Wenn Menschen von heute mit einiger geschichtlicher Bildung auf Herrscher der Großreiche des alten Orients angesprochen werden, so wird in den meisten wohl ein ganz bestimmtes Herrscherbild leben dig, das man, in den Hauptzügen gleichartig gezeichnet, in vielen populären Geschichtsdarstellungen und Schulbüchern finden kann. Man denkt an absolut regierende Großkönige, deren persönlicher Wille einziges Gesetz für ihr Reich ist und mit Hilfe bewaffneter Diener und des Heeres, wo notwendig, brutal durchgesetzt wird. Die Gedanken dieser Könige werden vor allem durch Eroberungs kriege beherrsdJ. t und nach deren erfolgreicher Beendigung durch Jagden und üppige Hoffeste inmitten der Frauen ihres Harems so wie durch das Bestreben, zu ihres Namens Ruhm gewaltige Paläste und Tempel zu errichten. Zur Durchführung aller dieser Ziele unter drücken sie erbarmungslos ihr eigenes Volk und noch mehr die fremden Völkerund lassen sie unterder Aufsichtpeitschenschwingender Fronvögte rücksichtslos Frondienste aller Art verrichten. Sie recht fertigen das alles damit, daß sie als Könige gottgleich oder min destens gottähnlich seien und fordern oft genug auch noch göttliche Verehrung. Für innere Auseinandersetzungen innerhalb der Reiche und die dadurch hervorgerufenen zahlreichen Königsmorde macht man gern vor allem Haremsintrigen und persönliche Differenzen der Generäle, Leibwachenkommandanten und Priester verantwort lich und müht sich selten, nach tiefer liegenden Gründen dafür zu suchen. So kommt man zu einem sehr schematischen Bild vom altorientalischen Königtum, das vor allem Gedanken der Abwehr, ja oft des Abscheus erweckt und dem man als positives Gegenbild gern die begeistert mit allen ihren Vorzügen geschilderte griechische Polis und ihredemokratischen Einrichtungen gegenüberstellt.