Sterben die Bienen, sterben die Menschen!
Seit über 100 Millionen Jahren prägt der Bien - also das Bienenvolk mit seinem Stock - das Leben auf unserer Erde, weil er einer riesigen Pflanzengruppe als Bestäuber dient. Ohne Biene keine Äpfel - wenn es nach dem Willen der Agrochemie-Konzerne geht, soll dies jedoch anders werden. Ihnen schwebt eine Zukunft der Roboterbienen vor. Bestäubt wird nur noch, was Kasse bringt. Willkommen in einem der folgenschwersten Auswüchse des menschengemachten Ökozids. Timm Koch führt uns in die wundersame Welt der Bienen und zeigt: Noch funktioniert die Mensch-Bien-Symbiose, noch stemmt sich die Herrschaft des Biens gegen die vollkommen ungezügelte Vergiftung unserer Landschaften durch Bayer, Monsanto und Co. Aber wir sind in einer kritischen Phase angelangt.
Seit über 100 Millionen Jahren prägt der Bien - also das Bienenvolk mit seinem Stock - das Leben auf unserer Erde, weil er einer riesigen Pflanzengruppe als Bestäuber dient. Ohne Biene keine Äpfel - wenn es nach dem Willen der Agrochemie-Konzerne geht, soll dies jedoch anders werden. Ihnen schwebt eine Zukunft der Roboterbienen vor. Bestäubt wird nur noch, was Kasse bringt. Willkommen in einem der folgenschwersten Auswüchse des menschengemachten Ökozids. Timm Koch führt uns in die wundersame Welt der Bienen und zeigt: Noch funktioniert die Mensch-Bien-Symbiose, noch stemmt sich die Herrschaft des Biens gegen die vollkommen ungezügelte Vergiftung unserer Landschaften durch Bayer, Monsanto und Co. Aber wir sind in einer kritischen Phase angelangt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2018Ein unersetzbarer Superorganismus hat schwer zu kämpfen
Böse ist der Mensch, gut der Herr Bien: Der philosophierende Imker Timm Koch sucht den Grund des Bienensterbens und findet eine Verschwörung.
Von Joachim Müller-Jung
Wie wir Tiere halten und nutzen, wie wir uns ernähren, welche Beziehungen wir zum außermenschlichen Teil von Mutter Natur pflegen, über all das kann man sich, insbesondere als Philosoph, begründete Sorgen machen. Viele tun es heute mit Fleiß. Krisenphänomene, sprich Anlässe, gibt es genügend. Manche philosophieren von der Warte des intellektuellen Betrachters aus, sie reflektieren dennoch sorgfältig, wägen ab und legen dabei ethische Konflikte offen, viele liefern das Rüstzeug für biopolitische Debatten, etwa wenn es um Massentierhaltung oder ums Artensterben geht.
Aber Philosophen können auch ganz anders. Timm Koch, ein Berliner Philosoph, der sich zugutehält, seit seiner Jugend die "archaischen Künste des Gärtnerns, des Sammelns von Wildfrüchten und Pilzen, der Jagd, des Fischfangs und der Imkerei zu lernen und zu leben", hat kraft dieser vielfachen Betätigungen einen philosophischen Standpunkt zu seinem Gegenstand gefunden, der nicht vieler Philosophie bedarf - und auch nur gelegentlicher wissenschaftlicher Reflexion. Im Falle der von Timm behandelten "Herr-Bien-Mensch-Symbiose" erweist sich diese Selbstbezüglichkeit im Nachhinein als geradezu tragisch.
Herr Bien ist die von dem Imker Johannes Mehring im neunzehnten Jahrhundert gewählte Bezeichnung für die Ein-Wesen-Theorie: Nicht die Biene als Individuum, sondern das hochgradig soziale Bienenvolk als Superorganismus bildet die entscheidende evolutionäre Einheit. Koch ist voller Hochachtung für dieses Geschöpf. Er lebt mit seiner Familie in einer symbiotischen Einheit mit dem Bien, und das eben schon sehr lange. So hat er ein großes, für die Verhaltenswissenschaft, aber vor allem auch für die Imkerei sehr nützliches Erfahrungswissen über die Bienen angehäuft.
Im ersten Teil des Buches erfahren wir, immer wieder von lebendigen Erlebnisberichten durchsetzt, viel über die historischen, biologischen und auch die ökonomischen und medizinischen Hintergründe der Imkerei. Man liest das mit Gewinn. Weltanschaulich hat sich der Autor da noch im Griff. Für alle, die nicht ahnen, welche enorme Bedeutung Honigbienen für die Landwirtschaft, ja für das wirtschaftliche Überleben von vielen Generationen von Obstbauern haben, gibt es da viel zu lernen. Schließlich kann die Arbeit der Bienen kaum genügend gewürdigt werden. Dazu eine vielsagende Zahl: Für hundert Gramm Honig müssen die Bienen etwa eine Million Blüten anfliegen. Das wiederum heißt: Eine Million Blütenbestäubungen kommen so zustande.
Das ist eine Arbeit, die durch menschliche Hände nicht zu ersetzen ist. Bei uns zumindest. In China, klärt uns Koch auf, einem großen Produzenten für Honig und Gelée royale - dem Futtersekret der Königinnenmacher im Bienenstaat - passiert inzwischen genau das: Weil die Landwirtschaft dort ebenso wie hier und in den Vereinigten Staaten unter einem Massensterben der Bienen leidet, müssen inzwischen Billigarbeiter die Aufgabe der Blütenbestäubung in Obstplantagen besorgen.
Über das rätselhafte Bienensterben erfahren wir in dem Buch nicht viel mehr als das, was in die Weltanschauung des Autors passt: Die Bienen sind für ihn allein Opfer der "chemischen Duschen" der Landwirte. Koch schreibt sich in Rage, er verzichtet auf die ausgewogene wissenschaftliche Debatte, die sich um Pestizide genauso rankt wie um Klimawandel, Krankheiten, Faunenverfälschung, Artenverarmung und Nährstoffungleichgewichte. Seine philosophische Annäherung gipfelt stattdessen in dem verunglückten Satz: "Aus Gesichtspunkten der Philosophie sind Bayer, Syngenta und Monsanto lediglich Symptome einer ausufernden, allgemeinen Geisteskrankheit der industrialisierten Menschen."
Mit dem Deutschen Imkerbund oder anderen Verbänden hat der Autor zwar nicht viel zu schaffen. Aber so wie die Imkervereine sich stets sehr selbstbewusst gegen Landwirtschaft und Agrarindustrie stellen, so ist der Autor immerzu geneigt, seinen pseudophilosophischen Stachel auszufahren: gegen die Gentechnik, die er dann allerdings bloß streift, oder den Veganismus, den er als moralisches Gegengewicht zur Industrielandwirtschaft diskreditiert sieht, weil sich die Veganer auch gegen die Massentierhaltung von Bienen wenden. Herr Bien hat einfach zu viele Feinde, das zu betonen, wird Koch nicht müde. Doch die von ihm forcierten Verschwörungstheorien, Roboterbienen hin und Chemie her, entwerten letztlich jeden gesellschaftlichen Dialog, der eine Lösung der ökologischen Krise sucht.
Timm Koch: "Herr Bien und seine Feinde". Vom Leben und Sterben der Bienen.
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018.
224 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Böse ist der Mensch, gut der Herr Bien: Der philosophierende Imker Timm Koch sucht den Grund des Bienensterbens und findet eine Verschwörung.
Von Joachim Müller-Jung
Wie wir Tiere halten und nutzen, wie wir uns ernähren, welche Beziehungen wir zum außermenschlichen Teil von Mutter Natur pflegen, über all das kann man sich, insbesondere als Philosoph, begründete Sorgen machen. Viele tun es heute mit Fleiß. Krisenphänomene, sprich Anlässe, gibt es genügend. Manche philosophieren von der Warte des intellektuellen Betrachters aus, sie reflektieren dennoch sorgfältig, wägen ab und legen dabei ethische Konflikte offen, viele liefern das Rüstzeug für biopolitische Debatten, etwa wenn es um Massentierhaltung oder ums Artensterben geht.
Aber Philosophen können auch ganz anders. Timm Koch, ein Berliner Philosoph, der sich zugutehält, seit seiner Jugend die "archaischen Künste des Gärtnerns, des Sammelns von Wildfrüchten und Pilzen, der Jagd, des Fischfangs und der Imkerei zu lernen und zu leben", hat kraft dieser vielfachen Betätigungen einen philosophischen Standpunkt zu seinem Gegenstand gefunden, der nicht vieler Philosophie bedarf - und auch nur gelegentlicher wissenschaftlicher Reflexion. Im Falle der von Timm behandelten "Herr-Bien-Mensch-Symbiose" erweist sich diese Selbstbezüglichkeit im Nachhinein als geradezu tragisch.
Herr Bien ist die von dem Imker Johannes Mehring im neunzehnten Jahrhundert gewählte Bezeichnung für die Ein-Wesen-Theorie: Nicht die Biene als Individuum, sondern das hochgradig soziale Bienenvolk als Superorganismus bildet die entscheidende evolutionäre Einheit. Koch ist voller Hochachtung für dieses Geschöpf. Er lebt mit seiner Familie in einer symbiotischen Einheit mit dem Bien, und das eben schon sehr lange. So hat er ein großes, für die Verhaltenswissenschaft, aber vor allem auch für die Imkerei sehr nützliches Erfahrungswissen über die Bienen angehäuft.
Im ersten Teil des Buches erfahren wir, immer wieder von lebendigen Erlebnisberichten durchsetzt, viel über die historischen, biologischen und auch die ökonomischen und medizinischen Hintergründe der Imkerei. Man liest das mit Gewinn. Weltanschaulich hat sich der Autor da noch im Griff. Für alle, die nicht ahnen, welche enorme Bedeutung Honigbienen für die Landwirtschaft, ja für das wirtschaftliche Überleben von vielen Generationen von Obstbauern haben, gibt es da viel zu lernen. Schließlich kann die Arbeit der Bienen kaum genügend gewürdigt werden. Dazu eine vielsagende Zahl: Für hundert Gramm Honig müssen die Bienen etwa eine Million Blüten anfliegen. Das wiederum heißt: Eine Million Blütenbestäubungen kommen so zustande.
Das ist eine Arbeit, die durch menschliche Hände nicht zu ersetzen ist. Bei uns zumindest. In China, klärt uns Koch auf, einem großen Produzenten für Honig und Gelée royale - dem Futtersekret der Königinnenmacher im Bienenstaat - passiert inzwischen genau das: Weil die Landwirtschaft dort ebenso wie hier und in den Vereinigten Staaten unter einem Massensterben der Bienen leidet, müssen inzwischen Billigarbeiter die Aufgabe der Blütenbestäubung in Obstplantagen besorgen.
Über das rätselhafte Bienensterben erfahren wir in dem Buch nicht viel mehr als das, was in die Weltanschauung des Autors passt: Die Bienen sind für ihn allein Opfer der "chemischen Duschen" der Landwirte. Koch schreibt sich in Rage, er verzichtet auf die ausgewogene wissenschaftliche Debatte, die sich um Pestizide genauso rankt wie um Klimawandel, Krankheiten, Faunenverfälschung, Artenverarmung und Nährstoffungleichgewichte. Seine philosophische Annäherung gipfelt stattdessen in dem verunglückten Satz: "Aus Gesichtspunkten der Philosophie sind Bayer, Syngenta und Monsanto lediglich Symptome einer ausufernden, allgemeinen Geisteskrankheit der industrialisierten Menschen."
Mit dem Deutschen Imkerbund oder anderen Verbänden hat der Autor zwar nicht viel zu schaffen. Aber so wie die Imkervereine sich stets sehr selbstbewusst gegen Landwirtschaft und Agrarindustrie stellen, so ist der Autor immerzu geneigt, seinen pseudophilosophischen Stachel auszufahren: gegen die Gentechnik, die er dann allerdings bloß streift, oder den Veganismus, den er als moralisches Gegengewicht zur Industrielandwirtschaft diskreditiert sieht, weil sich die Veganer auch gegen die Massentierhaltung von Bienen wenden. Herr Bien hat einfach zu viele Feinde, das zu betonen, wird Koch nicht müde. Doch die von ihm forcierten Verschwörungstheorien, Roboterbienen hin und Chemie her, entwerten letztlich jeden gesellschaftlichen Dialog, der eine Lösung der ökologischen Krise sucht.
Timm Koch: "Herr Bien und seine Feinde". Vom Leben und Sterben der Bienen.
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018.
224 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Joachim Müller-Jung kann vor allem im ersten Teil des Buches des philosophierenden Hobbyimkers Timm Koch eine ganze Menge lernen. Durchsetzt von lebendigen Erfahrungsberichten aus dem heimischen Garten steht da Wissenswertes über die historischen, biologischen, ökonomischen und medizinischen Hintergründe der Imkerei, freut sich der Rezensent. Dass die Arbeit der Bienen kaum genug gewürdigt werden kann, möchte er nach der Lektüre gerne glauben. Wenn Koch allerdings das Bienensterben allein auf die Chemie aus den Häusern Monsanto und Bayer zurückführt, steigt Müller-Jungk aus. Das ist ihm zu verschwörungstheoretisch. Er wirft dem Autor vor, sich in Rage zu schreiben, anstatt eine glaubwürdige Debatte um Artenverarmung und Nährstoffungleichgewichte in Gang zu halten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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