Am heißesten Tag des Sommers machen die beiden Schwestern Nik und Norva im Londoner Hochhaus-Komplex "The TRI" eine grausige Entdeckung: Sie finden die Leiche des beliebten Antiquitätenhändlers und Kunstlehrers, Hugo. Als ihr eigener Vater in Verdacht gerät, machen es sich die beiden sehr unterschiedlichen Schwestern zur Aufgabe, den Mord aufzuklären. Undercover ermitteln sie unter ihren Nachbarn, von denen jeder auf seine Art verdächtig erscheint. Mit Niks präzisem analytischem Verstand und Norvas Fantasie und Kreativität, ihrer perfekten Ortskenntnis und nicht zuletzt dank ihrer "TRI-Files" auf dem Smartphone sind sie der Polizei immer eine Nasenlänge voraus und können dem Mörder schließlich das Handwerk legen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2020Tatwaffe: eine Farbdose
Mit einer Prise Chaos lösen zwei Schwestern einen schwierigen Mordfall
Es stinkt nach Urin im Treppenhaus, der Lift ist oft tagelang außer Betrieb, sehr schwierig für Kinder, die im 22. Stock wohnen und den Hund Ringo regelmäßig Gassi führen müssen. Das eintönige Gelb an den Wänden, das der Hausmeister Joseph „Pap“ Alexander auf Antrag der Mieter in den Wohnungen verstreicht, ist irgendwie krank. Im Gemeinschaftsraum The Hub ist ein hässlicher Brandfleck an der Wand aufgetaucht, von einer missglückten Grillaktion, dreimal hat Pap Alexander ihn zu übertünchen versucht, vergeblich – so erinnert der Fleck Norva, Paps Tochter, an „Jesus zu Ostern“, weil er immer wiederkommt.
Das Leben in den drei Türmen der Wohnanlage The Tri ist nicht wirklich einfach, Menschen aus Randgruppen Londons leben hier, Schwarze, Familien aus den alten Kolonialgebieten, immer auf der Suche nach Jobs. Ein Gemisch aus Eigeninitiative, kleinlichem Gekungel, spontaner Solidarität, besonders in diesem mörderischen Sommer. Norva, 13 Jahre, und ihre Schwester Anika, 11 Jahre, genannt Nik, die eine mit Braids, die andere mit Kurzhaar, sind die Töchter des alleinerziehenden Pap Alexander, und sie müssen aktiv werden, als sie eine Leiche finden in der Müllanlage – das ganze Wochenende hat sie schon für einen schrecklichen Gestank gesorgt. Ihr Freund Hugo Knightley-Webb ist der Tote, der mit Antiquitäten und Kunst handelte und sie vermittelte, in gelehrten Vorträgen. Tatwaffe: eine Farbdose? Hauptverdächtig deshalb: Pap Alexander. Es trifft sich also gut, dass Nik und Norva sowieso eine Detektivagentur eröffnen wollen: „Wenn in The Tri was schiefläuft, biegen wir es grade.“ Also legen Nik und Norva für den Fall einen eigenen Ordner an, mit Fragen, To-do-Punkten, Tabellen, sie halten auf Handy-Bildern Objekte, Menschen, Situationen fest, von Freunden und Mitbewohnern, die für sie zu Verdächtigen werden. Alles schön systematisch, Pedanterie als fröhliche Wissenschaft. Und immer an den rigorosen Polizisten vorbei, die alles mit ihren Absperrbändern unter Kontrolle halten wollen. Selbst ein ausgestopfter Hugo 2 kommt zum Einsatz, um zu testen, wie die Leiche die Müllrutsche hinab entsorgt werden konnte.
Am Ende ist, wie in den klassischen Ermittlungen, bei Sherlock Holmes oder Nero Wolfe, alles eine Frage von clever inszenierter Anarchie: „Es ist an der Zeit, dass wir einen Gang hochschalten. Wir müssen stark sein, ein paar ordentliche Lügen erzählen und eine Prise Chaos in die ganze Sache bringen, um den Fall zu lösen.“ (ab 12 Jahre)
FRITZ GÖTTLER
Sharna Jackson: High Rise Mystery. Ein tödlicher Sommer. Aus dem Englischen von Henriette Zeltner. Knesebeck Verlag, München 2020. 287 Seiten, 16 Euro.
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Mit einer Prise Chaos lösen zwei Schwestern einen schwierigen Mordfall
Es stinkt nach Urin im Treppenhaus, der Lift ist oft tagelang außer Betrieb, sehr schwierig für Kinder, die im 22. Stock wohnen und den Hund Ringo regelmäßig Gassi führen müssen. Das eintönige Gelb an den Wänden, das der Hausmeister Joseph „Pap“ Alexander auf Antrag der Mieter in den Wohnungen verstreicht, ist irgendwie krank. Im Gemeinschaftsraum The Hub ist ein hässlicher Brandfleck an der Wand aufgetaucht, von einer missglückten Grillaktion, dreimal hat Pap Alexander ihn zu übertünchen versucht, vergeblich – so erinnert der Fleck Norva, Paps Tochter, an „Jesus zu Ostern“, weil er immer wiederkommt.
Das Leben in den drei Türmen der Wohnanlage The Tri ist nicht wirklich einfach, Menschen aus Randgruppen Londons leben hier, Schwarze, Familien aus den alten Kolonialgebieten, immer auf der Suche nach Jobs. Ein Gemisch aus Eigeninitiative, kleinlichem Gekungel, spontaner Solidarität, besonders in diesem mörderischen Sommer. Norva, 13 Jahre, und ihre Schwester Anika, 11 Jahre, genannt Nik, die eine mit Braids, die andere mit Kurzhaar, sind die Töchter des alleinerziehenden Pap Alexander, und sie müssen aktiv werden, als sie eine Leiche finden in der Müllanlage – das ganze Wochenende hat sie schon für einen schrecklichen Gestank gesorgt. Ihr Freund Hugo Knightley-Webb ist der Tote, der mit Antiquitäten und Kunst handelte und sie vermittelte, in gelehrten Vorträgen. Tatwaffe: eine Farbdose? Hauptverdächtig deshalb: Pap Alexander. Es trifft sich also gut, dass Nik und Norva sowieso eine Detektivagentur eröffnen wollen: „Wenn in The Tri was schiefläuft, biegen wir es grade.“ Also legen Nik und Norva für den Fall einen eigenen Ordner an, mit Fragen, To-do-Punkten, Tabellen, sie halten auf Handy-Bildern Objekte, Menschen, Situationen fest, von Freunden und Mitbewohnern, die für sie zu Verdächtigen werden. Alles schön systematisch, Pedanterie als fröhliche Wissenschaft. Und immer an den rigorosen Polizisten vorbei, die alles mit ihren Absperrbändern unter Kontrolle halten wollen. Selbst ein ausgestopfter Hugo 2 kommt zum Einsatz, um zu testen, wie die Leiche die Müllrutsche hinab entsorgt werden konnte.
Am Ende ist, wie in den klassischen Ermittlungen, bei Sherlock Holmes oder Nero Wolfe, alles eine Frage von clever inszenierter Anarchie: „Es ist an der Zeit, dass wir einen Gang hochschalten. Wir müssen stark sein, ein paar ordentliche Lügen erzählen und eine Prise Chaos in die ganze Sache bringen, um den Fall zu lösen.“ (ab 12 Jahre)
FRITZ GÖTTLER
Sharna Jackson: High Rise Mystery. Ein tödlicher Sommer. Aus dem Englischen von Henriette Zeltner. Knesebeck Verlag, München 2020. 287 Seiten, 16 Euro.
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