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The first biography in more than a generation of the father of modern political Zionism and in effect the state of Israel.

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The first biography in more than a generation of the father of modern political Zionism and in effect the state of Israel.
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Autorenporträt
Shlomo Avineri
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2016

Messianismus war durchaus nicht sein Fall
Wiener Feuilletonist und Gründervater des Zionismus: Zwei Bücher über Ideen und Leben Theodor Herzls

In Israel berufen sich alle auf Theodor Herzl. Sogar die Rechtsextremisten. Die Gruppe "Im Tirtzu" bedient sich seines bekanntesten Zitats - "Wenn ihr wollt, dann ist es kein Märchen" -, denn ihr Name ist die hebräische Übersetzung von dessen ersten Worten. Im Januar hatte die Organisation verkündet, wer in Israel dem "zionistischen Traum" im Wege steht. Mit einer langen schwarzen Liste, auf der fast alle linken und liberalen Intellektuellen und Künstler standen. Herzl hätte sich wahrscheinlich auch auf dieser Liste wiedergefunden, wäre er nicht 1904 gestorben. "Jeder ist in seinem Bekenntnis oder seinem Unglauben so frei und unbeschränkt, wie in seiner Nationalität. Und fügt es sich, dass später auch Andersgläubige, Andersnationale unter uns wohnen, werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz gewähren", hatte er über den von ihm erträumten weltoffenen "Judenstaat" geschrieben, in dem Juden und Nichtjuden gleiche Rechte haben sollten.

Fast hundertzwanzig Jahre später ist der Gründervater des Zionismus in Israel präsenter denn je: Die Arbeiterpartei trat bei den letzten Wahlen zusammen mit der Partei der früheren Außenministerin Zipi Livni als "Zionistisches Lager" an. Im besetzten Westjordanland wirft die radikale und gewalttätige "Hügeljugend" ihren nationalreligiösen Eltern vor, die Grundlagen des Zionismus verraten zu haben. Doch Israel hat sich weit von Herzls Erbe entfernt. "Sie sind für die meisten Israelis gestorben", schreibt Doron Rabinovici in "Herzl Relo@ded" in einer E-Mail an Herzl. "Die israelische Gesellschaft interessiert sich nicht für Ihre liberalen Visionen für den Judenstaat. Nun ist es der Zionismus, in dessen Name der Staat, seine Demokratie und seine Gesellschaft längst schon gefährdet werden."

In seinem Buch erweckt der in Wien lebende Schriftsteller und Historiker Herzl virtuell zum Leben: Am 13. Dezember 2014 erhält Rabinovici eine E-Mail mit dem bezeichnenden Absender "teddyherzl@altneuland.com". Das ist der Anfang einer Korrespondenz - ein Trialog eigentlich, denn an ihr beteiligt sich auch der Soziologieprofessor Natan Sznaider, der in Deutschland geboren wurde und heute in Tel Aviv lehrt.

Die Mails von Herzl entpuppen sich rasch als Passagen aus seinen Schriften, Tagebüchern und dem utopischen Roman "Altneuland". Aber einige davon sind bis heute so anregend und provozierend, dass eine interessante Debatte über den heutigen Zustand Israels beginnt. Gleich zu Beginn kommt Herzl mit schwärmerischen Passagen zum wieder aufgebauten Tempel in Jerusalem zu Wort. Er war für ihn ein wichtiges Symbol, obwohl Staat und Religion strikt getrennt sein sollten. Für Natan Sznaider sind der Konflikt um die Heilige Stadt und die besetzten Gebiete dagegen Beispiele einer "unlösbaren Spannung zwischen Heiligkeit und Souveränität", die Israel heute präge. Er hält Herzl Naivität vor, weil der glaubte, am Ende würden sich säkulare Verhältnisse einstellen. "Sie, Herzl, müssten das am besten wissen: Ohne Messianismus kein Zionismus - und ohne Zion kein Zionismus."

Rabinovici und Sznaider streiten darüber, was aus Israel wurde, als es 1967 die Palästinensergebiete besetzte und dann behielt. Für Rabinovici war der 1948 gegründete Staat international durch den Massenmord an den Juden legitimiert. Doch die Siedlungspolitik lasse sich damit nicht rechtfertigen: "1967 verschluckte sich Israel nicht an einem zu großen Stück Land, sondern jenes Stück Land ist umgekehrt längst dabei, den ursprünglichen Staat Israel zu verschlucken", befürchtet er. Der israelische Soziologe weist wiederum die Hoffnung Rabinovicis zurück, dass ein Ende von Besatzung und Siedlungen die Rückkehr zu Herzls Zionismus und einem international allgemein anerkannten Israel bedeuten.

Wer Theodor Herzl selbst näherkommen will, sollte aber doch besser seine Tagebücher lesen, wie es der Jerusalemer Politikwissenschaftler Shlomo Avineri für seine angenehm schnörkellose und erhellende Biographie getan hat. Sie liegt nun endlich auch in deutscher Übersetzung vor. Avineri interessiert vor allem die Entwicklung von Herzls Ideen, über den Menschen erfährt man weniger. Seine schwierige Ehe kommt nur am Rande vor. Es falle auf, dass sein Familienleben in den Tagebüchern kaum Erwähnung finde, schreibt Avineri. Ihm gelingt es, Herzl vom hohen Denkmalsockel herunterzuholen, auf den man ihn in Israel gestellt hat. Auch er zeigt, wie provozierend aktuell Herzl ist.

Avineri räumt mit dem Irrglauben auf, dass die Dreyfuss-Affäre, über die Herzl als Pariser Korrespondent berichtete, diesen zum Zionisten gemacht habe. Nicht dieser Prozess, sondern die sich verschlechternde Situation der Juden in Österreich - das Scheitern der Emanzipation und der Aufstieg der politischen Antisemiten - führte zur Wende in Herzls Beschäftigung mit der jüdischen Problematik, urteilt Avineri. Den Weg, den Herzl suchte, beschreibt Avineri als "intellektuelle und spirituelle Odyssee" mit zahlreichen Fehlstarts.

Der Liebhaber der Musik Richard Wagners phantasierte davon, Antisemiten wie den Wiener Bürgermeister Karl Lueger zum Duell zu fordern. Um dem Antisemitismus endgültig den Boden zu entziehen, zog Herzl anfangs eine jüdische Massenkonversion bei Glockengeläut im Wiener Stephansdom in Betracht. Er selbst wollte aber nicht zum Christentum übertreten. Später schloss er für die bedrängten Juden keinen Fluchtort, kein "Nachtasyl" aus: Weder Uganda noch Argentinien oder die ägyptische Sinai-Halbinsel. Er war bereit, über alles zu verhandeln. Mit fast verzweifelter Chuzpe ging der österreichische Feuilletonist an sein Vorhaben und brachte innerhalb weniger Jahre die Judenfrage auf die politische Weltkarte.

Sein Judenstaat, den er in "Altneuland" beschreibt, sollte Kapitalismus und Sozialismus vereinen. In seiner multikulturellen Idealgesellschaft gibt es zwar auch jüdische Rassisten. Aber anders als im Wien zu seinen Lebzeiten unterliegen sie bei den Wahlen. Avineri bittet um historische Fairness gegenüber Herzls Utopie. Als das Buch erschien, habe es weder in Palästina noch anderswo im Nahen Osten eine arabische Nationalbewegung gegeben.

Herzl starb bereits im Alter von vierundvierzig Jahren, vier Jahrzehnte vor der Gründung Israels. Er hoffte, die Nachwelt würde anerkennen, dass es "immerhin etwas war, wenn ein mittelloser jüdischer Journalist inmitten der tiefsten Erniedrigung des jüdischen Volkes, zur Zeit des ekligsten Antisemitismus, aus einem Lappen eine Fahne und aus einem gesunkenen Gesindel ein Volk gemacht hat, das sich aufrecht um diese Fahne schaarte." In Avineri findet er den "gerechten Geschichtsschreiber", den er sich wünschte.

HANS-CHRISTIAN RÖSSLER

Doron Rabinovici und Natan Sznaider: "Herzl Relo@ded". Kein Märchen.

Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 207 S., geb., 19,95 [Euro].

Shlomo Avineri: "Herzl". Theodor Herzl und die Gründung des jüdischen Staates.

Aus dem Englischen von Eva-Maria Thimme. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 361 S., geb., 24,95 [Euro].

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Turning the idea of Jewish nationhood into an organised movement was Herzl's work of genius, which is expounded by Avineri with scholarship, sensitivity and wisdom. Oliver Kamm The JC.COM 20131212