Eine Bootstaufe ist eigentlich ein freudiger Anlass, um mit dem ganzen Dorf den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt zu feiern und vor lauter Stolz über das eigene Hab und Gut fast zu platzen. Für „Flosse“ liegt aber ein dunkler Schatten über diesem Tag, denn Nonnenwort, der ihm das restliche Geld
für das Boot geliehen hat, verkündet ohne Absprache mit dem jungen Mann, die Verlobung mit seiner…mehrEine Bootstaufe ist eigentlich ein freudiger Anlass, um mit dem ganzen Dorf den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt zu feiern und vor lauter Stolz über das eigene Hab und Gut fast zu platzen. Für „Flosse“ liegt aber ein dunkler Schatten über diesem Tag, denn Nonnenwort, der ihm das restliche Geld für das Boot geliehen hat, verkündet ohne Absprache mit dem jungen Mann, die Verlobung mit seiner Tochter, die auch Namenspatin für den Kutter sein durfte – dabei hat er sein Herz schon einer anderer Frau geschenkt.
Am Pfingstmontag treibt dann der leblose Körper von Flosse ans Ufer - mit einer großen Schusswunde am Kopf. Hat sich der Schwiegervater in Spe für die Schmach gerächt?
Die Vorboten des Ersten Weltkrieges sind leider schon allgegenwärtig. So führen Doktor Wittenborg, als ehrenamtlicher Helfer der Polizei, die Ermittlungen zu dem mysteriösen Mord immer wieder zu dem neu gegründeten Wehrverein in Dithmarschen und Umgebung, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut, da ein Großteil der Bevölkerung den zunehmenden Anteil an polnischen Arbeitern in Schleswig Holstein und die daraus resultierenden multikulturellen Hochzeiten mit Schrecken und Hass begegnen. Doch würden die Mitglieder so weit gehen und die stumme Elsbeth, die Geliebte des toten Fischers, ebenfalls töten? Gefundene Verse, die an die Saga der Nebelbraut angelehnt sind, wie die junge Krabbenfischerin gerne verhöhnt wird, lassen Schlimmstes vermuten und sie bleibt spurlos verschwunden.
„Tanze, schöne Nebelbraut,
Tanze, bis der Morgen graut!“
Die Geschichte rund um die Ermordung des Jungfischers ist nicht der Fantasie des Autors entsprungen, sondern hat sich so bzw. ähnlich tatsächlich im Jahre 1911 abgespielt. Auf den letzten Seiten unter der Überschrift „Wahr oder wahrscheinlich“ bekommen wir von Herrn Bracker auch noch einen guten Überblick über die realen Begebenheiten, was diesen Krimi dadurch auch so authentisch macht.
Obwohl wir in „Hinter der Nebelwand“ nach Schleswig Holstein reisen, hält sich der Autor mit Plattdeutschen Dialogen zurück, was ich aber keineswegs negativ anmerken möchte, sondern im Gegenteil sehr begrüße, da der Leserhythmus wahrscheinlich sonst für uns „Landratten“ häufig unterbrochen worden wäre. Der Charme der Region und die Wildheit des Meeres kommen trotzdem sehr gut zur Geltung und der Titel ist wahres Programm im Verlauf der Handlung. Neben diversen Erläuterungen zu den Bootstypen und Landwirtschaftsgeräten, die unsere Generation nur noch aus Museen oder Berichten von Großeltern kennen, bildet die Natur und die wunderschön raue Landschaft, die meistens durch den dichten Nebel nur verschwommen gesehen wird, einen sehr guten Rahmen.
Auf den Mordfall müssen wir Leser zwar 100 Seiten warten, doch langweilig wurde es bei der Einleitung und Vorstellung der Charaktere nicht, weil sie in ihren Träumen und Eigenarten dort gut beleuchtet wurden, um uns (gemeinsam mit dem Doktor) eine notwendige Basis bei der Tätersuche zu geben.
Rasante Verfolgungsjagden sucht man bei diesem historischen Krimi vergeblich, deshalb sollte man sich von der geschickten Ermittlungen der Personen begeistern lassen und sich an dem einmaligen Gemüt der Dithmarscher erfreuen, das von einem waschechten Nordlicht perfekt in Szene gesetzt wird. Lassen Sie sich von Herrn Bracker in die Zeit vor dem großen Sturm der Nationalsozialisten entführen und genießen sie einen Krimi, der auf andere Weise überzeugt, als die blutrünstigen Serienkiller-Pendants.