Die US-Literatur erlebt seit zwanzig Jahren eine Blütezeit. Viele der US-Autoren sind aber in Europa berühmter als in ihrer Heimat. Michael Saur war bei den bekanntesten von ihnen zu Gast, hat sie in ihrem Zuhause erlebt und ihnen zugehört. Mit Richard Ford spricht er in einem vornehmen New Yorker Club über Treue und Rassismus. Paul Auster erzählt vom Ende der Einsamkeit beim Filmemachen. Saur besucht Frank McCourt, dessen enorme Wut erst weg ist, seit er "Die Asche meiner Mutter" geschrieben hat, und Thrillerautor James Patterson, den geistigen Vater des schwarzen Detective Alex Cross, in Palm Beach. T. C. Boyle nimmt ihn mit auf eine Spritztour durch einen der Luxusorte nördlich von Los Angeles, in dem Boyle so bürgerlich wie möglich lebt, um in Gedanken mächtig und extravagant sein zu dürfen. Siri Hustvedt schildert ein Schriftstellerleben im Schatten ihres berühmten Ehemannes Paul Auster, während Austers Schreibmaschine rattert. "Hintergrundrauschen" erzählt von überrasche nd intimen und berührenden Gesprächen, die neue Perspektiven auf einige der wichtigsten Protagonisten der amerikanischen Gegenwartsliteratur eröffnen, und liest sich wie ein sehr persönliches Vorwort zu den Werken der Porträtierten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2001Was ist fiktiv, was authentisch?
Michael Saur belauscht amerikanische Schreibmaschinen
Wenn es im Hintergrund zu sehr rauscht, schaltet man meistens ab, denn eigentlich hat jeder lieber einen rauschfreien Empfang. Hinzuhören lohnt trotzdem, meint Michael Saur, denn aus den undeutlichen Geräuschen, die eine Übertragung oft begleiten, erfahren wir, unter welchen Umständen sie entsteht. "Hintergrundrauschen" heißt deshalb seine Sammlung literarischer Porträts von neunzehn amerikanischen Autoren. Durch persönliche Begegnungen und Gespräche mit bekannten und auch in Deutschland erfolgreichen Erzählern wie Louis Begley, Susanna Moore oder Michael Cunningham begibt er sich auf die Suche "nach dem kreativen Austausch zwischen dem Leben eines Schriftstellers und seiner Arbeit" und will uns etwas von dem übermitteln, was im veröffentlichten Werk nicht mehr zu finden ist.
Enthüllendes kommt dabei nicht zur Sprache, und in manchen Fällen präsentiert Saur seine Gastgeber allzu vordergründig in bekannten Posen: Paul Auster rauchend, Frank McCourt rührend, Richard Ford reisend, T. C. Boyle schwadronierend, Martin Amis routiniert Vaterkomplex und Mutterlandbindung abarbeitend. "Als Schriftsteller bleibst du immer ein Scharlatan", teilt letzterer dazu freimütig mit. "Du spielst deiner Umwelt ein Leben vor."
Dem möchte man zustimmen und sich anderer Lektüre widmen. Doch dann entdeckt man in dem Band immer wieder spannende Momente, wenn Saurs Schilderungen die großen Gesten solcher Selbstdarstellung sanft enttarnen. Im Augenmerk auf eher unauffällige Details der Körpersprache und in der Wiedergabe auch der Zwischentöne einer Unterhaltung liegt oftmals größerer Gewinn als in dem Versuch, zwischen "Fiktion und Authentizität" im Werk eines Autors zu spekulieren.
Überhaupt sind die Porträts am interessantesten, wenn sie weniger bekannten Namen gelten. Der respektvolle Kongreßbericht von der Jahreshauptversammlung der "Romance Writers of America", zu der über eintausendfünfhundert Liebesromanautorinnen - auf der Suche nach Austausch, nach einem Verlag oder nach "ihrer eigenen Stimme" - angereist sind, zählt zu den Höhepunkten des Bandes. In anderer Weise lesens- und bedenkenswert ist, was Saur von seinen Besuchen bei Siri Hustvedt mitteilt. In ihrem Haus in Brooklyn sitzt sie ganz oben unterm Dach und schreibt unbeirrbar in der Hoffnung, daß Agenten, Journalisten und Verlage sich dafür interessieren werden. Im Keller unten arbeitet ihr Mann, Paul Auster, das Klappern seiner Schreibmaschine ist durchs ganze Haus vernehmbar. "Paul ist beim Schreiben soviel schneller als ich. Sein unermüdliches Tippen irritiert mich, wenn ich es beim Arbeiten höre." So vielsagend können Hintergrundgeräusche manchmal sein.
TOBIAS DÖRING.
Michael Saur: "Hintergrundrauschen". Zu Besuch bei amerikanischen Schriftstellern. Picus Verlag, Wien 2001. 141 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Saur belauscht amerikanische Schreibmaschinen
Wenn es im Hintergrund zu sehr rauscht, schaltet man meistens ab, denn eigentlich hat jeder lieber einen rauschfreien Empfang. Hinzuhören lohnt trotzdem, meint Michael Saur, denn aus den undeutlichen Geräuschen, die eine Übertragung oft begleiten, erfahren wir, unter welchen Umständen sie entsteht. "Hintergrundrauschen" heißt deshalb seine Sammlung literarischer Porträts von neunzehn amerikanischen Autoren. Durch persönliche Begegnungen und Gespräche mit bekannten und auch in Deutschland erfolgreichen Erzählern wie Louis Begley, Susanna Moore oder Michael Cunningham begibt er sich auf die Suche "nach dem kreativen Austausch zwischen dem Leben eines Schriftstellers und seiner Arbeit" und will uns etwas von dem übermitteln, was im veröffentlichten Werk nicht mehr zu finden ist.
Enthüllendes kommt dabei nicht zur Sprache, und in manchen Fällen präsentiert Saur seine Gastgeber allzu vordergründig in bekannten Posen: Paul Auster rauchend, Frank McCourt rührend, Richard Ford reisend, T. C. Boyle schwadronierend, Martin Amis routiniert Vaterkomplex und Mutterlandbindung abarbeitend. "Als Schriftsteller bleibst du immer ein Scharlatan", teilt letzterer dazu freimütig mit. "Du spielst deiner Umwelt ein Leben vor."
Dem möchte man zustimmen und sich anderer Lektüre widmen. Doch dann entdeckt man in dem Band immer wieder spannende Momente, wenn Saurs Schilderungen die großen Gesten solcher Selbstdarstellung sanft enttarnen. Im Augenmerk auf eher unauffällige Details der Körpersprache und in der Wiedergabe auch der Zwischentöne einer Unterhaltung liegt oftmals größerer Gewinn als in dem Versuch, zwischen "Fiktion und Authentizität" im Werk eines Autors zu spekulieren.
Überhaupt sind die Porträts am interessantesten, wenn sie weniger bekannten Namen gelten. Der respektvolle Kongreßbericht von der Jahreshauptversammlung der "Romance Writers of America", zu der über eintausendfünfhundert Liebesromanautorinnen - auf der Suche nach Austausch, nach einem Verlag oder nach "ihrer eigenen Stimme" - angereist sind, zählt zu den Höhepunkten des Bandes. In anderer Weise lesens- und bedenkenswert ist, was Saur von seinen Besuchen bei Siri Hustvedt mitteilt. In ihrem Haus in Brooklyn sitzt sie ganz oben unterm Dach und schreibt unbeirrbar in der Hoffnung, daß Agenten, Journalisten und Verlage sich dafür interessieren werden. Im Keller unten arbeitet ihr Mann, Paul Auster, das Klappern seiner Schreibmaschine ist durchs ganze Haus vernehmbar. "Paul ist beim Schreiben soviel schneller als ich. Sein unermüdliches Tippen irritiert mich, wenn ich es beim Arbeiten höre." So vielsagend können Hintergrundgeräusche manchmal sein.
TOBIAS DÖRING.
Michael Saur: "Hintergrundrauschen". Zu Besuch bei amerikanischen Schriftstellern. Picus Verlag, Wien 2001. 141 S., geb., 36,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Beobachtungsgabe jedenfalls hat er, der Autor. Da will Rezensent "tlm" ihm gar nichts vorwerfen. Was Saur zuhause bei Leuten wie Richard Ford, Paul Auster sowie bei weniger prominenten US- Autoren wie etwa Siri Hustvedt (warum eigentlich nicht auch bei Vertretern amerikanischer Minderheiten? fragt sich "tlm") so alles gesehen, gehört und gerochen hat, bringt er indes "nur selten gekonnt zu Papier." Zu viele abgedroschene Redewendungen, schiefe Bilder, nervende Wiederholungen, meint der Rezensent, zu viel: Hintergrundrauschen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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