Erika Schmied unternimmt mehrere Annäherungen an die Person des Künstlers Hermann Nitsch und fragt nach dem Menschen, der hinter den Aktionen steht, die ihn bekannt gemacht haben, so man ihn nicht verkennen wollte. Ohne dem von Nitsch initiierten „Orgien Mysterien Theater“, das er regelmäßig in Schloß Prinzendorf in Szene setzt, etwas von seiner gewiß intendierten Schockwirkung nehmen zu wollen, korrigiert dieser Blick einige der verbreiteten Vorurteile. Das Buch zeigt Nitsch zum Beispiel als leidenschaftlichen Tierfreund, der mit seinen Hunden und Katzen, Pfauen, Gänsen und anderem Geflügel eine beschauliche Existenz führt. Die Fotos – bei wiederholten Besuchen innerhalb der letzten zehn Jahre entstanden – machen deutlich, wie sehr Hermann Nitsch, sein Lebensgefühl und das „Orgien Mysterien Theater“ in der Hügellandschaft des nördlichen Niederösterreich verwurzelt sind, in den ausgedehnten Gärten und Alleen, Höfen und Stallungen von Prinzendorf und nicht zuletzt den Weinkellern und -schenken der Umgebung. Sie zeigen anschaulich, in welch hohem Maße Nitsch übereinstimmt mit dem, was er tut. Erika Schmied führt uns aber auch in das Ferienquartier des Künstlers im norditalienischen Asolo wo er einen abseits gelegenen Bauernhof besitzt und wo er auch viele seiner Aktionen konzipiert hat. Wieland Schmied, Kunsthistoriker, Ausstellungsmacher und Autor zahlreicher Monografien zur modernen Kunst, mit Nitsch seit langem freundschaftlich verbunden, hat wiederholt über dessen Arbeit geschrieben. In einem einleitenden Essay entwirft er ein Charakterbild eines Künstlers, der zu den meistdiskutierten Protagonisten der internationalen Kunstszene gehört.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.05.2005Antichrist, idyllisch: Hermann Nitsch in schöner Umgebung
Das sind Hermann und Freddy. Freddy schaut bewundernd zu seinem Herrchen auf und beschnüffelt es aus nächster Nähe. Erika und Wieland Schmied tun es auch. In ihrem schmalen Bildband versprechen die Fotografin und der Autor, den Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch als den „Menschen hinter seinen Aktionen” zu zeigen: hinter den inszenierten Großereignissen seines „Orgien Mysterien Theaters”, seinen heftig umstrittenen Perfomances mit Tierkadavern und sakralen Symbolen.
Das Ergebnis ist ein schön gestalteter Band aus der Froschperspektive. Ein hymnischer Freundschaftsdienst, der mit beschaulichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Künstlers und seiner Umgebung die Schlagzeilen und Skandale entschärfen will - und dafür den Weichspülgang einschaltet (Erika und Wieland Schmied: Hermann Nitsch. Der Mensch hinter seinen Aktionen. Residenz-Verlag, Salzburg 2005. 160 Seiten, 35 Euro).
So reihen sich schöne Landschaftsaufnahmen aus dem niederösterreichischen Prinzendorf, seinen Weinbergen und Feldern aneinander, die die ländliche Idylle mit stimmungsvollen Lichtspielen beschwören. Architekturfotografien von Schloss Prinzendorf führen den willigen Leser dann durch Nitschs Wohn- und Wirkungsstätte bis ins Herzstück des Schreins, das Atelier. Und weiter auf den Hof, wo der gemütliche, füllige Mann mit Rauschebart eine Gänseschar friedlich vorbeiwatscheln sieht.
Ganz am Ende, als wirklich alle wissen müssten, dass Nitsch kein Antichrist, Tierschänder und Pornograf ist, fällt dann doch noch ein Blick auf die monumentalen Fleisch- und Blutinszenierungen seines „Orgien Mysterien Theaters”. Wer dieses Buch liest, sollte die vorgesehene Menge an Vorurteilen und Stereotypen mitbringen. Denn mehr trauen die Verfasser ihrem Leser nicht zu.
kade
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Das sind Hermann und Freddy. Freddy schaut bewundernd zu seinem Herrchen auf und beschnüffelt es aus nächster Nähe. Erika und Wieland Schmied tun es auch. In ihrem schmalen Bildband versprechen die Fotografin und der Autor, den Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch als den „Menschen hinter seinen Aktionen” zu zeigen: hinter den inszenierten Großereignissen seines „Orgien Mysterien Theaters”, seinen heftig umstrittenen Perfomances mit Tierkadavern und sakralen Symbolen.
Das Ergebnis ist ein schön gestalteter Band aus der Froschperspektive. Ein hymnischer Freundschaftsdienst, der mit beschaulichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Künstlers und seiner Umgebung die Schlagzeilen und Skandale entschärfen will - und dafür den Weichspülgang einschaltet (Erika und Wieland Schmied: Hermann Nitsch. Der Mensch hinter seinen Aktionen. Residenz-Verlag, Salzburg 2005. 160 Seiten, 35 Euro).
So reihen sich schöne Landschaftsaufnahmen aus dem niederösterreichischen Prinzendorf, seinen Weinbergen und Feldern aneinander, die die ländliche Idylle mit stimmungsvollen Lichtspielen beschwören. Architekturfotografien von Schloss Prinzendorf führen den willigen Leser dann durch Nitschs Wohn- und Wirkungsstätte bis ins Herzstück des Schreins, das Atelier. Und weiter auf den Hof, wo der gemütliche, füllige Mann mit Rauschebart eine Gänseschar friedlich vorbeiwatscheln sieht.
Ganz am Ende, als wirklich alle wissen müssten, dass Nitsch kein Antichrist, Tierschänder und Pornograf ist, fällt dann doch noch ein Blick auf die monumentalen Fleisch- und Blutinszenierungen seines „Orgien Mysterien Theaters”. Wer dieses Buch liest, sollte die vorgesehene Menge an Vorurteilen und Stereotypen mitbringen. Denn mehr trauen die Verfasser ihrem Leser nicht zu.
kade
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