Als der Protagonist in Patrick Holzapfels Debütroman Hermelin auf Bänken durch den neunten Wiener Gemeindebezirk läuft, geschieht etwas geradezu Unerhörtes: Er kommt vom geraden Weg ab, beginnt, den mäandernden Schritten eines in Hermelin gehüllten Obdachlosen zu folgen, und findet sich schließlich unvermittelt wieder - auf einer aus zwanzig dünnen braunen Holzplatten bestehenden Parkbank. Von hier aus, wo ihm die Zeit endlich aufzuhören scheint, entfaltet sich allmählich ein alternativer Stadtplan, den der Erzähler sitzend erkundet, denn: »Je länger man sitzt, desto mehr erfährt man über die Bank. Und zugleich erfährt man auch etwas über Menschen, die auf Bänken sitzen«; Menschen wie Manuela mit ihrer umfassenden, wenn auch völlig nutzlosen Kenntnis der Filmgeschichte, wie Yong, der über seine unzähligen Schachtriumphe schwadroniert, oder eben wie den Erzähler, der auf der Suche nach dem Hermelinkönig mit leisem Witz und Ironie selbst zum König wird und erkennt, dass jede Bank die Geschichte einer Person erzählt und ihre Leidenschaften, Ängste und Hoffnungen in einen Ausblick verwandelt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Ein Buch, das einen neuen Blick auf die Welt ermöglicht, hat Patrick Holzapfel laut Rezensent Nils Schniederjann geschrieben. Holzapfels Debütroman erinnert Schniederjann an Bartleby, den Schreiber, wobei die Hauptfigur dieses Buches streng genommen nicht einmal dazu kommt, zu sagen, dass sie lieber nicht möchte, weil sie die ganze Zeit auf den Parkbänken Wiens abhängt. Hier sitzt der selbsternannte Bankier, fährt die Rezension fort, und beobachtet die Welt, unterhält sich mit Obdachlosen und findet dabei, jenseits aller Moralisierung, Zugang zu einer Fremdheit, die das Normale transzendiert. Dem Rezensent macht dieses schöne Buch Lust, selbst die Freuden des auf Parkbänkensitzens auszuprobieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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