Lost in Translation an der Ostsee.
Ausgerechnet in einem verschlafenen Kaff an der Ostsee soll der berühmte japanische Ofensetzer Tatsuo Yamashiro für den deutschen Keramikkünstler Ernst Liesgang einen traditionellen Anagama-Holzbrandofen errichten. Alles muss streng nach japanischer Überlieferung vor sich gehen, und so wird Herr Yamashiro sogar von einer eigenen Köchin begleitet, die für sein leibliches Wohl sorgen soll. Immer wieder kommt es zu ungeahnten Komplikationen beim Bau. Und als wäre das alles nicht genug, entdeckt Herr Yamashiro zum Entsetzen seiner japanischen Begleiter auch noch seine Begeisterung für Mettbrötchen, Schnitzel, Kartoffeln und klaren Schnaps.
Ausgerechnet in einem verschlafenen Kaff an der Ostsee soll der berühmte japanische Ofensetzer Tatsuo Yamashiro für den deutschen Keramikkünstler Ernst Liesgang einen traditionellen Anagama-Holzbrandofen errichten. Alles muss streng nach japanischer Überlieferung vor sich gehen, und so wird Herr Yamashiro sogar von einer eigenen Köchin begleitet, die für sein leibliches Wohl sorgen soll. Immer wieder kommt es zu ungeahnten Komplikationen beim Bau. Und als wäre das alles nicht genug, entdeckt Herr Yamashiro zum Entsetzen seiner japanischen Begleiter auch noch seine Begeisterung für Mettbrötchen, Schnitzel, Kartoffeln und klaren Schnaps.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2014Wer weiß, wie's läuft, pfeift auf Verständnis
Christoph Peters gewiefte Humoreske "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" heizt nach japanischen Regeln ein
Vor fünf Jahren veröffentlichte Christoph Peters seinen Erfolgsroman "Mitsukos Restaurant", ein witzig-funkelndes Sittenbild aus deutscher Provinz, in der das kulinarische Raffinement der zugezogenen Japanerin Mitsuko die Geschmacks- und andere Sinne ihrer Gäste verwirrte. Dieses Buch ließ eine tiefe Liebe des 1966 geborenen Schriftstellers für die japanische Kultur spüren, und schon damals erzählte er gern von einer speziellen Faszination: der für die fernöstliche Keramikkunst, deren Herstellungsprozess er unbedingt besser kennenlernen wolle. Weiß Gott, das ist ihm geglückt, wie man seinem neuen Roman ablesen kann.
Er heißt "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln", und konzipiert ist er als das männlich dominierte Gegenstück zu "Mitsukos Restaurant". Auch diese Handlung spielt in deutscher Provinz, diesmal hoch im Norden in Schleswig-Holstein, wo der in Japan ausgebildete Töpferkünstler Ernst Liesgang einen anagama, den traditionell in einen Hang eingelassenen langen Brennofen, errichten lassen will. Natürlich kann nur der beste aller japanischen Ofensetzer diese wichtige Aufgabe bewältigen, und so kommt Yamashiro Tatsuo nach Deutschland, ein Mann, der in den letzten Jahrzehnten die Öfen für alle wichtigen Töpfer in Japan errichtet hat. Dementsprechendes Selbstbewusstsein bringt er ins fremde Deutschland mit.
Nur wenig Selbstbewusstsein hat dagegen Ernst Liesgang aus seiner Lehrzeit mitgebracht, denn in Japan unterwirft sich ein Schüler dem Meister bedingungslos. Weil das so ist, weiß Ernst aber auch, was einem Herrn Yamashiro gebührt, nämlich alle Aufmerksamkeit. Teil der kleinen japanischen Delegation, die nach Deutschland kommt, ist deshalb neben dem Töpfermeister Nakata Seiji (der aber, das ist wichtig, nicht Ernsts Lehrherr war) auch dessen Frau Masami, die Herr Yamashiros Versorgung mit echt japanischer Küche sicherstellen soll. Recht bald allerdings erweist sich, dass der Ofenbauer viel mehr für handfeste deutsche Spezialitäten übrighat, und schon verlagert sich das kulturelle Drama von internationaler auf nationale Ebene.
Christoph Peters gelingt es fulminant, durch eine Vielzahl von Missverständnissen die Handlung immer wieder neu zu rhythmisieren. Dabei wird weder die japanische noch die deutsche Seite denunziert, obwohl es durchaus Typen sind, die im Buch zum Einsatz kommen: die resolute norddeutsche Wirtin etwa oder eben der patriarchalisch-selbstherrliche Ofensetzer. Doch all die Skurrilitäten, die das Aufeinanderprallen von japanischen Gästen und deutschen Gastgebern auf der Baustelle, an der Speisetafel oder auch im Krankenhaus entstehen lässt, vermitteln über ihre Komik hinaus profunde Kenntnisse beider Kulturen: "Nakata Seiji begann, immer skurrilere Anekdoten von berühmten Töpfern und ihren Marotten zu erzählen. Als Ernst ihm auf die Aufforderung, im Gegenzug etwas von deutschen Töpfern zur Unterhaltung beizusteuern, erklären musste, dass es in Deutschland schlicht und ergreifend keine Töpfergeschichten gebe, weil die Töpfer im Bewußtsein der Bevölkerung eine so unbedeutende Rolle spielten, daß man es nicht einmal lohnend fände, über sie zu lachen, sah Nakata Seiji ihn ungläubig an und lachte dann trotzdem, weil er auf keinen Fall in Verdacht geraten wollte, eine deutsche Pointe verpasst zu haben."
Zwei Faktoren tragen vor allem dazu bei, dass sich "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" gegenüber "Mitsukos Restaurant" trotz ähnlicher Grundkonstellation emanzipiert: Der erste Teil des schmalen Buchs spielt in Japan selbst, so dass man durch die Augen von Ernst Liesgang (in dessen Name ein Leisetreter anklingt) jene staunende Perspektive vorgeführt bekommt, die später umgekehrt die Japaner in Schleswig-Holstein einnehmen werden. Und im Mittelpunkt steht diesmal eben ein japanischer Mann, und damit ist die endlose Geduld, die Mitsuko als japanische Frau beim Umgang mit den seltsamen Deutschen walten ließ, mit einem Schlag obsolet. Verständnis ist keine Kategorie, die Herrn Yamashiro umtriebe, denn er weiß ja, wie die Dinge zu laufen haben. Daraus ergibt sich ein wunderbarer Aberwitz, der seinen Gipfelpunkt in den peinlichen Momenten erreicht, wenn Yamashiro in feierlichen Ansprachen die deutsch-japanische Waffenbrüderschaft des Zweiten Weltkriegs beschwört, was Ernst als seinen Übersetzer zu den schönsten Volten zwingt. Außerdem begleitet ein deutsches Filmteam den Ofenbau, das vor allem seine Klischeevorstellungen befriedigt sehen möchte und mit der ganzen Arroganz von Berichterstattern agiert, die die eigene Arbeit viel wichtiger nehmen als den zu beobachtenden Gegenstand. Auch diese Konstellation bringt berückende Komik hervor.
Nur einen Fehler macht Peters: Er siedelt die Handlung 1989 an. So läuft die weltvergessene Errichtung eines japanischen Brennofens im deutschen Norden parallel zu den Umbrüchen in der DDR, und statt diese groteske Gleichzeitigkeit unausgesprochen zu lassen, weil sie durch etliche philosophische Weisheiten zur Relativität von Zeit und menschlichem Handeln ohnehin präsent ist, muss alles am Ende noch einmal explizit werden. Doch Peters wäre nicht ein sich so wunderbar in seine Figuren einfühlender Autor, schlüge er nicht das wirkliche Finale dem schüchternen Ernst zu, der in einer Tour de Force den fertiggestelten Ofen erstmals einzuheizen hat, nach strikten japanischen Vorgaben selbstverständlich und mit alles andere als erwartbarem Resultat. Denn am Schluss steht nach japanischem Ideal auch in diesem höchst kurzweiligen deutschen Roman kein Ziel, sondern immer noch der Weg.
ANDREAS PLATTHAUS
Christoph Peters: "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln". Roman. Luchterhand Literaturverlag, München 2014. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christoph Peters gewiefte Humoreske "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" heizt nach japanischen Regeln ein
Vor fünf Jahren veröffentlichte Christoph Peters seinen Erfolgsroman "Mitsukos Restaurant", ein witzig-funkelndes Sittenbild aus deutscher Provinz, in der das kulinarische Raffinement der zugezogenen Japanerin Mitsuko die Geschmacks- und andere Sinne ihrer Gäste verwirrte. Dieses Buch ließ eine tiefe Liebe des 1966 geborenen Schriftstellers für die japanische Kultur spüren, und schon damals erzählte er gern von einer speziellen Faszination: der für die fernöstliche Keramikkunst, deren Herstellungsprozess er unbedingt besser kennenlernen wolle. Weiß Gott, das ist ihm geglückt, wie man seinem neuen Roman ablesen kann.
Er heißt "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln", und konzipiert ist er als das männlich dominierte Gegenstück zu "Mitsukos Restaurant". Auch diese Handlung spielt in deutscher Provinz, diesmal hoch im Norden in Schleswig-Holstein, wo der in Japan ausgebildete Töpferkünstler Ernst Liesgang einen anagama, den traditionell in einen Hang eingelassenen langen Brennofen, errichten lassen will. Natürlich kann nur der beste aller japanischen Ofensetzer diese wichtige Aufgabe bewältigen, und so kommt Yamashiro Tatsuo nach Deutschland, ein Mann, der in den letzten Jahrzehnten die Öfen für alle wichtigen Töpfer in Japan errichtet hat. Dementsprechendes Selbstbewusstsein bringt er ins fremde Deutschland mit.
Nur wenig Selbstbewusstsein hat dagegen Ernst Liesgang aus seiner Lehrzeit mitgebracht, denn in Japan unterwirft sich ein Schüler dem Meister bedingungslos. Weil das so ist, weiß Ernst aber auch, was einem Herrn Yamashiro gebührt, nämlich alle Aufmerksamkeit. Teil der kleinen japanischen Delegation, die nach Deutschland kommt, ist deshalb neben dem Töpfermeister Nakata Seiji (der aber, das ist wichtig, nicht Ernsts Lehrherr war) auch dessen Frau Masami, die Herr Yamashiros Versorgung mit echt japanischer Küche sicherstellen soll. Recht bald allerdings erweist sich, dass der Ofenbauer viel mehr für handfeste deutsche Spezialitäten übrighat, und schon verlagert sich das kulturelle Drama von internationaler auf nationale Ebene.
Christoph Peters gelingt es fulminant, durch eine Vielzahl von Missverständnissen die Handlung immer wieder neu zu rhythmisieren. Dabei wird weder die japanische noch die deutsche Seite denunziert, obwohl es durchaus Typen sind, die im Buch zum Einsatz kommen: die resolute norddeutsche Wirtin etwa oder eben der patriarchalisch-selbstherrliche Ofensetzer. Doch all die Skurrilitäten, die das Aufeinanderprallen von japanischen Gästen und deutschen Gastgebern auf der Baustelle, an der Speisetafel oder auch im Krankenhaus entstehen lässt, vermitteln über ihre Komik hinaus profunde Kenntnisse beider Kulturen: "Nakata Seiji begann, immer skurrilere Anekdoten von berühmten Töpfern und ihren Marotten zu erzählen. Als Ernst ihm auf die Aufforderung, im Gegenzug etwas von deutschen Töpfern zur Unterhaltung beizusteuern, erklären musste, dass es in Deutschland schlicht und ergreifend keine Töpfergeschichten gebe, weil die Töpfer im Bewußtsein der Bevölkerung eine so unbedeutende Rolle spielten, daß man es nicht einmal lohnend fände, über sie zu lachen, sah Nakata Seiji ihn ungläubig an und lachte dann trotzdem, weil er auf keinen Fall in Verdacht geraten wollte, eine deutsche Pointe verpasst zu haben."
Zwei Faktoren tragen vor allem dazu bei, dass sich "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" gegenüber "Mitsukos Restaurant" trotz ähnlicher Grundkonstellation emanzipiert: Der erste Teil des schmalen Buchs spielt in Japan selbst, so dass man durch die Augen von Ernst Liesgang (in dessen Name ein Leisetreter anklingt) jene staunende Perspektive vorgeführt bekommt, die später umgekehrt die Japaner in Schleswig-Holstein einnehmen werden. Und im Mittelpunkt steht diesmal eben ein japanischer Mann, und damit ist die endlose Geduld, die Mitsuko als japanische Frau beim Umgang mit den seltsamen Deutschen walten ließ, mit einem Schlag obsolet. Verständnis ist keine Kategorie, die Herrn Yamashiro umtriebe, denn er weiß ja, wie die Dinge zu laufen haben. Daraus ergibt sich ein wunderbarer Aberwitz, der seinen Gipfelpunkt in den peinlichen Momenten erreicht, wenn Yamashiro in feierlichen Ansprachen die deutsch-japanische Waffenbrüderschaft des Zweiten Weltkriegs beschwört, was Ernst als seinen Übersetzer zu den schönsten Volten zwingt. Außerdem begleitet ein deutsches Filmteam den Ofenbau, das vor allem seine Klischeevorstellungen befriedigt sehen möchte und mit der ganzen Arroganz von Berichterstattern agiert, die die eigene Arbeit viel wichtiger nehmen als den zu beobachtenden Gegenstand. Auch diese Konstellation bringt berückende Komik hervor.
Nur einen Fehler macht Peters: Er siedelt die Handlung 1989 an. So läuft die weltvergessene Errichtung eines japanischen Brennofens im deutschen Norden parallel zu den Umbrüchen in der DDR, und statt diese groteske Gleichzeitigkeit unausgesprochen zu lassen, weil sie durch etliche philosophische Weisheiten zur Relativität von Zeit und menschlichem Handeln ohnehin präsent ist, muss alles am Ende noch einmal explizit werden. Doch Peters wäre nicht ein sich so wunderbar in seine Figuren einfühlender Autor, schlüge er nicht das wirkliche Finale dem schüchternen Ernst zu, der in einer Tour de Force den fertiggestelten Ofen erstmals einzuheizen hat, nach strikten japanischen Vorgaben selbstverständlich und mit alles andere als erwartbarem Resultat. Denn am Schluss steht nach japanischem Ideal auch in diesem höchst kurzweiligen deutschen Roman kein Ziel, sondern immer noch der Weg.
ANDREAS PLATTHAUS
Christoph Peters: "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln". Roman. Luchterhand Literaturverlag, München 2014. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In Christoph Peters Roman "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" reist ein japanischer Ofenbaumeister nach Ostholstein, um dort seiner Kunst nachzugehen, berichtet Ulrich Baron. In der ersten Hälfte liefert der Autor im Erzählgewand eine abwechslungsreiche "Blitz-Einweisung in japanische Kultur und Denkweise", in "Kunst und Karma", die gleichzeitig eine Initiation in einen Kreis der Eingeweihten ist, erklärt der Rezensent: In der zweiten Hälfte lässt Peters ein paar Uninformierte auftreten, über deren kulturblinde Ignoranz man sich mittlerweile gehörig echauffieren kann. So liebevoll der Autor allerdings die japanische Kultur aufarbeitet, so sehr gibt er sich bei der deutschen mit Klischees zufrieden, die, noch dazu oft unwahrscheinlich fehlerhaft, von seiner Erzählerin, der Ostholsteiner Kneipenwirtin Herta Mölders vorgetragen werden, so Baron. Das Ungleichgewicht schadet der geplanten Gegenüberstellung, bedauert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"In Christoph Peters' schelmischen Roman wird die Lehre des Zen norddeutschen Verhältnissen angepasst." Hubert Winkels / DIE ZEIT