60 Jahre Hessen: Koch stellt Bildband zum Jubiläum vor / Gastarbeiter, Adorno und Mauerfall
inwi. FRANKFURT. Ein paar Zutaten fehlen fast in keiner Lebensbeschreibung. Alle bündeln verwackelte Fotografien der Großeltern, rührselige Anekdoten der Schulfreunde und nüchterne Jahreszahlen der Wendepunkte. Diese Beschreibung ist ein bißchen anders: Sie gilt keiner Person, sondern einem Bundesland. Zu den Vorfahren zählt sie eine Landgrafschaft, zu den Weggefährten Thüringen, zu den Lebensdaten das Jahr 1946. Sie heißt "Hessen - eine starke Geschichte". Geschrieben hat sie der in Chemnitz lehrende Historiker Frank-Lothar Kroll, herausgegeben Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Gemeinsam haben sie den Bildband gestern im Frankfurter Presseclub an der Saalgasse vorgestellt.
Im Winter wird Hessen 60 Jahre alt - am 1. Dezember 1946 wählten die Bürger den ersten Landtag und nahmen die Landesverfassung an. Dies ist auch der Anlaß für den Rückblick in Form einer Monographie, die allerdings nicht chronologisch aufgebaut, sondern nach Schwerpunkten geordnet ist. Zwölf haben die Landesgeschichte geprägt - und tun es noch bis heute. Darunter sind zum Beispiel Demokratie und Verwaltung, Amerika und Europa, Kultur und Religion, Zuwanderung und Wirtschaft.
Eine kurze Szene leitet jedes Kapitel ein. Für Bildung steht etwa, wie der Frankfurter Professor Theodor Adorno 1969 vor seinen Studenten aus dem Vorlesungssaal flieht und sein Gesicht hinter der Aktenmappe verbirgt. Für Zuwanderung, wie in den fünfziger Jahren Sonderzüge aus Mailand in den Frankfurter Hauptbahnhof einfahren. Und für Amerika, wie Präsident John F. Kennedy auf dem Römerberg Zehntausende Schaulustige anlockt und über Europas Freiheit spricht.
Ein weiteres Kapitel rückt Thüringen in den Mittelpunkt. Es schildert die Zeit, in der die 270 Kilometer lange Grenze ein unüberwindliches Hindernis war, in der Schlagbäume, Zollbeamte und Wachtürme die Nachbarn trennten. Daneben sind Bilder jüngeren Datums. Auf einem parkt ein halbes Dutzend Trabbis in Kassel, auf einem anderen hängt ein "Hurra, die Hessen kommen"-Schild an der Ortseinfahrt von Eisenach. Es ist der Herbst 1989. Um ihn geht es auch in der vorangestellten Momentaufnahme: Menschen warten am Grenzübergang Wartha-Herleshausen, Grenzbeamte zögern. Am 9. November um Mitternacht treten sie beiseite, der Weg von Thüringen nach Hessen ist frei.
"Hessen - eine starke Geschichte" versammelt auf gut 200 Seiten und in fast 300 Bildern vertraute Situationen und Gesichter. Etwa Joseph Fischer, der 1985 in Turnschuhen den Amtseid als hessischer Umweltminister ablegt, der Lyriker Erich Fried, der 1987 in Frankfurt die Büchner-Preis-Feierlichkeiten frühzeitig verläßt, und Demonstranten, die gegen die Erweiterung des Frankfurter Flughafens zu Beginn der achtziger Jahre protestieren. Und das hat der Band mit den meisten Beschreibungen gemein: Manches Thema behält seine Aktualität über das Erscheinungsdatum hinaus.
"Hessen - eine starke Geschichte" kostet 29,90 Euro und ist von Juni an im Buchhandel erhältlich. Auf dem Hessentag gibt es die Ausstellung zum Buch zu sehen: Sie wird vom 25. Mai bis zum 5. Juni in der Grundschule Hessisch Lichtenau an der Hopfelder Straße gezeigt.
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