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Jede Gesellschaft hat ihre Drogen. Dabei ist das Angebot so vielfältig wie die Kulturen dieser Welt: von Alltagsdrogen wie Kaffee, Tee, Kakao und Alkohol bis zu hierzulande illegalen Drogen wie Kokain oder Ecstasy. Konsumiert wird rund um den Globus: In den Nachtklubs von Thailand wird ya aba geraucht, Haschisch in den Tempeln im Himalaya, und Tabak fast überall. Auf indonesischen Märkten wird Betel gekauft und gekaut, in den Anden genießt man Kokablätter, in den Wüsten von Rajasthan Opiumpillen, und in den australischen Slums betäuben sich die Aborigines mit Benzoldämpfen. Mike Jay erkundet…mehr

Produktbeschreibung
Jede Gesellschaft hat ihre Drogen. Dabei ist das Angebot so vielfältig wie die Kulturen dieser Welt: von Alltagsdrogen wie Kaffee, Tee, Kakao und Alkohol bis zu hierzulande illegalen Drogen wie Kokain oder Ecstasy. Konsumiert wird rund um den Globus: In den Nachtklubs von Thailand wird ya aba geraucht, Haschisch in den Tempeln im Himalaya, und Tabak fast überall. Auf indonesischen Märkten wird Betel gekauft und gekaut, in den Anden genießt man Kokablätter, in den Wüsten von Rajasthan Opiumpillen, und in den australischen Slums betäuben sich die Aborigines mit Benzoldämpfen.
Mike Jay erkundet das ganze Spektrum bewusstseinsverändernder Substanzen und verfolgt deren geschichtliche Entwicklung. Der renommierte Kulturhistoriker zeichnet ein lebendiges Porträt der höchst unterschiedlichen Rollen, die Drogen als Arznei, als rituelles Stimulans, als Statussymbol oder begehrte Handelsware spielen. Er verfolgt ihre Geschichte von den botanischen Forschungen der antiken Welt über die oft riskanten Selbstversuche früher Wissenschaftler bis zum gegenwärtigen Krieg gegen Drogen. Dabei zeigt er auch, auf welche Weise der internationale Handel mit Substanzen wie Tabak, Tee und Opium die moderne Welt geprägt und verändert hat.
Autorenporträt
Mike Jay hat sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit der Kulturgeschichte der Medizin und der Naturwissenschaften befasst. Sein Spezialgebiet ist die Rolle der Drogen in Kultur und Geschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2011

Es macht dich zum Gott, um dich dann in die Hölle zu stürzen
Keine Gesellschaft ohne Rauschmittel: Mike Jay erzählt die Kulturgeschichte der Drogen
Als Elizabeth II. 1982 die Fidschi-Inseln besuchte, überreichte ihr ein halbnackter Mann eine Kokosnussschale. Gefüllt war sie mit einer Spezialität aus dem Südwestpazifik: einer schlammigen Flüssigkeit, die auf der Zunge wie Pfeffer brennt und die traditionell zubereitet wird, indem man Pflanzenwurzeln zu Brei kaut und sie dann in ein Gefäß spuckt. Die Queen schien zu wissen, worauf sie sich einließ. Auf dem erhaltenen Foto trägt sie eine große blaue Blume auf dem Hut – das romantische Symbol für die Sehnsucht nach dem Unbekannten und Unendlichen. Elizabeth II. war kurz davor, sich mit Rauschpfeffer in Trance zu versetzen.
Das erzählt der britische Drogenexperte Mike Jay in seinem neuen Buch „High Society. Eine Kulturgeschichte der Drogen“. Mit Ausnahme der Queen ist der titelgebende Witz von der „High Society“ dabei natürlich Unsinn. Denn Jay meint weder eine Schicht noch eine bestimmte Gesellschaft – stattdessen berichtet er von Kavaschluckern aus Fidschi, chinesischen Teetrinkern, thailändischen Betelkauern, europäischen Tabakrauchern, Alkoholsäufern, Kokainisten und vielen anderen. So zeigt er, dass es zwar viele Rauschmittel in vielen Gesellschaften gab und gibt – aber im Grunde keine Gesellschaft ohne Rauschmittel.
Bei Ausgrabungen in den argentinischen Hochanden wurden 1973 zwei über 4000 Jahre alte, aus Pumaknochen geschnitzte Pfeifen mit den Resten verbrannter Samen gefunden, die ein starkes Halluzinogen enthalten. Und sogar in der Bibel ist von einer Frucht die Rede, deren Genuss die Erkenntnis von Gut und Böse befördert. Auch die Tiere nehmen Drogen: Sibirische Bären schätzen Fliegenpilze, Wandervögel fliegen für vergorene Früchte Umwege, indische Elefanten wurden beim Plündern von Schnapsbrennereien erwischt, Paviane kauen wilden Tabak und Ziegen lieben Kaffee so sehr, dass die Plantagen mit hohen Zäunen vor ihnen geschützt werden müssen. Letztlich, erklärt die Biologie, produzieren Pflanzen berauschende Alkaloide, um bestimmte Arten anzuziehen und andere abzuschrecken – ein evolutionär-pharmakologischer Komplex.
Die Moderne hat Drogen also nicht erfunden. Und doch wird deutlich, dass sie sich ihnen mit einer neuen Gründlichkeit gewidmet hat. Bereits frühneuzeitliche Forscher wie Paracelsus sammelten Pflanzen, konzentrierten und raffinierten deren Wirkstoffe. Für einen wachsenden Massenmarkt entstanden mit der Zeit standardisierte Produkte in bislang unbekannter Reinheit und Potenz: zwei Unzen Opium auf eine Pinte Portwein, gewürzt mit Safran, Nelken und Zimt, das war ein verbreitetes Laudanum-Rezept aus dem 17. Jahrhundert. Die neue koloniale Weltordnung reflektierte sich dann in den großen Systematisierern des 18. Jahrhunderts: Carl von Linné, der Begründer der modernen Botanik, schrieb mit „Inebriantia“ das erste wirklich globale Inventar bewusstseinsverändernder Drogen, das unter anderem Betel aus dem fernen Orient, Haschisch aus der Türkei und Tabak aus der neuen Welt behandelte. Als das Angebot exotischer wurde, entstanden auch die ersten Subkulturen: In Europa traf sich die Schickeria in den neuen Kaffeehäusern, wo sie, aufgepeitscht vom Koffein, eine neues Denken entwickelte.
Weltweites Ausschweifen war offensichtlich der eine Weg zur Entdeckung neuer Rauschmittel. Der andere führte in die Welt der Substanzen selbst, erschlossen durch eine sich schnell entwickelnde chemische Forschung und Industrie. In Deutschland wurden die aktiven Komponenten vieler gefundener Pflanzen erstmals isoliert: in Paderborn aus dem Schlafmohn 1804 das Morphin, an der Universität Göttingen 1860 aus Kokablättern das Kokain, an der Universität Leipzig 1896 aus dem Peyote-Kaktus das Meskalin. Je mehr Stoffe entdeckt wurden, desto mehr wurden die Apotheken der 1890er Jahre zu modernen Wunderkammern: Wer sich dort nicht gleich reines Opium, Cannabis, Morphium oder Kokain kaufte (wie etwa Sherlock Holmes), dem wurden maschinell gefertigte Tabletten angeboten. Ein gerne verschriebenes Mittel gegen die damals weit verbreiteten nervösen Beschwerden bestand aus Äther, Chloroform, Cannabis und Morphin. Nach der Einnahme war man sicher nicht mehr nervös, mancher aber wurde süchtig. Als Sucht im Bezug auf Morphin zu einem immer größeren Problem wurde, entwickelte das deutsche Unternehmen Bayer 1898 ein Substitut, das auch als Mittel gegen Husten vermarktet wurde: Heroin. Tatsächlich wurde danach weniger Morphin und Opium genommen, Heroin dafür um so mehr.
Als Early Adopter der neuen Drogen boten sich üblicherweise Intellektuelle und Künstler an. Sie hatten Zeit, Interesse am Experiment und verfügten über die nötigen Mittel, um die subjektiven Rauscherfahrungen mitzuteilen. Sigmund Freud schrieb under the influence einen euphorischen Aufsatz „Über Coca“ und erfand danach die Psychoanalyse. „Und tatsächlich“, so kommentierten das die Journalisten Ingo Niermann und Adriano Sack einmal, „ist diese ja mit dem Koksrausch verwandt: Das Wühlen in der eigenen Vergangenheit, der Glaube, dass es die Lösung sei, Dinge auszusprechen, die Unermüdlichkeit.“
Das war die angenehme Seite. Jay weist darauf hin, dass die Literaten auch die andere beschrieben haben. So entwickelte Thomas de Quincey aus seinen eigenen Opium-Erfahrungen die bis heute typische Drogen-Erzählung – das Mittel macht aus dem Konsumenten zuerst einen Gott, bevor es ihn in die Hölle stürzt. Dabei, so muss man hinzufügen, sind es dann oft die Geläuterten, Ehemaligen, Trockengelegten und Umgestiegenen, die am vehementesten zur Hexenjagd auf die berauschenden Salben, Säfte und Tinkturen blasen. Der Drogenfahnder mit Zigarette und Kaffeetasse, der sich nach der Arbeit bei einem Bier entspannt, ist längst ein Klischee. Bekannt wurde auch der Fall des berühmten Rock’n’roll-Stars, der sich von Richard Nixon 1970 zum „Federal Agent-at-Large“ der amerikanischen Anti-Drogenbehörde ernennen ließ. Elvis Presley war zu diesem Zeitpunkt allerdings längst selbst ein Wrack – doch anders als die von ihm fortan verfolgte Gegenkultur kaufte er sich seine Drogen immer brav in der Apotheke.
Es gibt heute also insgesamt mehr und stärkere Drogen als je zuvor. Sie wurden in den Kolonien gefunden, konzentriert und synthetisiert, und dann oft mit Gewalt wieder verbreitet – etwa in den Opiumkriegen. Als sie später oft über Einwanderer ihren Weg zurück in den Westen fanden, verbot man sie. Bis heute werden vor allem die Drogen verfolgt, die aus eher armen postkolonialen Ländern kommen – das Kokain aus Bolivien, Peru und Kolumbien, das Heroin aus Afghanistan und Südostasien, das Haschisch aus Marokko. Der trotzdem florierende Handel in den Zentren lässt das organisierte Verbrechen blühen und destabilisiert ganze Staaten wie Mexiko und Afghanistan. Gleichzeitig existiert ein gewaltiger legaler Markt – nicht nur für Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee, sondern auch für die massenhaft verordneten „nüchternen Rauschmittel“ wie das „Kinderkokain“ Methylphenidat (Ritalin), den Studenten-„Brainbooster“ Modafinil (Vigil), Trizyklische Antidepressiva (etwa Insidon) und viele andere Wirkstoffe. Irgendwie ist Mike Jays fahler Witz von der „High Society“ also doch kein Unsinn. Und irgendwie kriegt man den Eindruck, dass nicht das High-Sein das Problem ist (und auch nicht das Runterkommen). Sondern das ständige Gefühl, dass man das mit der Rauschpfeffer-Trance doch auch gerne mal probieren würde. JAN FÜCHTJOHANN
MIKE JAY: High Society. Eine Kulturgeschichte der Drogen. Aus dem Englischen von Michael Haupt. Primus Verlag, Darmstadt 2011. 192 S., 29,90 Euro.
Indische Elefanten wurden
beim Plündern von
Schnapsbrennereien erwischt
Bis heute werden vor allem die
Drogen verfolgt, die aus eher armen
postkolonialen Ländern kommen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zufrieden scheint Rezensent Jan Füchtjohann mit Mike Jays Kulturgeschichte der Drogen. Das Werk bietet offensichtlich eine Überfülle an Informationen über Rauschmittel von Antike bis zur Gegenwart quer durch alle Kulturen und Gesellschaften. Bei der Lektüre hat Füchtjohann eine Menge erfahren über Beeren, Kaffee, Tee, Tabak, Opium, Morphium, Heroin, Kokain und Hunderte andere Substanzen, die geeignet sind, den einen oder anderen Rausch hervorzurufen. Auch die Rolle von Intellektuellen und Künstlern beim Erproben von Drogen kommt zur Sprache. Klar wird für Füchtjohann, dass es keine Gesellschaft ohne Drogen gibt.

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