniques. Yet throughout much of the twentieth century, researchers studied chromosomes by looking down the microscope at darkly stained bodies in the cell. In the 1950s, improved chromosome preparations offered a direct glimpse of the complete genome of an individual, opening up seemingly endless possibilities of observation and interventions. Much of the fascination with chromosomes and their persuasive power was based on the visual evidence the chromosome preparations provided, but critics countered that looking at pictures was not enough: we needed to understand the mechanisms. De Chadarevian argues that the often-bewildering variety of observations made by chromosome researchers were as central to the making of human heredity as the search for fundamental mechanisms pursued through the study of model organisms"--
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Autorenporträt
Soraya de Chadarevian is professor in the Department of History and the Institute for Society and Genetics at the University of California, Los Angeles. She is the author and editor of numerous books, including Designs for Life: Molecular Biology after World War II and Models: The Third Dimension of Science.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2020

Das Versprechen der Chromosomen
23 ist ihre Zahl: Soraya de Chadarevian widmet sich einer meist unterbelichteten Etappe in der Geschichte der modernen Genetik

Der Nachweis, dass DNA der Träger der biologischen Vererbung ist, die Struktur der DNA-Doppelhelix, die Mechanismen der Übersetzung der Buchstabenfolge in der DNA in Eiweiße, Genomsequenzierung und die zunehmende Fähigkeit, in dieses System einzugreifen und Organismen auf genetischer Ebene direkt zu manipulieren - das sind üblicherweise die wichtigsten Episoden in jeder Darstellung der Geschichte der Biologie in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Cutting-edge-Technologien wie Röntgenkristallanalyse, Fluoreszenzmikroskopie und der immer massivere Einsatz von Computern, um die riesigen Datenmengen zu verarbeiten, sind dabei von Bedeutung.

Diese Geschichte vernachlässigt jedoch eine Form der genetischen Analyse, für welche die Fruchtfliegengenetiker im frühen zwanzigsten Jahrhundert die Pionierarbeit leisteten, die aber in der Nachkriegszeit mehr und mehr auf den Menschen angewendet wurde und großen Einfluss auf die klinische Praxis hatte: die visuelle Analyse von Chromosomen, jenen Bestandteilen des Zellkerns, in denen die DNA "verpackt" ist. In den sechziger Jahren waren Bilder von schön in Reih und Glied angeordneten Chromosomenpaaren eines der wichtigsten Symbole der Macht der neuen Genetik.

In ihrem Buch lässt die Wissenschaftshistorikerin Soraya de Chadarevian diese Epoche, in der Chromosomen und ihre bildliche Darstellung für die Versprechen und Risiken der neuen Genetik standen, wiederauferstehen. Mit nur wenig wissenschaftshistorischem Jargon gelingt es ihr, die Forschungsdynamik, die Konflikte, die ethischen Dilemmata und das Verhältnis zur Molekularbiologie gut lesbar darzustellen - wobei Vertrautheit mit Fachbegriffen der Genetik bei der Lektüre allerdings hilfreich ist.

Die Autorin zeigt zuerst, dass Ängste vor der Atomenergie und ihrer militärischen wie zivilen Nutzung die treibende Kraft an dem neuen Interesse an Chromosomen waren. Ihre Untersuchung mit Hilfe des Lichtmikroskops, die Cytogenetik, erlaubte es, Mutationen sichtbar zu machen, und war damit ein Werkzeug, diese Ängste zu verarbeiten. Die Autorin stellt dar, welche technischen Herausforderungen dabei zunächst zu überwinden waren. Da es überaus schwierig ist, Zellen zu präparieren, so dass alle Chromosomen gut sichtbar und eindeutig identifizierbar sind, dauerte es bis 1956, als der eindeutige Nachweis erbracht werden konnte, dass alle Menschen 23 Chromosomenpaare haben.

Die Standardisierung von Präparations- und Auswertungsmethoden und neue Wege, sich teilende Zellen ohne schmerzhafte Eingriffe zu sammeln, führten in den sechziger Jahren zu einer wahren Explosion von Chromosomenanalysen. Befürchtungen über radioaktive Strahlung und Umweltgifte rehabilitierten genetische Studien an Menschen, die bis dahin immer noch häufig in Verbindung mit eugenischen und rassistischen Praktiken gesehen wurden. Die Identifikation der Ursache des Down-Syndroms in einer Chromosomenstörung im Jahr 1956 - Chromosom 21 ist dreifach anstatt doppelt vorhanden - spielte eine entscheidende Rolle dabei, die Analyse von Chromosomen in die klinische Praxis einzuführen. Die vorgeburtliche genetische Risikobewertung stand damit auf einer neuen Grundlage und musste nicht mehr auf mühsame Stammbaumanalysen zurückgreifen.

Chromosomen versprachen aber auch Einsichten in komplexe Probleme - etwa in die Ursachen von Gewaltdelikten. Die Autorin schildert die Debatten um Chromosomenstörungen wie das XYY-Syndrom, das auffallend häufig bei Gewaltverbrechern diagnostiziert wurde. Andere Störungen machten eine eindeutige Geschlechtszuschreibung schwierig, und die einschlägigen Debatten zeigen bis heute Nachwirkungen, wenn es darum geht, das vermeintlich zweifelhafte Geschlecht von Athleten zu bestimmen. In den siebziger Jahren wurde auch versucht, Chromosomen zum Studium der biologischen Variabilität des Menschen einzusetzen. Diese Untersuchungen konnten zwar die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, die Ziele wurden aber in den neunziger Jahren im "Human Genome Diversity Project" wiederaufgenommen. Doch auch dieses Projekt scheiterte - dieses Mal am Widerstand indigener Völker, die ihre Rechte und Bedürfnisse verletzt sahen.

Im letzten Kapitel zeigt die Autorin, wie eng die Verbindungen zwischen Zellgenetik und Molekularbiologie waren. Vielen Molekularbiologen war die visuelle Analyse von Chromosomen nicht quantitativ und analytisch genug. Solche Forschungen galten einfach als altmodisch. Doch viele der Erfolge der Molekularbiologen beruhten auf Vorarbeiten der Zellgenetiker. Am Beginn der neunziger Jahre hatten sie mehr als 2000 Gene auf den menschlichen Chromosomen lokalisiert. Ohne dieses Gerüst wäre die Anwendung der neuen Methoden der Genlokalisierung weitaus schwieriger gewesen. Und mit steigendem Interesse an Fragen der Genregulierung wurde Arbeiten zur Chromosomenstruktur wieder starkes Interesse zuteil. Darüber hinaus ist mit der Entwicklung neuer bildgebender Verfahren und Technologien zur digitalen Bildverarbeitung auch die Grenze zwischen visuellen und experimentell-analytischen Arbeitsweisen verschwommen - Bilder sind alles andere als weniger wichtig geworden.

THOMAS WEBER

Soraya de Chadarevian:

"Heredity under the Microscope". Chromosomes & the Study of the Human Genome.

University of Chicago Press, Chicago 2020. 308 S., br., 37,50 [Euro].

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