»Komm nach Israel, Mama. Welch Ironie, dass ich nach all den Jahren Funkstille nur vier Wörter gebraucht habe, um wieder Kontakt zu dir aufzunehmen oder hat sogar ein einziges Wort genügt?« |130
Als Lydia Immanuels Ruf nach Israel folgt, ist es zu spät. Ihr Ziehsohn, der zehn Jahre zuvor mit
seinem Vater ins jüdische "Mutterland" ging, ist tot. Immanuel war 22, Soldat und verlor den Halt.…mehr»Komm nach Israel, Mama. Welch Ironie, dass ich nach all den Jahren Funkstille nur vier Wörter gebraucht habe, um wieder Kontakt zu dir aufzunehmen oder hat sogar ein einziges Wort genügt?« |130
Als Lydia Immanuels Ruf nach Israel folgt, ist es zu spät. Ihr Ziehsohn, der zehn Jahre zuvor mit seinem Vater ins jüdische "Mutterland" ging, ist tot. Immanuel war 22, Soldat und verlor den Halt. Hatte seine Rolle als Besatzer etwas damit zu tun? Wäre es ihm möglich gewesen, keine Schuld auf sich zu laden? Oder zogen sich die Konfliktlinien zwischen Halt und Verlust, zwischen Vereinnahmung und Selbstbestimmung durch sein Leben?
Was genau passierte, wer seinen Lebensweg mit zu verantworten hat, welche Risse und Schmerzen dem vorausgegangen sind und folgen werden, dem geht der Roman in der Perspektive von Lydia nach.
»Hier ist alles sicher« gehört für mich neben »Siegerin« von Yishai Sarid und »Eine Nebensache« von Adania Shibli zu einem der besten zeitgenössischen Romanen, die in Israel | Palästina spielen.
Für mich las sich diese ambivalente Mutter-Sohngeschichte als Spiegel für diasporische jüdische Identitäten in Europa und der konflikthaften "Wiederkehr" nach Israel. Das Terrain ist glitschig, eine Liebe unter Druck, die besteht und scheitert, die sich einmischt und loslässt. Die Belgierin entgeht dabei der Anmaßung, sich als Israelerklärerin aufzuspielen. Sie zeichnet vielmehr bis ins Persönlichste reichenden Konfliktlinien nach und wendet sich dabei universellen Fragen zu. Sprachlich ist der Roman nicht virtuos und die Figuren sind alles andere als zugänglich und sympathisch. Lydia wirkt beschränkt auf eine egozentrische Art, Joachim hart und verschlossen und auch Immanuel ungerecht, grenzüberschreitend und unzugänglich. Doch selten habe ich Figuren, Beziehungen und Konflikte gelesen, die
so psychologisch komplex und mit solch einem politischen Feingefühl ausgearbeitet wurden. »Hier ist alles sicher« braucht Geduld, denn die Geschichte, ihre Komplexität und Positionen erschließen sich nicht sofort. Erst gegen Ende und im Nachgang steigerte sich meine Begeisterung. Große Empfehlung.