Vor hundert Jahren veröffentlichte Hermann Hesse seinen Roman Siddhartha. Das Werk wäre 1962 nach seinem Tod beinah in Vergessenheit geraten, wenn nicht die Hippies der Flower-Power-Bewegung aus San Francisco Hesse zu einem ihrer Gurus erklärt hätten. Die Mythologien Indiens wurden zu ihrer Orientierung und Siddhartha damit zu ihrer Kultdichtung.Früh begab sich Hesse auf Sinnsuche, durch Studium der grossen Überlieferungen, aber auch deshalb, weil er von tiefen inneren Konflikten geprägt war. Er versuchte wie Buddha, durch radikale Askese von seinen inneren Spannungen frei zu werden. Allein, es gelang ihm nicht; zu viel Zwang, zu viel Lust- und Willensunterdrückung. Also wandte er sich Laotse zu. Nach dessen Lehre müsse man der Welt nicht entsagen, sondern sie in ihren Polaritäten von Yin und Yang verstehen, schreibt Karl-Josef Kuschel, Präsident der Hesse-Gesellschaft in dieser Du-Ausgabe. Weg von der buddhistischen Weltverneinung hin zur taoistischen Weltbejahung - so kam es zum grossen Wandel in Hesses Denken, aus dem Siddhartha entstand.