Die Geschichte war ihr Schicksal.
Erschütternd und tief bewegend - eindringlich und fesselnd erzählt: Zwei außergewöhnliche Biographien, zwei Menschen, die trotz jahrelanger Haft in den Zeiten des kalten Krieges ihren Mut und ihre Lebenskraft nicht verloren.
Dresden 1948. Ein Gefängnis der Sowjetischen Militäradministration, ein Mann und eine Frau. Ihre Sprache - ein Klopfzeichen durch die Zellenwand: Dietrich Hübner, 21 Jahre alt, seit Kriegsende Mitglied der Liberaldemokratischen Partei, und Mara Jakisch, 43 Jahre alt, Operettensängerin und Filmschauspielerin. Er hat sich geschworen, für Demokratie und Freiheit zu kämpfen. Ein gefährliches Engagement. Längst hat sich die SED mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht formiert und verfolgt ihre politischen Gegner. Mara Jakischs Leben sind der Gesang und die Schauspielerei. Es zieht sie wieder auf die Bretter der großen Bühnen.
Dann die Anschuldigungen: Spionage für die westlichen Besatzungsmächte. Beide werden zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Dietrich Hübner kommt nach Bautzen, dann nach Brandenburg-Görden, Mara Jakisch in den Gulag nach Sibirien. Der Kampf um die eigene Würde beginnt, gestärkt von der Hoffnung auf andere Zeiten.
Erschütternd und tief bewegend - eindringlich und fesselnd erzählt: Zwei außergewöhnliche Biographien, zwei Menschen, die trotz jahrelanger Haft in den Zeiten des kalten Krieges ihren Mut und ihre Lebenskraft nicht verloren.
Dresden 1948. Ein Gefängnis der Sowjetischen Militäradministration, ein Mann und eine Frau. Ihre Sprache - ein Klopfzeichen durch die Zellenwand: Dietrich Hübner, 21 Jahre alt, seit Kriegsende Mitglied der Liberaldemokratischen Partei, und Mara Jakisch, 43 Jahre alt, Operettensängerin und Filmschauspielerin. Er hat sich geschworen, für Demokratie und Freiheit zu kämpfen. Ein gefährliches Engagement. Längst hat sich die SED mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht formiert und verfolgt ihre politischen Gegner. Mara Jakischs Leben sind der Gesang und die Schauspielerei. Es zieht sie wieder auf die Bretter der großen Bühnen.
Dann die Anschuldigungen: Spionage für die westlichen Besatzungsmächte. Beide werden zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Dietrich Hübner kommt nach Bautzen, dann nach Brandenburg-Görden, Mara Jakisch in den Gulag nach Sibirien. Der Kampf um die eigene Würde beginnt, gestärkt von der Hoffnung auf andere Zeiten.
"Ein Dokument von beispielloser Zivilcourage, unsentimental geschrieben und gerade deshalb bewegend." -- ELLE, Oktober 2014
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014In den Kerkern des Ostblocks
Das Urteil lautete jeweils auf 25 Jahre Haft: Susanne Schädlich erzählt zwei reale Häftlingsschicksale in der DDR als Roman.
Von Hans-Christoph Buch
Jeder Geschichtsschreiber steht vor der Frage, was im Leben eines Menschen Zufall oder Notwendigkeit war, was den Zeitumständen oder dem Charakter der jeweiligen Person entsprang. Der Altmeister des Genres, Plutarch, schrieb deshalb parallele Lebensläufe von Griechen und Römern und verglich Cicero mit Demosthenes, um nur ein Beispiel zu nennen. Diese ehrwürdige Tradition hat Susanne Schädlich wiederbelebt, eine Autorin, die bisher mit Erinnerungsbüchern wie "Immer wieder Dezember" und "Westwärts, so weit es nur geht" hervortrat. "Die Stasi war mein Eckermann", hat Wolf Biermann einmal gesagt, und obwohl die Tochter des Schriftstellers Hans Joachim Schädlich schon als Kind die DDR verließ, kommt sie von dem Thema nicht los und arbeitet sich in immer neuen Anläufen daran ab - eine Vergangenheit, die nicht vergeht.
Die Entmündigung der Bürger durch die DDR-Diktatur war die Negation der Demokratie, aber Susanne Schädlich hat kein Sachbuch geschrieben, keine politische Abhandlung und keinen akademischen Traktat, sondern einen Roman, der so diskret wie kunstvoll die Schicksale zweier Personen verknüpft, die einander nie begegnet sind, aber für kurze Zeit Zelle an Zelle, Wand an Wand inhaftiert waren und sich durch Klopfzeichen miteinander verständigten. Sie erzählt, historisch verbürgt, die Lebensläufe eines Mannes und einer Frau, die verschiedenen Generationen und sozialen Milieus entstammten: Ihre einzige Gemeinsamkeit liegt darin, dass sie in der sowjetischen Besatzungszone ohne Angabe von Gründen verhaftet wurden und in die Mühlen der stalinistischen Justiz gerieten.
Man schreibt das Jahr 1948: Wer von Rotarmisten abgeführt und von sowjetischen Militärgerichten abgeurteilt wird - von als Werwölfe denunzierten Jugendlichen bis zu Mitgliedern der Jungen Gemeinde -, der verschwindet auf unabsehbare Zeit in früheren KZs, Lagern oder Gefängnissen und kann von Glück reden, wenn er oder sie lebend aus Bautzen oder Workuta zurückkehrt.
"Er dachte, wenn ich weglaufe, erschießen sie mich gleich hier. Die beiden russischen Männer in Zivil hatten ihn in die Mitte genommen. Sie liefen die Straße hinunter, an der Ecke parkte ein Wagen. Er musste sich auf die Rückbank setzen. Die russischen Männer setzten sich links und rechts neben ihn." So beginnt der Text, der Faktentreue mit Fiktion verbindet und trotz eingebauter Originaldokumente, Briefe und Protokolle kein Tatsachenbericht ist, sondern ein Roman, dessen sprachliche Dichte, gepaart mit existentiellem Ernst, die Gattungsfrage in den Hintergrund drängt. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme war Dietrich Hübner 21 Jahre alt: Als junger Liberaler widersetzte er sich der von oben verordneten Gleichschaltung der LDP, des östlichen Pendants zur FDP, und verhalf seinem Parteifreund Mischnick zur Flucht aus Dresden. Zur Strafe für seine Unbotmäßigkeit wird Hübner zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Häufig sitzt er in Einzelhaft, weil er sich weigert, erpresste Geständnisse zu unterschreiben, Uniformen zu nähen und Holzpantinen zu tragen.
Mara Jakisch, eine Operettensängerin, die sich in den dreißiger Jahren hocharbeitete zum Ufa-Star, war dagegen eher unpolitisch. Sie wollte einfach nur singen und trat vor Naziführern ebenso auf wie im Berliner Rundfunk oder auf ost- und westdeutschen Bühnen der Nachkriegszeit. Was ihr zum Verhängnis wurde, war eine Party bei Freunden, in deren Zehlendorfer Villa amerikanische Offiziere ein und aus gingen. Auch sie wird in der Sowjetzone verhaftet und als angebliche Spionin zu 25 Jahren Straflager verurteilt.
Sie überlebt den Transport nach Sibirien und die Zwangsarbeit in der Taiga, lernt Russisch, singt für Mitgefangene und bessert aus Carepaketen die karge Häftlingsration auf. 1955 wird sie vorzeitig begnadigt und kehrt in die Bundesrepublik zurück. Hübner dagegen muss seine Strafe absitzen und wird erst 1964 freigekauft. "Er traf Wolfgang Mischnick und Thomas Dehler und Erich Mende . . . Mende sagte zu ihm, das hätte er auch einfacher haben können. Warum er nicht zu seinem persönlichen Vorteil Kompromisse eingegangen sei und sich zu Spitzeldiensten verpflichtet hätte." Dass der Ritterkreuzträger und FDP-Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Erich Mende, mit Hilfe des Foto-Unternehmers und DDR-Agenten Porst von der Stasi abgeschöpft wurde, wussten zu diesem Zeitpunkt nur wenige Eingeweihte.
Susanne Schädlich: "Herr Hübner und die sibirische Nachtigall". Roman.
Droemer Verlag, München 2014. 236 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Urteil lautete jeweils auf 25 Jahre Haft: Susanne Schädlich erzählt zwei reale Häftlingsschicksale in der DDR als Roman.
Von Hans-Christoph Buch
Jeder Geschichtsschreiber steht vor der Frage, was im Leben eines Menschen Zufall oder Notwendigkeit war, was den Zeitumständen oder dem Charakter der jeweiligen Person entsprang. Der Altmeister des Genres, Plutarch, schrieb deshalb parallele Lebensläufe von Griechen und Römern und verglich Cicero mit Demosthenes, um nur ein Beispiel zu nennen. Diese ehrwürdige Tradition hat Susanne Schädlich wiederbelebt, eine Autorin, die bisher mit Erinnerungsbüchern wie "Immer wieder Dezember" und "Westwärts, so weit es nur geht" hervortrat. "Die Stasi war mein Eckermann", hat Wolf Biermann einmal gesagt, und obwohl die Tochter des Schriftstellers Hans Joachim Schädlich schon als Kind die DDR verließ, kommt sie von dem Thema nicht los und arbeitet sich in immer neuen Anläufen daran ab - eine Vergangenheit, die nicht vergeht.
Die Entmündigung der Bürger durch die DDR-Diktatur war die Negation der Demokratie, aber Susanne Schädlich hat kein Sachbuch geschrieben, keine politische Abhandlung und keinen akademischen Traktat, sondern einen Roman, der so diskret wie kunstvoll die Schicksale zweier Personen verknüpft, die einander nie begegnet sind, aber für kurze Zeit Zelle an Zelle, Wand an Wand inhaftiert waren und sich durch Klopfzeichen miteinander verständigten. Sie erzählt, historisch verbürgt, die Lebensläufe eines Mannes und einer Frau, die verschiedenen Generationen und sozialen Milieus entstammten: Ihre einzige Gemeinsamkeit liegt darin, dass sie in der sowjetischen Besatzungszone ohne Angabe von Gründen verhaftet wurden und in die Mühlen der stalinistischen Justiz gerieten.
Man schreibt das Jahr 1948: Wer von Rotarmisten abgeführt und von sowjetischen Militärgerichten abgeurteilt wird - von als Werwölfe denunzierten Jugendlichen bis zu Mitgliedern der Jungen Gemeinde -, der verschwindet auf unabsehbare Zeit in früheren KZs, Lagern oder Gefängnissen und kann von Glück reden, wenn er oder sie lebend aus Bautzen oder Workuta zurückkehrt.
"Er dachte, wenn ich weglaufe, erschießen sie mich gleich hier. Die beiden russischen Männer in Zivil hatten ihn in die Mitte genommen. Sie liefen die Straße hinunter, an der Ecke parkte ein Wagen. Er musste sich auf die Rückbank setzen. Die russischen Männer setzten sich links und rechts neben ihn." So beginnt der Text, der Faktentreue mit Fiktion verbindet und trotz eingebauter Originaldokumente, Briefe und Protokolle kein Tatsachenbericht ist, sondern ein Roman, dessen sprachliche Dichte, gepaart mit existentiellem Ernst, die Gattungsfrage in den Hintergrund drängt. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme war Dietrich Hübner 21 Jahre alt: Als junger Liberaler widersetzte er sich der von oben verordneten Gleichschaltung der LDP, des östlichen Pendants zur FDP, und verhalf seinem Parteifreund Mischnick zur Flucht aus Dresden. Zur Strafe für seine Unbotmäßigkeit wird Hübner zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Häufig sitzt er in Einzelhaft, weil er sich weigert, erpresste Geständnisse zu unterschreiben, Uniformen zu nähen und Holzpantinen zu tragen.
Mara Jakisch, eine Operettensängerin, die sich in den dreißiger Jahren hocharbeitete zum Ufa-Star, war dagegen eher unpolitisch. Sie wollte einfach nur singen und trat vor Naziführern ebenso auf wie im Berliner Rundfunk oder auf ost- und westdeutschen Bühnen der Nachkriegszeit. Was ihr zum Verhängnis wurde, war eine Party bei Freunden, in deren Zehlendorfer Villa amerikanische Offiziere ein und aus gingen. Auch sie wird in der Sowjetzone verhaftet und als angebliche Spionin zu 25 Jahren Straflager verurteilt.
Sie überlebt den Transport nach Sibirien und die Zwangsarbeit in der Taiga, lernt Russisch, singt für Mitgefangene und bessert aus Carepaketen die karge Häftlingsration auf. 1955 wird sie vorzeitig begnadigt und kehrt in die Bundesrepublik zurück. Hübner dagegen muss seine Strafe absitzen und wird erst 1964 freigekauft. "Er traf Wolfgang Mischnick und Thomas Dehler und Erich Mende . . . Mende sagte zu ihm, das hätte er auch einfacher haben können. Warum er nicht zu seinem persönlichen Vorteil Kompromisse eingegangen sei und sich zu Spitzeldiensten verpflichtet hätte." Dass der Ritterkreuzträger und FDP-Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Erich Mende, mit Hilfe des Foto-Unternehmers und DDR-Agenten Porst von der Stasi abgeschöpft wurde, wussten zu diesem Zeitpunkt nur wenige Eingeweihte.
Susanne Schädlich: "Herr Hübner und die sibirische Nachtigall". Roman.
Droemer Verlag, München 2014. 236 S., geb., 19,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Diese Lektüre hat Helmut Böttiger sichtlich erschüttert. Anhand zweier Beispiele, des Dresdner LDPD-FDP-Funktionärs Dietrich Hübner und der Operettensängerin Mara Jakisch, erfährt der Rezensent, wie der Sowjet-Sozialismus und die DDR mit politisch Inhaftierten umsprangen. Die Autorin Susanne Schädlich verbindet die beiden Schicksale aufgrund einer kurzen gemeinsamen Haftphase und schaltet die beiden Lebensläufe parallel, wie Böttiger erklärt. Das funktioniert soweit, meint er. Weniger begeistert ist der Rezensent von der gewählten Form der Darstellung. Die drastische Reduktion auf die Fakten, die dramatischen Umstände der Haft, die sprachliche Lakonie und das Abheben auf Wirkung haben für Böttiger etwas fragwürdig Schematisches. Die beiden exemplarischen Schicksale ins Licht gehoben zu haben, scheint ihm allerdings ein nicht eben geringes Verdienst des Buches zu sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Berührender Roman über staatlich angeordnetes Unrecht." BILD 20141112