Abraham lebt als erfolgreicher Kaufmann in der Handelsstadt Haran. Aber er will mehr vom Leben und sucht das Glück in der Ferne, in Kanaan. Geleitet wird er von seiner Suche nach dem einen, einzigen Gott. Nacht für Nacht steht er unter dem Sternenzelt und wartet auf ein Zeichen Elohims.Doch Abraham bleibt in Kanaan ein Fremder, seine Geschäfte laufen schlecht und seine Frau Sara wird nicht schwanger. Er widersteht allen Empfehlungen, den lokalen Göttern zu opfern, und hält an seinem Glauben fest, denn er hat große Pläne: Er wähnt sich auserwählt und will ein eigenes Volk gründen. Doch erst muss er sich ein weiteres Mal aufmachen - nach Ägypten.Dort herrscht weitsichtig der Pharao Amenemhet, in dessen Dienst sich Abraham bald wiederfindet. Doch der Pharao schmiedet einen politischen Plan, der Ägypten nützlich sein soll und so ganz nebenbei Abrahams Träumen neue Hoffnung verleiht ...Ivan Ivanji erzählt eine Familiengeschichte voll von Liebe, Hass, Mord, Betrug und Intrigen: Eine ausdrucksvolle Paraphrase des bestverkauften Buches der Welt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2020Keine Antwort der Sterne
Muss man die Bibel plausibilisieren? Ivan Ivanjis Roman "Hineni"
Die Widersprüche und Ungereimtheiten der Bibel sind für ihre Wirkungsgeschichte ebenso wichtig wie ihr Verständnis als Offenbarung Gottes. Denn ginge das Wort des Herrn ein in den menschlichen Sinn ohne Widerstand und ohne Frage, brauchte es keinen Kommentar, keine Interpretation, keine Predigt und keine literarische Annäherung. Die Bibel wäre nicht das Buch der Bücher, das nicht nur alle Bücher in sich versammelt, sondern auch Quelle immer neuer Schriften wird. Die Bibel wäre dann ein Buch unter Büchern, wenn auch mit einem besonderen Urheber.
Die jüngste literarische Annäherung in der langen Reihe, aus der die Variationen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn, die Hiob-Geschichten von Søren Kierkegaard und Joseph Roth sowie Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" herausragen, ist "Hineni". Der Roman des serbischen Schriftstellers Ivan Ivanji, Jahrgang 1929, Diplomat, Journalist, Dolmetscher Titos und Überlebender von Auschwitz und Buchenwald, erzählt von Abraham, dem Urvater der Juden und der Araber, der im Koran Ibrahim heißt. Abraham zweifelt an der Vielgötterei und glaubt an den Einen Gott, droht allerdings an ihm zu verzweifeln. Denn der religiösen Verdichtung folgt keine lendenstarke Vermehrung. Das Volk, das den Monotheismus in die Welt tragen soll, will nicht entstehen: Abrahams schöne Ehefrau Sarai bleibt ungeachtet anhaltender Bemühungen kinderlos. Die Beziehung zu dem Einen Gott droht äußerst exklusiv zu bleiben.
Sie ist auch einseitig. Abraham ruft jede Nacht vom Dach aus den Herrn mit "Hineni" an - "Hier bin ich, hier!" -, doch die Sterne bleiben eine Antwort schuldig. Ivanji versagt Abraham sämtliche Offenbarungen des Herrn. Sein Held bricht auf, zieht aus Ur nach Kanaan, dann nach Ägypten. Dort verlangt niemand anders als der Pharao, den Fremden zu sehen. Abraham gibt die schöne Ehefrau Sarai als seine Schwester aus, um vom möglicherweise lüsternen Herrscher nicht getötet zu werden. Das erweist sich als richtige, wenn auch wenig liebevolle List: Der Pharao nimmt Sarai zu sich.
Immerhin überreicht der Ägypter - nicht ohne männliches Feingefühl - Abraham zum Ausgleich eine junge hübsche Sklavin aus dem Harem, und die dunkelhäutige Hagar wird dem Zugereisten den ersten Sohn schenken. Leider ist Ismael ebenfalls dunkelhäutig und kommt für den Glaubens- und Volksbegründer daher keinesfalls als legitimer Spross in Frage. Als der Pharao dann Abraham überraschend die schöne Sarai zurückerstattet und den Auftrag erteilt, die Kanaaniter zu unterwerfen, wendet sich jedoch alles zum Guten: Der Feldzug gelingt dem bereits betagten Abraham, die Zeugung von Nachkommen mit der neunzig Jahre alten Sarai nun ebenfalls. Glaube, Volk, Territorium und Macht der später Israeliten Genannten finden zueinander wie in der reinen Staatslehre. Zumal die dunkelhäutige Hagar und ihr Sohn Ismael auf Drängen Sarais in die Wüste geschickt werden. Abraham lässt sie heimlich retten, auf dass die Nubier ihre eigene Dynastie begründen können.
Eine "Hollywood-Story" nennt Ivan Ivanji die verwickelten Ereignisse, die die Bibel freilich nur als "Treatment" skizziere. Er habe die Mär daher deutend angereichert. Ein Blockbuster oder auch nur ein Arthouse-Film ist "Hineni" allerdings nicht geworden. Ivanji tilgt alle "Fürchte dich nicht!"-Offenbarungen des Herrn und lässt Pharao Amenemhet I. zum zentralen Akteur werden: Er will den hochgewachsenen Fremden unbedingt sehen, vollzieht den Frauentausch, ordnet die Eroberung Kanaans an. Mit ihm hält Abraham manch entspanntes Schwätzchen, denn der Herrscher betrachtet Vielgötterei als Opium fürs Volk. Dieser weltliche Herr ist fast so unergründlich wie der Eine Gott, auch wenn er sich und seine obersten Beamten umgänglich als "Team" bezeichnet.
Ansonsten bedient sich Ivanji sparsam der Küchenpsychologie und der Lexika - zwischen den reichlichen Wendungen der Geschichte erlauben schon mal zwei Seiten über die ägyptischen Götter eine Verschnaufpause. In einem Nachwort schildert Ivanji seine Gründe für die von ihm so nicht genannte Säkularisierung des Geschehens: Die Bibel sei viel zu kompliziert, er habe alles "logisch", "plausibel" und "so real wie möglich" schildern wollen.
Den Anlass für den Roman aber hätten die Fragen eines wütenden Berufsschülers nach einer Lesung in Dachau gegeben: "Warum mordet ihr Juden uns Palästinenser?", "Warum raubt ihr unser Land?" Ivanji antwortete mit Differenzierungen, die nicht verstanden wurden, und begann zu schreiben, um, so heißt es, die Verhältnisse zwischen den Söhnen Abrahams, Ismael und Isaak, zu untersuchen. Ismaels Mutter Hagar sei eine seiner Heldinnen, daher beginne "Hineni" mit ihr.
Vermutlich spiegelt sich der einundneunzigjährige hochproduktive Schriftsteller gern im Urvater Abraham, der nach dem hundertsten Geburtstag überragende Zeugungsfähigkeiten beweist. Just beim Schicksal seiner Heldin Hagar und ihres Sohnes Ismael allerdings hält sich Ivan Ivanji eng an die Bibel: Die Geburt des Volkes Israel geht einher mit der Vertreibung der Dunkelhäutigen, weil sie gegenüber der schönen Sarai aufsässig werden.
Ob diese nicht hinterfragte Wiederholung der Vertreibungs-Urszene aufgrund von Inferiorität geeignet ist, den Berufsschüler zu beruhigen, darf als fraglich gelten.
JÖRG PLATH.
Ivan Ivanji: "Hineni".
Roman.
Picus Verlag, Wien 2020. 216 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Muss man die Bibel plausibilisieren? Ivan Ivanjis Roman "Hineni"
Die Widersprüche und Ungereimtheiten der Bibel sind für ihre Wirkungsgeschichte ebenso wichtig wie ihr Verständnis als Offenbarung Gottes. Denn ginge das Wort des Herrn ein in den menschlichen Sinn ohne Widerstand und ohne Frage, brauchte es keinen Kommentar, keine Interpretation, keine Predigt und keine literarische Annäherung. Die Bibel wäre nicht das Buch der Bücher, das nicht nur alle Bücher in sich versammelt, sondern auch Quelle immer neuer Schriften wird. Die Bibel wäre dann ein Buch unter Büchern, wenn auch mit einem besonderen Urheber.
Die jüngste literarische Annäherung in der langen Reihe, aus der die Variationen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn, die Hiob-Geschichten von Søren Kierkegaard und Joseph Roth sowie Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" herausragen, ist "Hineni". Der Roman des serbischen Schriftstellers Ivan Ivanji, Jahrgang 1929, Diplomat, Journalist, Dolmetscher Titos und Überlebender von Auschwitz und Buchenwald, erzählt von Abraham, dem Urvater der Juden und der Araber, der im Koran Ibrahim heißt. Abraham zweifelt an der Vielgötterei und glaubt an den Einen Gott, droht allerdings an ihm zu verzweifeln. Denn der religiösen Verdichtung folgt keine lendenstarke Vermehrung. Das Volk, das den Monotheismus in die Welt tragen soll, will nicht entstehen: Abrahams schöne Ehefrau Sarai bleibt ungeachtet anhaltender Bemühungen kinderlos. Die Beziehung zu dem Einen Gott droht äußerst exklusiv zu bleiben.
Sie ist auch einseitig. Abraham ruft jede Nacht vom Dach aus den Herrn mit "Hineni" an - "Hier bin ich, hier!" -, doch die Sterne bleiben eine Antwort schuldig. Ivanji versagt Abraham sämtliche Offenbarungen des Herrn. Sein Held bricht auf, zieht aus Ur nach Kanaan, dann nach Ägypten. Dort verlangt niemand anders als der Pharao, den Fremden zu sehen. Abraham gibt die schöne Ehefrau Sarai als seine Schwester aus, um vom möglicherweise lüsternen Herrscher nicht getötet zu werden. Das erweist sich als richtige, wenn auch wenig liebevolle List: Der Pharao nimmt Sarai zu sich.
Immerhin überreicht der Ägypter - nicht ohne männliches Feingefühl - Abraham zum Ausgleich eine junge hübsche Sklavin aus dem Harem, und die dunkelhäutige Hagar wird dem Zugereisten den ersten Sohn schenken. Leider ist Ismael ebenfalls dunkelhäutig und kommt für den Glaubens- und Volksbegründer daher keinesfalls als legitimer Spross in Frage. Als der Pharao dann Abraham überraschend die schöne Sarai zurückerstattet und den Auftrag erteilt, die Kanaaniter zu unterwerfen, wendet sich jedoch alles zum Guten: Der Feldzug gelingt dem bereits betagten Abraham, die Zeugung von Nachkommen mit der neunzig Jahre alten Sarai nun ebenfalls. Glaube, Volk, Territorium und Macht der später Israeliten Genannten finden zueinander wie in der reinen Staatslehre. Zumal die dunkelhäutige Hagar und ihr Sohn Ismael auf Drängen Sarais in die Wüste geschickt werden. Abraham lässt sie heimlich retten, auf dass die Nubier ihre eigene Dynastie begründen können.
Eine "Hollywood-Story" nennt Ivan Ivanji die verwickelten Ereignisse, die die Bibel freilich nur als "Treatment" skizziere. Er habe die Mär daher deutend angereichert. Ein Blockbuster oder auch nur ein Arthouse-Film ist "Hineni" allerdings nicht geworden. Ivanji tilgt alle "Fürchte dich nicht!"-Offenbarungen des Herrn und lässt Pharao Amenemhet I. zum zentralen Akteur werden: Er will den hochgewachsenen Fremden unbedingt sehen, vollzieht den Frauentausch, ordnet die Eroberung Kanaans an. Mit ihm hält Abraham manch entspanntes Schwätzchen, denn der Herrscher betrachtet Vielgötterei als Opium fürs Volk. Dieser weltliche Herr ist fast so unergründlich wie der Eine Gott, auch wenn er sich und seine obersten Beamten umgänglich als "Team" bezeichnet.
Ansonsten bedient sich Ivanji sparsam der Küchenpsychologie und der Lexika - zwischen den reichlichen Wendungen der Geschichte erlauben schon mal zwei Seiten über die ägyptischen Götter eine Verschnaufpause. In einem Nachwort schildert Ivanji seine Gründe für die von ihm so nicht genannte Säkularisierung des Geschehens: Die Bibel sei viel zu kompliziert, er habe alles "logisch", "plausibel" und "so real wie möglich" schildern wollen.
Den Anlass für den Roman aber hätten die Fragen eines wütenden Berufsschülers nach einer Lesung in Dachau gegeben: "Warum mordet ihr Juden uns Palästinenser?", "Warum raubt ihr unser Land?" Ivanji antwortete mit Differenzierungen, die nicht verstanden wurden, und begann zu schreiben, um, so heißt es, die Verhältnisse zwischen den Söhnen Abrahams, Ismael und Isaak, zu untersuchen. Ismaels Mutter Hagar sei eine seiner Heldinnen, daher beginne "Hineni" mit ihr.
Vermutlich spiegelt sich der einundneunzigjährige hochproduktive Schriftsteller gern im Urvater Abraham, der nach dem hundertsten Geburtstag überragende Zeugungsfähigkeiten beweist. Just beim Schicksal seiner Heldin Hagar und ihres Sohnes Ismael allerdings hält sich Ivan Ivanji eng an die Bibel: Die Geburt des Volkes Israel geht einher mit der Vertreibung der Dunkelhäutigen, weil sie gegenüber der schönen Sarai aufsässig werden.
Ob diese nicht hinterfragte Wiederholung der Vertreibungs-Urszene aufgrund von Inferiorität geeignet ist, den Berufsschüler zu beruhigen, darf als fraglich gelten.
JÖRG PLATH.
Ivan Ivanji: "Hineni".
Roman.
Picus Verlag, Wien 2020. 216 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main