Mathias "Hias" Rebitsch (1911 1990) gehörte in den 1930er- und 1940er-Jahren zu den weltweit besten Kletterern. Seine Erstbegehungen im Karwendel, Kaisergebirge oder in den Stubaier Alpen zählen zu den schwierigsten ihrer Zeit und nötigen selbst heutigen Spitzenbergsteigern Respekt ab. Rebitsch war in erster Linie Freikletterer und erreichte nachweislich bereits Ende der 1930er-Jahre den siebten Schwierigkeitsgrad den es offiziell erst seit 1977 gibt. Legendär ist Hias' Eiger-Nordwand-Versuch 1937 zusammen mit Ludwig Vörg: Nach einem infernalischen Wettersturz kamen sie als erste Partie lebend aus der berühmt-berüchtigten Wand zurück. Im selben Jahr erreichte Rebitsch am noch unbestiegenen Nanga Parbat den Silbersattel. Auf Sechstausendern der Puña de Atacama (Argentinien) entdeckte er ab Mitte der 1950er-Jahre bis dahin unbekannte Zeugnisse der Inkakultur ("Die silbernen Götter des Cerro Gallan") und wurde darüber zum anerkannten Forscher und Höhenarchäologen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2011Über dem Boden herrscht Ruh
Horst Höfler, Alpinjournalist und Jahrgang 1948, hat ein Buch herausgegeben über Hias Rebitsch (1911 - 1990). Von einer solchen Biographie darf man erwarten, dass sie den Berühmten vorstellt, würdigt, aber auch kritisch hinterfragt, einordnet in seine Zeit und herausstellt aus den Zeitläuften. Leider kann Höfler das nicht leisten, weil er Rebitsch zu sehr verehrt. So schreibt er etwa: Jung wie Alt schätzten nicht nur seine alpinistischen Meilensteine, sondern seinen "scharfen Verstand, seine Meinungsfestigkeit, seinen Humor, seine Ironie, Selbstironie und Toleranz sowie seinen bisweilen an den Tag gelegten Sarkasmus". So viel Lob macht blind, der Leser kann sich dahinter keinen echten Menschen vorstellen. Auch andere Bergsteiger lobpreist er, gerade so, als sei das Reich der Berge frei von Idioten, Missgunst und Schlechtigkeit. Rechnerisch zählt Höfler zu den Achtundsechzigern, sprachlich bewegt er sich im Duktus der Generation von Rebitsch. So schreibt er zu einer Fotografie, sie zeige Rebitsch "von feschen Damen umschwärmt". Im "Lebensbild" erzählt Höfler Rebitschs Biographie anhand seiner Klettererfolge nach. Das ist ermüdend, weil solch eine Aufzählung - Predigtstuhl-Mittelgipfel-Westwand ("Haslacher/Behringer"), Riepenwand (Kalkkögel), Ackerlspitze ("Rebitschfinger") - nur denen etwas sagt, die vermutlich ohnehin wissen, dass der Hias all diese Routen durchstiegen hat. Hias Rebitsch war Mitglied der NSDAP und SA-Mann. Das erwähnt Wolfgang Rebitsch, Neffe des Bergsteigers und Mit-Autor, und dass Rebitsch Hakenkreuze an Felswände malte. Ob man das bei so einer lapidaren Erwähnung belassen kann, ist fraglich. Rebitsch reiste später nach Südamerika, 1953 kletterte er mit dem in Argentinien lebenden Hans Rudel - "dem ehemals berühmten Jagdflieger", wie Höfler ihn nennt. Das kann man nun so nicht stehen lassen. Rudel war Wehrmachtsoffizier, der höchstdekorierte Soldat der NS-Zeit. Nach dem Krieg setzte er sich mit gefälschtem Pass nach Argentinien ab, betätigte sich als NS-Fluchthelfer, half mit, Josef Mengele zu verstecken, er war Waffenhändler der Militärdiktaturen und unterstützte die rechtsextreme Deutsche Reichspartei. Kaum vorstellbar, dass Rebitsch nichts davon wusste. Doch auch die hohen Berge sind kein rechtsfreier Raum. Man kann sich auch dort sehr wohl aussuchen, mit wem man Seilschaften bildet. Untadelig sind Rebitschs Erfolge als Bergsteiger. Ihm gelangen schon mit sechzehn Jahren beachtliche Touren, berühmt wurde er dafür, dass er das Freiklettern pflegte, als es eigentlich noch gar nicht erfunden war. Bis heute zählen ihn Kletterer wie Messner und auch die nächste Generation, Alexander Huber etwa, zu ihren Vorbildern. Rebitsch kletterte 1937 in der noch immer nicht durchstiegenen Eiger-Nordwand - und kam lebend wieder heraus. Er war bei der zweiten deutschen Nanga-Parbat-Expedition dabei und fand in Argentinien bei Ausgrabungen in mehr als sechstausend Meter Höhe Hinterlassenschaften der Inka. Den Großteil des Buches machen zum Teil unveröffentlichte Schriften und Erzählungen von Hias Rebitsch selbst aus. Diese lesen sich spannend. Seine eigentliche Stärke, so Rebitsch, sei das Ausschalten psychischer Hemmungen gewesen: "Klettere hoch oben, an ausgesetzter Wand, so ruhig wie knapp über dem Erdboden." Erfrischend liest sich seine Begeisterung über die Leistungen der nachfolgenden Generationen. "Es ist für mich unfassbar großartig, was die Jungen im Fels leisten." Höfler hat seine Biographie "Der Berg ist nicht alles" genannt. Wohl wahr. Deshalb sollte auch in einer Biographie eines Bergsteigers mehr Wert gelegt werden auf historische Zusammenhänge, und nicht nur auf Bergerfolge.
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"Hias Rebitsch - Der Berg ist nicht alles", herausgegeben von Horst Höfler. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2010. 262 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 24,95 Euro.
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Horst Höfler, Alpinjournalist und Jahrgang 1948, hat ein Buch herausgegeben über Hias Rebitsch (1911 - 1990). Von einer solchen Biographie darf man erwarten, dass sie den Berühmten vorstellt, würdigt, aber auch kritisch hinterfragt, einordnet in seine Zeit und herausstellt aus den Zeitläuften. Leider kann Höfler das nicht leisten, weil er Rebitsch zu sehr verehrt. So schreibt er etwa: Jung wie Alt schätzten nicht nur seine alpinistischen Meilensteine, sondern seinen "scharfen Verstand, seine Meinungsfestigkeit, seinen Humor, seine Ironie, Selbstironie und Toleranz sowie seinen bisweilen an den Tag gelegten Sarkasmus". So viel Lob macht blind, der Leser kann sich dahinter keinen echten Menschen vorstellen. Auch andere Bergsteiger lobpreist er, gerade so, als sei das Reich der Berge frei von Idioten, Missgunst und Schlechtigkeit. Rechnerisch zählt Höfler zu den Achtundsechzigern, sprachlich bewegt er sich im Duktus der Generation von Rebitsch. So schreibt er zu einer Fotografie, sie zeige Rebitsch "von feschen Damen umschwärmt". Im "Lebensbild" erzählt Höfler Rebitschs Biographie anhand seiner Klettererfolge nach. Das ist ermüdend, weil solch eine Aufzählung - Predigtstuhl-Mittelgipfel-Westwand ("Haslacher/Behringer"), Riepenwand (Kalkkögel), Ackerlspitze ("Rebitschfinger") - nur denen etwas sagt, die vermutlich ohnehin wissen, dass der Hias all diese Routen durchstiegen hat. Hias Rebitsch war Mitglied der NSDAP und SA-Mann. Das erwähnt Wolfgang Rebitsch, Neffe des Bergsteigers und Mit-Autor, und dass Rebitsch Hakenkreuze an Felswände malte. Ob man das bei so einer lapidaren Erwähnung belassen kann, ist fraglich. Rebitsch reiste später nach Südamerika, 1953 kletterte er mit dem in Argentinien lebenden Hans Rudel - "dem ehemals berühmten Jagdflieger", wie Höfler ihn nennt. Das kann man nun so nicht stehen lassen. Rudel war Wehrmachtsoffizier, der höchstdekorierte Soldat der NS-Zeit. Nach dem Krieg setzte er sich mit gefälschtem Pass nach Argentinien ab, betätigte sich als NS-Fluchthelfer, half mit, Josef Mengele zu verstecken, er war Waffenhändler der Militärdiktaturen und unterstützte die rechtsextreme Deutsche Reichspartei. Kaum vorstellbar, dass Rebitsch nichts davon wusste. Doch auch die hohen Berge sind kein rechtsfreier Raum. Man kann sich auch dort sehr wohl aussuchen, mit wem man Seilschaften bildet. Untadelig sind Rebitschs Erfolge als Bergsteiger. Ihm gelangen schon mit sechzehn Jahren beachtliche Touren, berühmt wurde er dafür, dass er das Freiklettern pflegte, als es eigentlich noch gar nicht erfunden war. Bis heute zählen ihn Kletterer wie Messner und auch die nächste Generation, Alexander Huber etwa, zu ihren Vorbildern. Rebitsch kletterte 1937 in der noch immer nicht durchstiegenen Eiger-Nordwand - und kam lebend wieder heraus. Er war bei der zweiten deutschen Nanga-Parbat-Expedition dabei und fand in Argentinien bei Ausgrabungen in mehr als sechstausend Meter Höhe Hinterlassenschaften der Inka. Den Großteil des Buches machen zum Teil unveröffentlichte Schriften und Erzählungen von Hias Rebitsch selbst aus. Diese lesen sich spannend. Seine eigentliche Stärke, so Rebitsch, sei das Ausschalten psychischer Hemmungen gewesen: "Klettere hoch oben, an ausgesetzter Wand, so ruhig wie knapp über dem Erdboden." Erfrischend liest sich seine Begeisterung über die Leistungen der nachfolgenden Generationen. "Es ist für mich unfassbar großartig, was die Jungen im Fels leisten." Höfler hat seine Biographie "Der Berg ist nicht alles" genannt. Wohl wahr. Deshalb sollte auch in einer Biographie eines Bergsteigers mehr Wert gelegt werden auf historische Zusammenhänge, und nicht nur auf Bergerfolge.
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"Hias Rebitsch - Der Berg ist nicht alles", herausgegeben von Horst Höfler. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2010. 262 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 24,95 Euro.
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