Produktdetails
- Verlag: Weltbild
- ISBN-13: 9783863652982
- Artikelnr.: 36992901
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2013Gonzo rennt
„Herrgottschrofen“, der zweite Kriminalroman des Münchner Autors Marc Ritter, ist gerade erschienen.
Er dreht sich um den legendären Garmischer Eislauftempel „Casa Carioca“
VON NICOLE GRANER
Freimann – Gonzo läuft. Mal wieder. Im Gegensatz zu seinen ersten Joggingversuchen hat sich nicht nur seine Ausdauer verbessert, sondern auch sein Outfit: Sportuhr, Laufjacke, vermutlich auch eine hautenge Laufhose und gutes Schuhwerk. Ein Akt der Selbstfindung ist dieses Laufen für den Pressefotografen und eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Denn Gonzo Hartinger spricht während des Laufens nicht nur mit sich selbst und arbeitet seine Vergangenheit auf, sondern entdeckt die Schönheit seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen – und auch Leichen. Genau die lassen ihn zu einem unfreiwilligen Ermittler werden, zu einem kleinen, unbeliebten Revoluzzer, der mit seinen Nachforschungen die politischen Machenschaften im Werdenfelser Land aufdeckt und seinen ach so machthungrigen Bürgermeister ins Schwitzen bringt.
Was im Debüt-Heimatkrimi „Josefibichl“ des Münchner Autors Marc Ritter funktioniert hat, funktioniert auch im zweiten Fall mit Gonzo Hartinger. In „Herrgottschrofen“ (piper), benannt nach einem 20 Meter hohen Felsen, entdeckt er den Knochen einer Eiskunstläuferin. Und wie beim ersten Mal konfrontiert die Aufklärung dieses Mordes den Leser auch mit einem Stück Garmisch-Partenkirchener Geschichte: der Casa Carioca. Noch heute erinnert man sich dort an den Nachtclub mit einer ständigen Eisrevue, die 1946 von den Amerikanern eröffnet wurde – als große Attraktion „in the magnificent Bavarian Alps region of Germany“. Alte Programmhefte der Casa Carioca und die Biografie der ehemaligen Tänzerin Cathy Steele, die mit 16 Jahren in Garmisch-Partenkirchen ihre Karriere startete, inspirierten Marc Ritter, die Geschichte des international renommierten Eislauftempels in seinen Krimi einzubauen. „Cathy Steele wurde sozusagen Patin für meine Figur Jo Saunders, die Schwester der Ermordeten“, erklärt Ritter, der sogar versucht hat, Kontakt mit der noch lebenden Künstlerin aufzunehmen. „Sie hat leider nicht geantwortet.“
Geschichte auf der einen Seite, auf der anderen Seite politische Visionen – Marc Ritter verwebt beides auf satirische und bittere Weise. Satirisch, weil die Wirklichkeit so verflixt nah dran ist an seiner Fiktion. Bitter, weil seine Vision von einem Atommüll-Zwischenlager in den Tiefen des Kramerspitz bei Garmisch nicht von der Hand zu weisen ist. „Die Endlagersuche geht ja gerade wieder von vorne los“, sagt Ritter. Die Frage, was mit dem „so gefährlichen Zeug“ passiere, das derzeit in Containern auf den Arealen der Kraftwerke lagere, stelle sich doch täglich. Eine Lagerung im Kramertunnel, dessen Bau in Wirklichkeit als neue Trasse der B 23 gedacht ist, aber im März 2012 vorübergehend eingestellt wurde, wäre, so Ritter, „wenigstens sicherer“.
Am Ende gibt es also zwei Möglichkeiten: Man klappt zufrieden das Buch zu, das man in einem Rutsch gelesen hat. Oder man legt es zur Seite und überlegt, was es mit Ritters Visionen auf sich haben könnte. Falls Zweiteres passiert, spricht Ritter von der „subkutanen Wirkung“. Verschrobene Figuren, bayerische Dickschädel, bestechliche Politiker, couragierte und moderne Frauen, religiöse Fanatiker – in Marc Ritters Kriminalroman kommen viele Charaktere vor. Figuren, die selbstverliebt sind, machtgierig und unglaublich eitel. Die sich selbst am liebsten reden hören, aber auch die, die liebenswert bayerisch sind.
Das Schöne daran ist, dass der Autor alles mit einem großen Augenzwinkern betrachtet.Der 46-Jährige, der in Garmisch-Partenkirchen aufgewachsen ist, hat großen Spaß an skurrilen, witzigen und schnellen Dialogen, am Aufbau seiner Figuren und vor allem am Geschichtenerzählen. „Das Ende“, sagt Ritter und lacht, „ist mir gar nicht so wichtig“. Die Kategorisierung „Heimatkrimi“ sei allerdings unglücklich. Mit dem Genre „kriminaler Heimatroman“ könnte er viel mehr anfangen. Also: mit einer Mischung aus Feuchtwanger und Brunetti. „Herrgottschrofen“ kommt an diese Mixtur schon sehr nahe heran.
Teil drei der Gonzo-Reihe muss Ritter im November 2013 abgeben. Bis dahin lässt sich an der Feuchtwanger-Stilistik noch weiter feilen.
Herrgottschrofen : Kriminalroman von Marc Ritter. Nächste Lesung: Donnerstag, 16. Mai, 20.30 Uhr, Weinhandlung Eric Laugier, Freisinger Landstraße 28. Karten: ticket@marcritter.de
Ewig lange Beine, glitzernde Kostüme und blitzende Kufen auf Fotos und Plakaten: Schöne Frauen und große Talente waren bei der Eislaufrevue in der Garmischer „Casa Carioca“ zu sehen, die Architekt Hans Ostler entwarf.
FOTOS: ROY BLAKEY (OH)
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Herrgottschrofen“, der zweite Kriminalroman des Münchner Autors Marc Ritter, ist gerade erschienen.
Er dreht sich um den legendären Garmischer Eislauftempel „Casa Carioca“
VON NICOLE GRANER
Freimann – Gonzo läuft. Mal wieder. Im Gegensatz zu seinen ersten Joggingversuchen hat sich nicht nur seine Ausdauer verbessert, sondern auch sein Outfit: Sportuhr, Laufjacke, vermutlich auch eine hautenge Laufhose und gutes Schuhwerk. Ein Akt der Selbstfindung ist dieses Laufen für den Pressefotografen und eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Denn Gonzo Hartinger spricht während des Laufens nicht nur mit sich selbst und arbeitet seine Vergangenheit auf, sondern entdeckt die Schönheit seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen – und auch Leichen. Genau die lassen ihn zu einem unfreiwilligen Ermittler werden, zu einem kleinen, unbeliebten Revoluzzer, der mit seinen Nachforschungen die politischen Machenschaften im Werdenfelser Land aufdeckt und seinen ach so machthungrigen Bürgermeister ins Schwitzen bringt.
Was im Debüt-Heimatkrimi „Josefibichl“ des Münchner Autors Marc Ritter funktioniert hat, funktioniert auch im zweiten Fall mit Gonzo Hartinger. In „Herrgottschrofen“ (piper), benannt nach einem 20 Meter hohen Felsen, entdeckt er den Knochen einer Eiskunstläuferin. Und wie beim ersten Mal konfrontiert die Aufklärung dieses Mordes den Leser auch mit einem Stück Garmisch-Partenkirchener Geschichte: der Casa Carioca. Noch heute erinnert man sich dort an den Nachtclub mit einer ständigen Eisrevue, die 1946 von den Amerikanern eröffnet wurde – als große Attraktion „in the magnificent Bavarian Alps region of Germany“. Alte Programmhefte der Casa Carioca und die Biografie der ehemaligen Tänzerin Cathy Steele, die mit 16 Jahren in Garmisch-Partenkirchen ihre Karriere startete, inspirierten Marc Ritter, die Geschichte des international renommierten Eislauftempels in seinen Krimi einzubauen. „Cathy Steele wurde sozusagen Patin für meine Figur Jo Saunders, die Schwester der Ermordeten“, erklärt Ritter, der sogar versucht hat, Kontakt mit der noch lebenden Künstlerin aufzunehmen. „Sie hat leider nicht geantwortet.“
Geschichte auf der einen Seite, auf der anderen Seite politische Visionen – Marc Ritter verwebt beides auf satirische und bittere Weise. Satirisch, weil die Wirklichkeit so verflixt nah dran ist an seiner Fiktion. Bitter, weil seine Vision von einem Atommüll-Zwischenlager in den Tiefen des Kramerspitz bei Garmisch nicht von der Hand zu weisen ist. „Die Endlagersuche geht ja gerade wieder von vorne los“, sagt Ritter. Die Frage, was mit dem „so gefährlichen Zeug“ passiere, das derzeit in Containern auf den Arealen der Kraftwerke lagere, stelle sich doch täglich. Eine Lagerung im Kramertunnel, dessen Bau in Wirklichkeit als neue Trasse der B 23 gedacht ist, aber im März 2012 vorübergehend eingestellt wurde, wäre, so Ritter, „wenigstens sicherer“.
Am Ende gibt es also zwei Möglichkeiten: Man klappt zufrieden das Buch zu, das man in einem Rutsch gelesen hat. Oder man legt es zur Seite und überlegt, was es mit Ritters Visionen auf sich haben könnte. Falls Zweiteres passiert, spricht Ritter von der „subkutanen Wirkung“. Verschrobene Figuren, bayerische Dickschädel, bestechliche Politiker, couragierte und moderne Frauen, religiöse Fanatiker – in Marc Ritters Kriminalroman kommen viele Charaktere vor. Figuren, die selbstverliebt sind, machtgierig und unglaublich eitel. Die sich selbst am liebsten reden hören, aber auch die, die liebenswert bayerisch sind.
Das Schöne daran ist, dass der Autor alles mit einem großen Augenzwinkern betrachtet.Der 46-Jährige, der in Garmisch-Partenkirchen aufgewachsen ist, hat großen Spaß an skurrilen, witzigen und schnellen Dialogen, am Aufbau seiner Figuren und vor allem am Geschichtenerzählen. „Das Ende“, sagt Ritter und lacht, „ist mir gar nicht so wichtig“. Die Kategorisierung „Heimatkrimi“ sei allerdings unglücklich. Mit dem Genre „kriminaler Heimatroman“ könnte er viel mehr anfangen. Also: mit einer Mischung aus Feuchtwanger und Brunetti. „Herrgottschrofen“ kommt an diese Mixtur schon sehr nahe heran.
Teil drei der Gonzo-Reihe muss Ritter im November 2013 abgeben. Bis dahin lässt sich an der Feuchtwanger-Stilistik noch weiter feilen.
Herrgottschrofen : Kriminalroman von Marc Ritter. Nächste Lesung: Donnerstag, 16. Mai, 20.30 Uhr, Weinhandlung Eric Laugier, Freisinger Landstraße 28. Karten: ticket@marcritter.de
Ewig lange Beine, glitzernde Kostüme und blitzende Kufen auf Fotos und Plakaten: Schöne Frauen und große Talente waren bei der Eislaufrevue in der Garmischer „Casa Carioca“ zu sehen, die Architekt Hans Ostler entwarf.
FOTOS: ROY BLAKEY (OH)
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