Marktplatzangebote
16 Angebote ab € 0,25 €
  • Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

Die Schriftstellerin Pauline hat sich aufs Land zurückgezogen, um besser arbeiten zu können. Hier, hinter dem grünen Weizenfeld, ist das Leben anders, ursprünglicher, echter. Doch auch die Emotionen gehen tiefer wie Pauline feststellt, als ihre Tochter Teresa von ihrem Mann, den sie sehr (zu sehr?) liebt, betrogen wird. Pauline, die früher ähnliches durchgemacht hat, erkennt die Anzeichen früh und spürt, wie wachsende Wut sie erfüllt. Aber soll sie sich ins Leben ihrer Tochter einmischen? Teresas Mann, um dessen Bedürfnisse das gesamte Familienleben kreist, verhält sich unbekümmert und selbstzufrieden wie immer. …mehr

Produktbeschreibung
Die Schriftstellerin Pauline hat sich aufs Land zurückgezogen, um besser arbeiten zu können. Hier, hinter dem grünen Weizenfeld, ist das Leben anders, ursprünglicher, echter. Doch auch die Emotionen gehen tiefer wie Pauline feststellt, als ihre Tochter Teresa von ihrem Mann, den sie sehr (zu sehr?) liebt, betrogen wird. Pauline, die früher ähnliches durchgemacht hat, erkennt die Anzeichen früh und spürt, wie wachsende Wut sie erfüllt. Aber soll sie sich ins Leben ihrer Tochter einmischen? Teresas Mann, um dessen Bedürfnisse das gesamte Familienleben kreist, verhält sich unbekümmert und selbstzufrieden wie immer.
Autorenporträt
Penelope Lively wurde 1933 in Kairo geboren und verbrachte dort ihre Kindheit. Seit 1945 lebt sie in England. Sie studierte in Oxford Geschichte und hat zahlreiche Romane und Kinderbücher veröffentlicht. Für ihren Roman Moon Tiger erhielt sie 1987 den Booker-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.1996

Bums macht der Mähdrescher
Klare Sache: Penelope Lively sucht nach Gerechtigkeit für Frauen

Wenn eine Frau einen Roman schreibt, in dem die Bösen schreibende Männer sind, dann sieht jede Kritik an diesem Roman, wenn ein Mann sie schreibt, natürlich gleich wie die Rache des kleinen Chinesen aus, der sich getroffen windet. Wir haben die folgende Situation: Ein Schriftsteller (Sachbuch über den Tourismus - nicht meine Klasse also) betrügt offenkundig seine junge Frau, das Baby nuckelt noch an der Flasche. Die Mutter der jungen Frau lebt allein, ihr Mann, ein Schriftsteller (aufstrebender Wissenschaftler seinerzeit - ebenfalls nicht meine Klasse), hatte sie fortwährend betrogen, und eines Tages hatte sie deshalb ein fast fertiges Buch von ihm angefangen zu verbrennen.

Sie bewohnt ein Cottage in Mittelengland, an einem Weizenfeld, gerade ist ihre Tochter bei ihr. Es ist Hochsommer, brütende Hitze, bald (das heißt, in einigen Wochen) wird ein gewaltiges Gewitter kommen, eins dieser klärenden. Der Mann der Tochter heißt Maurice (sie selber heißt Pauline, die Tochter Teresa) - Maurice ist gerade nicht in seinem Zimmer, aber (und wir folgen der Mutter nun in ihren Kopf, Seite 244): "Aus dem offenen Fenster von Maurices Arbeitszimmer kommt das Raspeln seines Druckers. Ratsch, ratsch, immer hin und her." (Diese Stelle finde ich besonders eindrucksvoll: ratsch, ratsch, immer hin und her.) "Soll ich dir sagen, was du tun sollst, denkt Pauline. Verbrenn sein Buch. Es konzentriert das Gehirn wundervoll. Aber Teresa wird nie so etwas tun, sie wird nicht einmal versuchsweise ein, zwei Seiten verbrennen. Sie ist nicht der Typ, der Bücher verbrennt. Sie selbst ist es, die verbrennen wird."

Das Schlimme an diesem Satz, obwohl auch das schon schlimm genug ist, ist nicht das Fehlen jeder Syntax. Nein, das wirklich Schlimme ist die Wendung, die Tochter sei nicht der Typ, der Bücher verbrennt - es wird einem schrecklich zumute bei dieser Wendung; wie in einem Moment des halben Erwachens aus einem Albtraum möchte man abwehren, was kommen wird, aber man sinkt wieder weg, alles wird kommen, und es kommt: "Sie selbst ist es, die verbrennen wird." Dieser Satz ist absolut sinnlos, er ist unvertretbar, er ist unvergleichlich mehr als diese Syntax, ein Verbrechen an allem Stil, an allen Frauen, die je Romane geschrieben haben, und ich habe mich furchtbar geniert, als ich ihn so unvermeidbar kommen sah.

Es muß aber, habe ich mir dann gesagt, eine Schreibhaltung geben und eine entsprechende Lesehaltung, die auf diesen Satz geradezu mit Lust hinarbeitet und die ihn dann entsprechend nicht fürchtet. Und ich glaube, ich habe die Lösung gefunden. Das Buch ist fast ganz aus der Perspektive der seinerzeit betrogenen Mutter geschrieben, die jetzt, in der erzählten Gegenwart des brütenden Sommers, rückhaltlos auf der Seite der offenbar gerade betrogenen Tochter steht. Und rückhaltlos bedeutet hier nicht bloß, daß die Mutter nicht im mindesten zögert, sondern daß die Autorin selber völlig einverstanden ist damit - so sehr, daß sie die Rückhaltlosigkeit ihrer Mutterfigur nicht einmal dazu benutzt, diese Figur mit irgendeiner Individualität auszustatten. Mit anderen Worten: Die Autorin hält über die Mutter auch den Leser für ganz fraglos einverstanden mit der bedingungslosen und darin beinahe naiven Parteinahme für die betrogene Tochter.

Die Mittel, die die Autorin außerdem benutzt, sind simpel. Die Tochter liebt ihren Mann, sie hat das Kind und hat gar keinen Argwohn, sie glaubt an das Gute in der Welt. Die Frau, mit der ihr Mann offenbar was hat, ist die Freundin seines Verlegers; die beiden kommen immerzu aufs Land in diesem brütenden Sommer, die Freundin ist blond, bedenkenlos, bleibt kalt bei kleinen Kindern und geht, wie die Autorin vorher einmal über die Flirts der damals betrogenen Mutter gesagt hatte, lieber als mit einem Buch mit dem ins Bett, der's geschrieben hat (syntaktisch drückt die Autorin das etwas schlichter aus als ich jetzt). Es kommt auch immer mehr heraus, daß der Schriftsteller, der so auf diese Blonde fliegt, grenzenlos egoistisch ist. Einmal, als die Mutter darüber nachdenkt, findet sie, daß sie ihre Tochter vor allem habe bewahren können, was gefährlich war ("vor zermalmenden Rädern und gähnenden Türen"), daß aber das Böse (wörtlich so: "das Böse") eben nicht vorhersehbar sei - und sie meint diesen Mann, wie er dann wirklich war, denn nach außen hin ist er immer noch, wie der ihre auch gewesen war, gewinnend, geistreich, witzig, auch nicht einmal arrogant oder so, nein, richtiggehend gewinnend: Würden sonst Mutter und Tochter jede den ihren auch nur angefangen haben zu lieben? Nein. Aber dann eben dieses Innere, wenn es herauskommt: So was haben Frauen nun wirklich nicht, man sieht das an der Blonden, die ist durchweg, wie sie ist.

Gut weg kommt unter den Männern bloß - neben dem jungen Verleger, der sich dann von der hemmungslosen Blonden trennt, und einem jungen Autor, der fast zusammenbricht, als seine Frau ihm weglaufen möchte - der Londoner Seelenfreund Paulines, der Heldin. Der hat eine irre Frau und ist Antiquar, also er kann gar nicht betrügen und schreibt keine Bücher, hat also auch kaum ein Inneres - aber auch der, als seine irre Frau dann stirbt, weiß nichts andres, als rasch der Heldin einen Heiratsantrag zu machen. Sieht er denn nicht an ihr, wie man's alleine aushält, und wie die Schweizer sagen: erst noch als Betrogene? Unsre Heldin verzeiht ihm, er wird sich wieder fangen, netter Kerl nämlich sonst: rosiges Gesicht, dicke Brille, ißt gern, trägt einen schäbigen Regenmantel, dazu aber eine "große abgeschabte Maultasche". Zweimal ist von dieser Maultasche die Rede; es seien Bücher drin, heißt es. Wo drin? Was ist eine Maultasche, wenn nicht eine altertümliche Ohrfeige (statt der gebräuchlicheren Maulschelle) oder in Schwaben was zu essen mit Teig außen und innen zum Beispiel Spinat?

Als dann das Gewitter kommt ("bums-bums" machen noch die Mähdrescher auf 251: "bums-bums"), gehn auf dem Lande alle Lichter aus. Bei Pauline im Haus tappt es unten im Düstern. Wer kommt? Der Schwiegersohn. Ihm ist auch mulmig, und halb auf der steilen Treppe, ihr oben entgegen, äußert er (und sie wissen beide, worum es geht, nämlich um die Tochter und die Blonde, und er hat gespürt, daß die Schwiegermama ihn nicht mehr recht mag), sie sei doch eine erwachsene Frau, und so was passiere einfach. Dumm wie seine heimliche Blonde, ist er da aber an die Richtige gekommen, und entweder droht sie nun oder holt auch regelrecht aus, jedenfalls fällt er die steile Treppe hinab und bricht sich unten den verlogenen Hals. Selten in einem Buch habe ich selbst Schufte so im absoluten Gefühl der wohlgetanen Gerechtigkeit zu Tode bringen sehn wie hier, bei dieser vom Recht ihrer Frauen so durchdrungenen Penelope Lively.

Und ebendiese Frauen sind offenbar die Leserinnen, für die sie schreibt. Es ist mir ganz schwindlig geworden bei dem Gedanken an alle die Romanautorinnen, die vor der Lively das Genre groß gemacht haben, von Jane Austen über George Sand und George Eliot und Pardo Bazán und Edith Wharton und Willa Cather und Colette und Deledda und Woolf bis zur Sagan noch, bis zur Rochefort, die Ende der fünfziger Jahre in ihren Romanen ("Das Ruhekissen", "Kinder unserer Zeit") die Männer zum Teufel wünschte - aber mit welcher eingestandenen Ungerechtigkeit! Und keine Frau war besser in ihren Augen. Das lasen noch alle, das konnten noch alle lesen, in jenen Zeiten, als wir glauben wollten, vor der Literatur wären alle gleich, wenigstens die Frauen und die Männer. War das denn bloß ein freundlicher Irrtum? Sind wir Männer, wir lesenden und, schlimmer noch, schreibenden Männer denn jetzt allein mit unsern unedlen Seelen?

Aber lesen können wir, und lieber lesen wir denn also allein weiter, als edel zu werden in Gesellschaft jener Verlorenen, die aus Büchern wie denen von Penelope Lively sich ihre Wahrheit holen oder was sie dafür halten. ROLF VOLLMANN

Penelope Lively: "Hinter dem Weizenfeld". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Isabella Nadolny. Luchterhand Literaturverlag, München 1996. 264 Seiten, geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr